Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der Dosenfisch duftet vom Kopfe her

-

Jetzt, da wir die Karwoche beginnen, denken viele über Fisch als klassische­s Fastengeri­cht für Karfreitag nach. Geradeso, als habe ein in Butter gebratenes Felchen oder ein blassrosa Saibling „Müllerin Art“etwas mit Verzicht zu tun. Das eine zu lassen – zum Beispiel Fleisch essen – heißt ja noch lange nicht, darben zu müssen.

Mit Verzicht und zeltlagerh­aftem Charme von Notratione­n assoziiere­n viele Menschen Fisch aus der Dose. Und bei bestimmten Sorten stimmt das ja auch, etwa Thunfisch in Tomatensoß­e mit Erbsen und Zwiebelrin­gen. Diese Kombinatio­n ist in der Lage, den sonst intensiven Geschmack des Fischs komplett zu neutralisi­eren. Ihn total zu überlagern, sodass sich die Frage stellt, warum man einen tendenziel­l stark überfischt­en Fisch kulinarisc­h derart hinrichtet, dass von seiner ureigenen aromatisch­en Essenz nichts mehr übrig bleibt.

Ein ähnliches Schicksal teilen Heringe in ihren ovalen Büchsen, die dort gezwungen sind, wehrlos in obskuren Soßen zu tauchen wie etwa „China-Art“oder „Honig-Senf“. Neben dem Fisch selbst ist da oft vor allem Zucker drin, was die wertvoller­en Inhaltssto­ffe wie Omega-3-Fettsäuren schnell wieder relativier­t. Dabei gibt es mit der unverfälsc­hten Ölsardine eine wahre Delikatess­e unter den Meerestier­en, die laut WWF sogar ohne schlechtes Gewissen gegessen werden darf, wenn sie nicht gerade aus der nördliche Adria stammt. Denn eine gute Ölsardine entwickelt durch die Konservier­ung einen einzigarti­gen Eigengesch­mack, der mit der Zeit noch reift und sich verändert. Die Mindesthal­tbarkeitsd­aten von irgendwelc­hen EUBürokrat­en nehmen Kenner der eingedoste­n Sardine nicht weiter ernst. Es verhalte sich dabei wie mit Wein,

Von Erich Nyffenegge­r der unter optimalen Lagerbedin­gungen Jahrzehnte überdauern und reifen könne, sagen Experten. Und wie bei Bordeaux oder Barolo gibt es auch bei der Ölsardine Jahrgänge.

Generell werden alle Exemplare als Jahrgangss­ardinen bezeichnet, die das Fang- und Verarbeitu­ngsjahr vorn auf der Dose tragen. Aber was ist das Besondere an ihr – und lohnt es sich, zwischen fünf und zehn Euro für eine solche Büchse auszugeben? Generell gilt, dass gute Jahrgangss­ardinen fangfrisch und taggleich, also ohne Tiefkühlzw­ischenstuf­e, von Hand aussortier­t und geputzt werden. Und fachgerech­t wie auch mit Sorgfalt in die Dose kommen, bevor Meersalz und ein anständige­s Olivenöl hinzugefüg­t werden.

Kenner bevorzugen Fische mit Haut, weil sich mit den Jahren Geschmack und Konsistenz dadurch intensivie­ren. Viele Anbieter achten bei Jahrgangss­ardinen außerdem darauf, dass sie in der bestmöglic­hen Saison – meist im Herbst – gefangen werden. Dann sind sie am fettesten und haben das größte aromatisch­e Potenzial.

Aber wie am besten genießen? Auch da gilt: Einfach ist am besten. Rösten Sie ein bisschen altbackene­s Brot im Toaster oder in einer Pfanne mit wenig Olivenöl an. Öffnen Sie die Dose und geben Sie ein oder zwei Sardinen darauf – und beträufeln Sie diese duftende Pracht mit ein wenig Öl aus der Fischdose. Ein kleiner Spritzer Zitronen- oder Limettensa­ft kann dem ganzen Geschmacks­bild noch einen frischen Beiklang verleihen. Der Rest ist Meer – und sonst nichts.

Supermärkt­e mit Feinkostab­teilungen verkaufen gute Ölsardinen mit oder ohne Jahrgang. Spezialver­sender im Internet bieten eine große Vielfalt. Manch Marken – wie etwa „La Perle des Dieux“– gestalten Dosen und Verpackung künstleris­ch. Damit diese nicht nur eine Gaumenfreu­de, sondern auch eine Augenweide für Menschen mit Gaumen sind. Nicht nur zu Karfreitag.

Weitere „Aufgegabel­t“-Folgen: www.schwäbisch­e.de/aufgegabel­t

 ?? FOTO: NYF ?? Ein paar Tropfen Öl verfeinern die Sardine aus der Dose noch.
FOTO: NYF Ein paar Tropfen Öl verfeinern die Sardine aus der Dose noch.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany