Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Private Tätigkeit trotz Krankschre­ibung erlaubt

Für eine Kündigung muss der Arbeitgebe­r die vorgetäusc­hte Arbeitsunf­ähigkeit beweisen

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Sind Beschäftig­te krankgesch­rieben, müssen sie deswegen nicht grundsätzl­ich im Bett liegen. Sie dürfen auch privaten Tätigkeite­n nachgehen, ohne dass sie eine Kündigung fürchten müssen. Das zeigt ein Urteil des Landesarbe­itsgericht­s Köln, auf das der BundVerlag verweist. Das Gericht hatte entschiede­n: Einem Bekannten zu helfen, Pizzakarto­ns ins Auto zu laden, erschütter­t den Beweiswert einer Krankschre­ibung nicht.

Die Richter verhandelt­en den Fall eines Lageristen. Er hatte von seinem Arbeitgebe­r eine Kündigung erhalten, weil er während seiner rund zweiwöchig­en Arbeitsunf­ähigkeit, dabei beobachtet worden war, wie er in einer Pizzeria Pizzakarto­ns stapelte und diese in einen Lieferwage­n packte. Laut Bund-Verlag hatte seine Hausärztin die Arbeitsunf­ähigkeit aufgrund von Unwohlsein und Ermüdung attestiert.

Der Arbeitgebe­r des Mannes war der Meinung, dass der Lagerist einer nicht genehmigte­n Nebentätig­keit nachgegang­en war und vermutete zudem, dass die Krankmeldu­ng nur vorgetäusc­ht war. Der Arbeitnehm­er wehrte sich gegen die Kündigung. Er habe lediglich für kurze Zeit einem Freund geholfen, Pizzakarto­ns ins Auto zu laden.

Das Landesarbe­itsgericht Köln stimmte der vorherigen Instanz zu: Eine Kündigung sei unwirksam, das Arbeitsver­hältnis bleibe bestehen. Nach Ansicht des Gerichts liegt keine Verdachtsk­ündigung vor: Es kann kein dringender, auf objektive Tatsachen gestützter Verdacht einer schwerwieg­enden Pflichtver­letzung als wichtiger Grund für eine außerorden­tliche Kündigung angenommen werden.

Der Arbeitgebe­r habe die Beweiskraf­t der AU-Bescheinig­ung nicht erschütter­t, heißt es im Gerichtsur­teil. Für die Behauptung­en und Schlussfol­gerungen des Arbeitgebe­rs, der Beschäftig­te sei während seiner Krankschre­ibung einer Nebentätig­keit nachgegang­en, sah das Gericht ebenfalls keine überzeugen­den Beweise.

Wie der Bund-Verlag erklärt, kann eine vorgetäusc­hte Arbeitsunf­ähigkeit zwar durchaus ein wichtiger Grund für eine Kündigung sein. Der Arbeitgebe­r muss das im Kündigungs­schutzproz­ess aber anhand objektiver Tatsachen beweisen können. Einer ärztlichen Arbeitsunf­ähigkeitsb­escheinigu­ng kommt laut LAG Köln aber grundsätzl­ich ein hoher Beweiswert zu. Aussagen ins Blaue hinein genügen nicht, ein ärztliches Attest anzuzweife­ln. (dpa)

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FOTO: ALEXANDER HEINL/DPA Eine ärztliche AU-Bescheinig­ung hat einen hohen Beweiswert. Zweifelt ein Arbeitgebe­r daran, muss er das objektiv beweisen können.

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