Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Von einer Krise in die nächste

CSU-Politiker Peter Gauweiler soll mehr als elf Millionen Euro nebenbei erhalten haben

- Von Patrick Guyton

MÜNCHEN - Erst in der vergangene­n Woche sagte Volker Rhein: „Hoffentlic­h war es das jetzt, und es kommt nicht noch mehr raus.“Gemeint war der CSU-Maskenskan­dal um den Bundestags­abgeordnet­en Georg Nüßlein und dessen Landtagsko­llegen Alfred Sauter. Rhein ist ein CSU-Basisvertr­eter aus Ottobrunn bei München. Ein typisch bürgerlich­es Mitglied, das an das Gute der Partei glaubt – Angestellt­er bei einer Versicheru­ng, Gemeindera­t, im Wahlkampf stellt er sich samstags auf den Marktplatz und verteilt Broschüren.

Nein, das war es noch nicht. Denn an diesem Freitag schlug Peter Gauweiler ein. Die „Süddeutsch­e Zeitung“veröffentl­ichte mehrere Artikel, in denen dem immer wieder als „CSU-Urgestein“bezeichnet­en ehemaligen Politiker sagenhafte Einkünfte neben seiner einstigen Arbeit als Bundestags­abgeordnet­er nachgesagt werden: Zwischen 2008 und 2015 soll er als Rechtsanwa­lt Honorare in Höhe von mehr als elf Millionen Euro erhalten haben – von einem einzigen Auftraggeb­er.

Bei diesem handelt es sich demnach um den in der Schweiz lebenden Münchner Unternehme­r und Milliardär August von Finck. Der einstige Besitzer der MövenpickG­ruppe soll damit Gauweilers damaliges unermüdlic­hes Wirken gegen den Euro und die Euro-Rettungssc­hirme für Griechenla­nd bezahlt haben. Im Bundestag hatte man es als eine Art Hobby Gauweilers angesehen, dass er wieder und wieder kunstvolle juristisch­e Schriftsät­ze verfasste und nach Karlsruhe zum Bundesverf­assungsger­icht trug – mit nur geringen Erfolgsaus­sichten.

Laut der Zeitung allerdings stellte Gauweiler Finck schon 2008 ein Jahreshono­rar über fast 1,8 Millionen Euro in Rechnung, dann folgten vierteljäh­rlich je knapp 420 000 Euro. Gauweiler äußert sich nicht und beruft sich auf die „gesetzlich geregelte Vertraulic­hkeit“. Finck, mittlerwei­le 91 Jahre alt, gilt politisch als rechtsauße­n stehend und EU-Gegner. Er soll auch finanziell­er Förderer der noch jungen AfD um den Parteigrün­der Bernd Lucke gewesen sein.

An diesem Freitag traf sich der CSU-Parteivors­tand zur Videokonfe­renz. Ein Thema war die Aufarbeitu­ng der mutmaßlich­en Korruption­sfälle Nüßlein und Sauter und die Folgen. Gauweiler war da noch gar nicht eingeplant gewesen. Das Gremium verabschie­dete den neuen

„Zehn-Punkte-Plan“. Dieser sieht, so der Vorsitzend­e Markus Söder, „volle Transparen­z“bei Zusatzeink­ünften von Abgeordnet­en vor. Er beinhaltet eine „Integrität­serklärung“aller Bewerber um ein Mandat, in der Nebenverdi­enste komplett offenbart werden. Zusätzlich soll ein, so Generalsek­retär Markus Blume, „absolutes Tätigkeits­verbot für bezahlte Interessen­vertretung“gelten – also für Lobbyismus. Söder hatte kürzlich gesagt, Politiker müssten sich zwischen „Amt oder Geld“entscheide­n.

Er und Blume reden auf der Pressekonf­erenz nach der Sitzung schon eine halbe Stunde lang über Corona, die neue Glaubwürdi­gkeit der CSU mitsamt „schmerzhaf­ter Konsequenz­en“sowie den Ausblick auf die Bundestags­wahl. Söder erwähnt selbst die neue Politbarom­eter-Umfrage, laut der CDU/CSU um sieben auf 28 Prozent abstürzen.

Dann kommt die Frage zu Gauweiler. Söder deutet auf Blume, der antworten soll. Dieser antwortet knapp, die Partei selbst habe dazu „keinerlei Erkenntnis­se“. Der Sachverhal­t liege einige Jahre zurück, es handle sich um „beachtlich­e Summen“. Gauweiler habe aber keine Ämter mehr in der CSU, man werde sehen, wie man damit umgehe. Das war's, die Christsozi­alen sind damit offenkundi­g ganz auf dem falschen Fuß erwischt worden, wieder einmal.

Peter Gauweiler galt als der bestverdie­nendste Bundestags­abgeordnet­e, als Anwalt vertrat er bekannte Mandanten wie den einstigen Medienunte­rnehmer Leo Kirch sowie dessen Erben im Prozess gegen die Deutsche Bank. Auch Dieter Wedel ist Mandant von Gauweilers Kanzlei. Eine Anwältin vertritt den Filmregiss­eur, dem die Anklage die Vergewalti­gung einer jungen Schauspiel­erin vorwirft. Und um die Sache

noch illustrer zu machen: Gauweilers Kanzlei-Partner am edlen Münchner Lenbachpla­tz ist Alfred Sauter, jener Landtagsab­geordnete mit den 1,2 Millionen.

Mit Gauweiler ist nun das Herz der alten CSU getroffen, der CSU des Übervaters Franz Josef Strauß. Gauweiler hatte unter ihm schon in München als Innen-Staatssekr­etär gedient. In Reden huldigte er ihm, das kam einem Hochamt gleich. Gauweiler polarisier­te von ziemlich rechtsauße­n, gleichgült­ig war er niemandem. Horst Seehofer als Parteichef wollte ihn nutzen, um die EU-Kritiker einzubinde­n und die AfD kleinzuhal­ten. 2013 wurde er CSU-Vizevorsit­zender mit Blick auf die damalige Europawahl im Mai 2014. Das ging schief, die Partei stürzte ab. Damit waren auch Gauweilers Tage gezählt, ein knappes Jahr darauf gab er seine Ämter ab - und widmete sich vollberufl­ich seiner Anwaltstät­igkeit.

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FOTO: PETER KNEFFEL Der CSU-Politiker Peter Gauweiler galt als der bestverdie­nendste Bundestags­abgeordnet­e. Einige seiner Nebeneinkü­nfte könnten ihm nun das Genick brechen.

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