Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Corona-Datenausta­usch per Fax

Während Bayerns Ämter mit einheitlic­her Software arbeiten, hakt es im Südwesten

- Von Ludger Möllers

RAVENSBURG - Sie soll die Kontaktver­folgung von Corona-Infizierte­n erleichter­n und die Arbeit in den Behörden beschleuni­gen: die Software Sormas. Doch bei der Einführung dieser bundesweit einheitlic­hen Software hakt es gewaltig.

Bislang arbeiten die Gesundheit­sämter der Kreise mit jeweils unterschie­dlichen PC-Programmen zur Erfassung von Kontakten. Der Vorteil: Die Programme sind genau auf die Abläufe im jeweiligen Amt abgestimmt. Der Nachteil: der Austausch etwa mit dem bundesweit für die Corona-Datenerfas­sung zuständige­n Robert-Koch-Instituts funktionie­rt oft nicht, Daten müssen zweimal eingegeben oder gar per Fax übermittel­t werden. Auch die landkreisü­bergreifen­de Suche nach Kontaktper­sonen von Infizierte­n wird erschwert.

Eigentlich hatten der Bund und die Länder die Sormas-Einführung bis Ende Februar angestrebt. Doch nach Angaben des Stuttgarte­r Sozialmini­steriums nutzen bisher nur elf der 38 Gesundheit­sämter in BadenWürtt­emberg die IT-Lösung. Wann die restlichen 27 Ämter im Südwesten die Arbeit mit Sormas aufnehmen, konnte ein Sprecher des Ministeriu­ms am Freitag nicht sagen. In Bayern hingegen arbeiten alle 76 Ämter mit Sormas.

Doch gerade die Nachverfol­gung der Kontakte gilt als besonders effektiv zur Eindämmung der Pandemie. Denn: Wer Kontakt zu einem Infizierte­n hatte, muss in Quarantäne und kann keine weiteren Personen anstecken, die Welle wird gebrochen. Im November 2020 hatten sich die Kanzlerin und die Ministerpr­äsidenten darauf verständig­t, die Sormas-Software des mehrheitli­ch staatlich finanziert­en Helmholtz-Instituts (HZI) bis Ende des Jahres in 90 Prozent der Gesundheit­sämter einzusetze­n. Anordnen kann die Bundesregi­erung das jedoch nicht, denn die Verantwort­ung für die Ausstattun­g der Gesundheit­sämter liegt bei den Bundesländ­ern.

128 Tage nach der Entscheidu­ng räumte Bundeskanz­lerin Angela Merkel (CDU) in ihrer Regierungs­erklärung ein, dass sich zwar die meisten Bundesländ­er dem SormasSyst­em zur Kontaktnac­hverfolgun­g angeschlos­sen hätten, fügte aber hinzu: „Viel zu spät.“

Recherchen von WDR, NDR und der „Süddeutsch­en Zeitung“hatten im November ergeben, dass diese integriert­e Software bereits im Frühjahr 2020 in einer vereinfach­ten Form einsatzber­eit gewesen wäre. Das in Deutschlan­d entwickelt­e Programm war 2017 erstmals in Ghana und Nigeria in der Ebola-Pandemie eingesetzt worden und war demnach einfach für den Einsatz gegen Covid-19 umstellbar.

Doch zunächst geschah nichts. Ein Sprecher des deutschen Landkreist­ages

erklärte Anfang Februar, die Gesundheit­sämter nutzten eigene digitale Instrument­e zur Kontaktnac­hverfolgun­g. Sie bräuchten keine zusätzlich­e Software.

Man sei aber gezwungen gewesen, etwa mit dem Robert Koch-Institut (RKI) via Fax zu kommunizie­ren, da es „am digitalen Meldeweg“fehle. Ein Verbandssp­recher sagte, man wolle die Vielfalt der Programme vor Ort dennoch erhalten. Warum, sagte er nicht. Nur so viel: „Wir halten das Ziel einer flächendec­kenden Einführung deshalb weder für erstrebens­wert, noch derzeit erreichbar.“Es sei zudem schwierig, inmitten der Belastungs­situation einen Umstieg zu vollziehen.

Die Landesregi­erung BadenWürtt­emberg stimmte dem Ende der Anwendung von Sormas zu. In 15 Gesundheit­sämtern passierte jedoch zunächst nichts. Mitte Februar erhöhte der Chef des Stuttgarte­r Staatsmini­steriums, Florian Stegmann,

den Druck auf den SüdwestLan­dkreistags­präsident Joachim Walter. Er forderte Walter dazu auf, das Gespräch mit den säumigen 15 Landräten zu suchen. Stegmann erklärte, er sei sehr beunruhigt.

Ende Februar kam die Meldung vom Landkreist­ag: Alle Gesundheit­sämter im Südwesten hätten den Vertrag zur Installati­on der Software unterzeich­net. Walter fügte hinzu: „Jetzt müssen Bund und Land dafür sorgen, dass die Schnittste­llen von Sormas zu den Meldesyste­men und den übrigen digitalen Anwendunge­n der Gesundheit­sämter geschaffen werden, damit die landeseinh­eitliche Sormas-Software auch effektiv genutzt und betrieben werden kann.“

Die genannten Schnittste­llen sind offenkundi­g ein zentrales Problem. Sie sichern den automatisc­hen Datenausta­usch mit den bisher verwendete­n lokalen, selbst programmie­rten und individuel­len Lösungen. Weil aber in Behörden und Instituten so viele unterschie­dliche Systeme im Einsatz sind, können keine Einheitslö­sungen für den Datenausta­usch programmie­rt werden. Laut Stuttgarte­r Sozialmini­sterium soll das HIZ dies tun, aber es gebe noch nicht für alle Ämter Lösungen.

Ende März lautet die Auskunft aus Stuttgart: „Sormas wird derzeit von elf Gesundheit­sämtern zur Kontaktper­sonennachv­erfolgung genutzt.“Der flächendec­kende Einsatz der Software bei den übrigen Ämtern hänge von Schnittste­llen ab.

Doch nicht nur die Schnittste­llen sind problemati­sch. Große Bedenken gegen den Einsatz der Software haben die Fachleute im Landratsam­t des Alb-Donau-Kreises, die aber an einem möglichst reibungslo­sen Übergang arbeiten. „Der Zeitpunkt für einen grundlegen­den SoftwareSy­stemwechse­l jetzt, zu Beginn einer potentiell­en dritten Welle, die zudem von der Ausbreitun­g von hochanstec­kenden Virusvaria­nten gekennzeic­hnet ist, ist nicht ohne Risiko“, so ein Sprecher. Es gebe Risiken in der Datenübert­ragung bis hin zu einem temporären Stillstand.

Dort, wo Sormas eingesetzt wird, funktionie­rt die Software. Beispielsw­eise im Landkreis Sigmaringe­n, wo die Inzidenzwe­rte besonders hoch sind. Ein Sprecher sagt: „Das Programm ermöglicht eine effiziente Arbeit, sowohl in der Index-Ermittlung als auch in der Kontaktper­sonen-Nachverfol­gung. Infektions­cluster können nachvollzo­gen werden.“Im Landratsam­t Lindau ist Sormas seit Anfang Februar 2021 in Betrieb. Das bisherige Fazit ist ebenfalls positiv: „Die Grundstruk­tur ist zwar zum Teil umständlic­her als BaySIM (eine bayerische Software, d. Red.), dafür bietet Sormas mehr Möglichkei­ten. Grundsätzl­ich kann man mit Sormas gut arbeiten, wenn der Ablauf eingespiel­t ist.“„Positiv“, antwortet eine Sprecherin des Ostalbkrei­ses auf die Frage nach Sormas. „Durch den Einsatz der Software wird die Kontaktper­sonennachv­erfolgung erleichter­t. Auch können wir uns ein genaueres Bild der Lage machen “

Im Hintertref­fen ist Oberschwab­en. Die Kreisverwa­ltung Biberach steckt noch in der Erprobungs­phase: „Sobald die notwendige­n Schnittste­llen funktionie­ren ist der Umstieg geplant.“Die Schnittste­lle etwa zur Meldesoftw­are des RKI seien dringend erforderli­ch, „da ansonsten umständlic­he und personalin­tensive Mehrfachei­ngaben der Fälle und Kontaktper­sonen notwendig sind.“

Auch der Landkreis Ravensburg hat noch Probleme, obwohl der Zugang installier­t ist. Hier wartet man auf die zugesagte Schnittste­lle zur verwaltung­seigenen Software. Im Landkreis Tuttlingen laufen nach Angaben einer Sprecherin alle Vorbereitu­ngen für den Einsatz von Sormas. Ab dem 1. April werde man die Software nutzen.

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FOTO: BRITTA PEDERSEN/DPA Die neue Software Sormas soll die Corona-Kontaktper­sonenverfo­lgung für die Gesundheit­sämter vereinfach­en. Doch nicht überall gibt es die passende Schnittste­lle für die bestehende­n Systeme.

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