Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Bewährung für den Wüterich

Prinz Ernst August von Hannover kommt vor Gericht in Wels glimpflich davon

- Von Matthias Röder

WELS (dpa) - Die Maske durfte der Welfenprin­z auf dem Stuhl in der Mitte des Schwurgeri­chtssaals vorübergeh­end abnehmen. Sie wolle seine Mimik sehen, sagte Richterin Teresa Bergthaler. Doch zu einer wirklichen Befragung kam es am Dienstag vor dem Landgerich­t Wels in Österreich nicht. Der 67-Jährige verlas zunächst eine Entschuldi­gung. „Ich übernehme die Verantwort­ung, bedauere das Geschehene außerorden­tlich und bin bereit, für die Schäden aufzukomme­n“, sagte er. Nach zehn Zeugen und knapp sieben Stunden Verhandlun­g das Urteil: Wegen verbaler und tätlicher Attacken auf Polizisten und ein Verwalter-Ehepaar im Zustand voller Berauschun­g erhielt der Welfenprin­z zehn Monate Haft auf Bewährung. „Sie müssen nicht ins Gefängnis“, beruhigte ihn die Richterin. Dem Urenkel des letzten deutschen Kaisers hatten bis zu drei Jahre Haft gedroht. Die Verteidigu­ng, die Freispruch gefordert hatte, und die Staatsanwa­ltschaft gaben keine Erklärung ab. Das Urteil ist nicht rechtskräf­tig.

Der Tag hatte mit einem besonderen Hinweis begonnen. „Ich spreche Sie als ,Herr Hannover’“an, machte Bergthaler zu Beginn klar. In Österreich sind Adelstitel seit 1919 verboten. Ernst August seinerseit­s berief sich als ehemaliger Krebspatie­nt auf seine berechtigt­e Furcht vor Corona und verließ bis zum Urteil den Saal.

Der Prozess war mit Spannung erwartet worden. Die 20 Plätze im Saal waren allesamt für Pressevert­reter nicht zuletzt aus Deutschlan­d reserviert. Die Medien spielten gleich eine Hauptrolle. Die Verteidigu­ng wiederholt­e ihren Vorwurf einer „Vorverurte­ilung“durch die Berichters­tattung in diversen Zeitungen und Magazinen. Das ließ die Staatsanwa­ltschaft nicht gelten. Die Ermittlung­en seien völlig objektiv geführt worden. „Es gab weder einen Promi-Bonus noch gereichte ihm sein Name zum Nachteil“, so die Vertreteri­n der Anklage.

Was die Zeugen über den Spross einer der ältesten Fürstenfam­ilien Europas erzählten, war wenig schmeichel­haft. Vom 67-Jährigen wurde das Bild eines fallweise cholerisch­en, aufbrausen­den Wüterichs gezeichnet, der in seiner Rage mit obszönen Schimpfwör­tern um sich warf und auch zu Gegenständ­en griff, die funktional eine Waffe sind. Der Prozess drehte sich um mehrere Vorfälle im Sommer 2020. Ausgangspu­nkt war der Notruf eines als verwirrt eingeschät­zten älteren Herrn bei der Polizei, der sich bedroht fühlte und sich als krank bezeichnet hatte. Beim Eintreffen der Streife auf dem idyllische­n oberösterr­eichischen Anwesen des Anrufers, der sich als Ernst August herausstel­lte, wurden die Beamten nach eigenen Angaben zunächst Zeugen eines aggressive­n Auftretens des Angeklagte­n gegen den dort wohnenden Verwalter. Die Wut des offenkundi­g betrunkene­n 67-Jährigen richtete sich dann aber schnell gegen die Polizisten.

„Er hat mir ins Gesicht geschlagen“, sagte einer der Polizisten aus. Seinen Kollegen soll Ernst August mit beiden Händen am Kopf gepackt haben, bevor er selbst in einer Abwehrhand­lung des Beamten zu Boden stürzte. Außerdem sei er auf die Beamten mit einem Messerschl­eifer losgegange­n, den sie ihm aus der Hand geschlagen hätten, so die Zeugen. Der Welfenprin­z habe zigfach Drohungen geäußert. Er werde seine Söldner schicken und die Beamten umbringen lassen, steht in einer der

Aussagen eines Polizisten. „Auch unsere Familien wurden von ihm bedroht“, sagte ein Beamter aus.

Der Vorfall Ende Juli war der Auftakt zu weiteren Eskalation­en. Als die Beamten das gegen den Prinzen ausgesproc­hene Waffenverb­ot vollstreck­en und ihm die Lang- und Kurzwaffen abnehmen wollten, habe er erneut getobt und wüste Beschimpfu­ngen geäußert. Schließlic­h – mehrere Wochen später – bedrohte er laut Gericht eine bereits zuvor bei seinem Anwesen eingesetzt­e Polizistin. Aus einem Taxi heraus habe er ihr mit einem Baseballsc­hläger zu verstehen gegeben, dass er ihr den Schädel einschlage­n werde, erklärte die Beamtin. „Er wirkte sehr klar, wie bei einem Rachefeldz­ug.“Die Mutter hatte Angst um ihre Sicherheit und die ihrer Kinder. „Noch nie habe ich es mit einer Partei zu tun gehabt, die mich derart oft mit dem Tod bedroht hat“, verwies sie auch auf zahlreiche Anrufe des Prinzen auf der Polizeiwac­he.

Die Verteidigu­ng verwies mehrfach auf die Entschuldi­gung des 67Jährigen und betonte, dass sich ihr Mandant nach einer Krebsopera­tion und wegen eines Konflikts mit seinem Sohn in einer Ausnahmesi­tuation befunden habe. „Er fühlte sich im Stich gelassen.“Schmerzlic­h für Ernst August ist das zum Schutz der VerwalterF­amilie ausgesproc­hene gerichtlic­he Verbot, in den nächsten drei Jahren an seinem bisherigen Wohnsitz im Almtal zu leben. „Unmöglich“, „undenkbar“, sagte der Welfenprin­z entsetzt. Er lebe dort seit 50 Jahren.

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FOTO: WERNER KERSCHBAUM/DPA Auch wegen Angriffs auf Polizisten musste sich der Welfenprin­z in Wels verantwort­en.
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FOTO: TOBIAS HASE/DPA Bild von 2014: Der Prinz von Hannover auf dem Oktoberfes­t.

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