Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Modell für bezahlbaren Wohnraum
Technischer Ausschuss favorisiert Vorschlag von Freien Wählern und FDP
TETTNANG - Die Wohnungssituation in Tettnang ist äußerst angespannt. Viele Geringverdiener ächzen unter den teuren ortsüblichen Mieten, an ein Eigenheim ist oft gar nicht erst zu denken. Wie auch Menschen mit geringem Einkommen künftig in Tettnang zu bezahlbaren Preisen wohnen können, das ist derzeit Thema in den Tettnanger Gremien. Im Kern möchte die Stadt bei zukünftigen Bauprojekten die Errichtung von mehr bezahlbarem Wohnraum fest verankern.
Dahinter verbergen sich die etwas sperrig klingenden baulandpolitischen Grundsätze. Wie das Modell dafür konkret aussehen könnte, beschäftigt die Gremien schon seit mehreren Jahren. Doch nun befindet sich das Projekt sozusagen auf der Ziellinie. Inzwischen sind mehrere Vorschläge ausgearbeitet, eine Entscheidung soll im Gemeinderat am 14. April fallen. Mit den sogenannten baulandpolitischen Grundsätzen will die Stadt den Wohnungsbedarf von „Bevölkerungsgruppen mit besonderen Wohnraumversorgungsproblemen“decken, wie Stadtbaumeister Achim Straub in der Sitzung des Technischen Ausschusses am vergangenen Mittwoch erklärte.
Damit sind zum Beispiel Menschen mit geringem Einkommen gemeint, aber beispielsweise auch Familien mit vielen Kindern oder Alleinerziehende. Anwesend in der Sitzung war auch der Rechtsanwalt Gerhard Spieß aus München, den die Stadt als Experten mit ins Boot geholt hat. Unter dessen Beteiligung fand Anfang Oktober 2020 ein Workshop
statt, Mitte Februar diesen Jahres folgte dann eine große Informationsveranstaltung mit Vertretern der Ortschaftsräte und dem Gemeinderat.
Dass Tettnang ein entsprechendes Baulandmodell beschließen und anwenden soll, darüber herrscht im Gemeinderat weitestgehend Konsens. Nun geht es jedoch noch um die genauen Inhalte. Diese sollen dann abschließend von Rechtsanwalt Gerhard Spieß in einem Grundsatzpapier zusammengestellt und in einer weiteren Situngsrunde verabschiedet werden.
Drei Vorschläge lagen dem Technischen Ausschuss am Mittwoch vor: Ein Antrag der Fraktionsgemeinschaft von Freien Wählern und FDP, ein Antrag der Grünen-Fraktion sowie ein Antrag von Sylvia Zwisler (CDU) und den SPD-Räten Hermann König und Boby Plassery. Dabei haben die einzelnen Antragsteller anhand verschiedener Eckpunkte Vorschläge ausgearbeitet – wobei klar wurde: In vielen Punkten stimmen die einzelnen Vorschläge überein.So ist die Zielrichtung etwa, dass die Stadt in größeren Baugebieten selbst Flächen kaufen und entwickeln soll. Daran wird dann auch das Baurecht geknüpft, das nur dann erteilt wird, wenn die jeweiligen Bedingungen erfüllt werden. Eine Alternative wäre das sogenannte Vertragsmodell gewesen, bei dem die Stadt keine Flächen ankauft, sondern der Vorhabenträger das gesamte Baugebiet entwickelt. Dabei wäre dann vertraglich sichergestellt, dass gewisse Vorgaben erfüllt werden.
Unterschiede zwischen den einzelnen Anträgen beziehen sich beispielsweise auf die Quote, wie viel sozialer Wohnraum in Bezug auf die Flächen geschaffen werden soll. Freie Wähler und FDP fordern etwa, dass diese Quote bei einem 35-Prozent-Flächenanteil für die Stadt bei 50 Prozent liegen soll. Falls die Stadt 100 Prozent der Fläche erwirbt, soll der Anteil der sozialen Nutzung bei 17,5 Prozent liegen, heißt es im Antrag von FW/FDP.
Im Antrag von Zwisler, König und Plassery sollen mindestens 20 Prozent der städtischen Wohnbaufläche für bezahlbaren Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Am weitesten geht der Antrag der Grünen, die Fraktion fordert einen Anteil von bezahlbarem Wohnraum von 30 Prozent, bezogen auf das komplette Baugebiet.
Auch weiten die Grünen in ihrem Antrag den Kreis der potenziellen Mieter aus und fordern, dass sich von den 30 Prozent bezahlbarem Wohnraum zwei Drittel am Mietspiegel orientiert sowie ein Drittel dem Landeswohnungsbauförderungsgesetz angepasst werden soll.
Hansjörg Bär (FW) bezeichnete den Antrag seiner Fraktion sowie der FDP als „ausgewogene Lösung, die für alle einen gangbaren Weg aufzeigt“.
Albert Dick (Grüne) betonte nochmals die Wichtigkeit der zu beschließenden Leitlinien und sagte, dass das Thema sozialer Wohnraum in den vergangenen Jahren „sträflich vernachlässigt“worden sei. „Wir dürfen und wir müssen hier regulierend eingreifen, um die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken“, so Dick. Für ihn springe der Vorschlag der von FW/FDP jedoch zu kurz.
Sylvia Zwisler erklärte, dass sie den Vorschlag, den sie gemeinsam mit der SPD-Fraktion erarbeitet habe, als Kompromiss zwischen den anderen vorliegenden Anträgen sehe. Christian Grasselli (CDU) erklärte, dass er gut mit dem Vorschlag von FW/FDP leben könne. Am Ende sollte das Modell aus seiner Sicht jedoch ein „so wenig wie möglich politisch motiviertes, sondern ein möglichst sachliches Modell“werden, betonte Grasselli. Man solle dabei außerdem darauf achten, das Ganze bürokratisch so einfach wie möglich zu halten, auch sollte das Modell der Stadt noch eine gewisse Flexibilität ermöglichen.
In seinem Empfehlungsbeschluss für den Gemeinderat sprach sich der Technische Ausschuss letztlich bei sechs Ja-Stimmen, zwei Gegenstimmen sowie zwei Enthaltungen mehrheitlich für den Antrag von Freien Wählern und FDP aus. Die anderen beiden Anträge wurden jeweils mehrheitlich abgelehnt.
Ähnlich hatten sich zuvor die Ortschaftsräte entschieden: Der Ortschaftsrat Tannau hatte sich einstimmig für den Antrag von FW/FDP ausgesprochen und zudem angeregt, für Sonderfälle das Vertragsmodell zu prüfen. Bei einer Gegenstimme hatte auch der Kauer Ortschaftsrat mehrheitlich für den Antrag von FW/FDP gestimmt.
In Langnau fiel das Votum für diesen Antrag bei zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung ebenfalls mehrheitlich aus. Zudem fasste der Rat den Empfehlungsbeschluss, bei jedem Bauleitplanverfahren eine Baupflicht innerhalb eines bestimmten Zeitrahmens zu bestimmen.