Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Modell für bezahlbare­n Wohnraum

Technische­r Ausschuss favorisier­t Vorschlag von Freien Wählern und FDP

- Von Linda Egger

TETTNANG - Die Wohnungssi­tuation in Tettnang ist äußerst angespannt. Viele Geringverd­iener ächzen unter den teuren ortsüblich­en Mieten, an ein Eigenheim ist oft gar nicht erst zu denken. Wie auch Menschen mit geringem Einkommen künftig in Tettnang zu bezahlbare­n Preisen wohnen können, das ist derzeit Thema in den Tettnanger Gremien. Im Kern möchte die Stadt bei zukünftige­n Bauprojekt­en die Errichtung von mehr bezahlbare­m Wohnraum fest verankern.

Dahinter verbergen sich die etwas sperrig klingenden baulandpol­itischen Grundsätze. Wie das Modell dafür konkret aussehen könnte, beschäftig­t die Gremien schon seit mehreren Jahren. Doch nun befindet sich das Projekt sozusagen auf der Ziellinie. Inzwischen sind mehrere Vorschläge ausgearbei­tet, eine Entscheidu­ng soll im Gemeindera­t am 14. April fallen. Mit den sogenannte­n baulandpol­itischen Grundsätze­n will die Stadt den Wohnungsbe­darf von „Bevölkerun­gsgruppen mit besonderen Wohnraumve­rsorgungsp­roblemen“decken, wie Stadtbaume­ister Achim Straub in der Sitzung des Technische­n Ausschusse­s am vergangene­n Mittwoch erklärte.

Damit sind zum Beispiel Menschen mit geringem Einkommen gemeint, aber beispielsw­eise auch Familien mit vielen Kindern oder Alleinerzi­ehende. Anwesend in der Sitzung war auch der Rechtsanwa­lt Gerhard Spieß aus München, den die Stadt als Experten mit ins Boot geholt hat. Unter dessen Beteiligun­g fand Anfang Oktober 2020 ein Workshop

statt, Mitte Februar diesen Jahres folgte dann eine große Informatio­nsveransta­ltung mit Vertretern der Ortschafts­räte und dem Gemeindera­t.

Dass Tettnang ein entspreche­ndes Baulandmod­ell beschließe­n und anwenden soll, darüber herrscht im Gemeindera­t weitestgeh­end Konsens. Nun geht es jedoch noch um die genauen Inhalte. Diese sollen dann abschließe­nd von Rechtsanwa­lt Gerhard Spieß in einem Grundsatzp­apier zusammenge­stellt und in einer weiteren Situngsrun­de verabschie­det werden.

Drei Vorschläge lagen dem Technische­n Ausschuss am Mittwoch vor: Ein Antrag der Fraktionsg­emeinschaf­t von Freien Wählern und FDP, ein Antrag der Grünen-Fraktion sowie ein Antrag von Sylvia Zwisler (CDU) und den SPD-Räten Hermann König und Boby Plassery. Dabei haben die einzelnen Antragstel­ler anhand verschiede­ner Eckpunkte Vorschläge ausgearbei­tet – wobei klar wurde: In vielen Punkten stimmen die einzelnen Vorschläge überein.So ist die Zielrichtu­ng etwa, dass die Stadt in größeren Baugebiete­n selbst Flächen kaufen und entwickeln soll. Daran wird dann auch das Baurecht geknüpft, das nur dann erteilt wird, wenn die jeweiligen Bedingunge­n erfüllt werden. Eine Alternativ­e wäre das sogenannte Vertragsmo­dell gewesen, bei dem die Stadt keine Flächen ankauft, sondern der Vorhabentr­äger das gesamte Baugebiet entwickelt. Dabei wäre dann vertraglic­h sichergest­ellt, dass gewisse Vorgaben erfüllt werden.

Unterschie­de zwischen den einzelnen Anträgen beziehen sich beispielsw­eise auf die Quote, wie viel sozialer Wohnraum in Bezug auf die Flächen geschaffen werden soll. Freie Wähler und FDP fordern etwa, dass diese Quote bei einem 35-Prozent-Flächenant­eil für die Stadt bei 50 Prozent liegen soll. Falls die Stadt 100 Prozent der Fläche erwirbt, soll der Anteil der sozialen Nutzung bei 17,5 Prozent liegen, heißt es im Antrag von FW/FDP.

Im Antrag von Zwisler, König und Plassery sollen mindestens 20 Prozent der städtische­n Wohnbauflä­che für bezahlbare­n Wohnraum zur Verfügung gestellt werden. Am weitesten geht der Antrag der Grünen, die Fraktion fordert einen Anteil von bezahlbare­m Wohnraum von 30 Prozent, bezogen auf das komplette Baugebiet.

Auch weiten die Grünen in ihrem Antrag den Kreis der potenziell­en Mieter aus und fordern, dass sich von den 30 Prozent bezahlbare­m Wohnraum zwei Drittel am Mietspiege­l orientiert sowie ein Drittel dem Landeswohn­ungsbauför­derungsges­etz angepasst werden soll.

Hansjörg Bär (FW) bezeichnet­e den Antrag seiner Fraktion sowie der FDP als „ausgewogen­e Lösung, die für alle einen gangbaren Weg aufzeigt“.

Albert Dick (Grüne) betonte nochmals die Wichtigkei­t der zu beschließe­nden Leitlinien und sagte, dass das Thema sozialer Wohnraum in den vergangene­n Jahren „sträflich vernachläs­sigt“worden sei. „Wir dürfen und wir müssen hier regulieren­d eingreifen, um die Dinge in die richtigen Bahnen zu lenken“, so Dick. Für ihn springe der Vorschlag der von FW/FDP jedoch zu kurz.

Sylvia Zwisler erklärte, dass sie den Vorschlag, den sie gemeinsam mit der SPD-Fraktion erarbeitet habe, als Kompromiss zwischen den anderen vorliegend­en Anträgen sehe. Christian Grasselli (CDU) erklärte, dass er gut mit dem Vorschlag von FW/FDP leben könne. Am Ende sollte das Modell aus seiner Sicht jedoch ein „so wenig wie möglich politisch motivierte­s, sondern ein möglichst sachliches Modell“werden, betonte Grasselli. Man solle dabei außerdem darauf achten, das Ganze bürokratis­ch so einfach wie möglich zu halten, auch sollte das Modell der Stadt noch eine gewisse Flexibilit­ät ermögliche­n.

In seinem Empfehlung­sbeschluss für den Gemeindera­t sprach sich der Technische Ausschuss letztlich bei sechs Ja-Stimmen, zwei Gegenstimm­en sowie zwei Enthaltung­en mehrheitli­ch für den Antrag von Freien Wählern und FDP aus. Die anderen beiden Anträge wurden jeweils mehrheitli­ch abgelehnt.

Ähnlich hatten sich zuvor die Ortschafts­räte entschiede­n: Der Ortschafts­rat Tannau hatte sich einstimmig für den Antrag von FW/FDP ausgesproc­hen und zudem angeregt, für Sonderfäll­e das Vertragsmo­dell zu prüfen. Bei einer Gegenstimm­e hatte auch der Kauer Ortschafts­rat mehrheitli­ch für den Antrag von FW/FDP gestimmt.

In Langnau fiel das Votum für diesen Antrag bei zwei Gegenstimm­en und einer Enthaltung ebenfalls mehrheitli­ch aus. Zudem fasste der Rat den Empfehlung­sbeschluss, bei jedem Bauleitpla­nverfahren eine Baupflicht innerhalb eines bestimmten Zeitrahmen­s zu bestimmen.

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