Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Regionalplan wird zum Kriegsschauplatz
Bodenseekreis sieht sich in der Gewebeentwicklung zu stark beschnitten
BODENSEEKREIS - Wie bereits in anderen Landkreisen wurde die Fortschreibung des Regionalplans auch im Kreistag des Bodenseekreises mit viel Pathos diskutiert und von lautem Getöse begleitet. Bei der Aussprache zum Sachstandsbericht prallten am Montag in der LudwigRoos-Halle in Ettenkirch die Meinungen, wo und wie sich die Region in den kommenden Jahrzehnten entwickeln sollte, hart aufeinander. Die von Irmtraud Schuster, Dezernentin für Umwelt und Technik, vorgetragene Stellungnahme wurde am Ende bei elf Gegenstimmen und vier Enthaltungen bewilligt.
Verbandsdirektor Wilfried Franke kämpft seit Eröffnung des Verfahrens 2007 auf „mehreren Kriegsschauplätzen“, wie er sagte. Die Landwirtschaft läuft Sturm gegen Beschränkungen. Die Gemeinden fürchten um ihre Planungshoheit. Das Gewerbe sieht sich beschnitten. Klimaschützer gehen auf die Barrikaden. Der hitzigste Kriegsschauplatz befindet sich momentan im Altdorfer Wald bei Wolfegg, wo Aktivisten sich aus Protest gegen den geplanten Kiesabbau in Baumhäuser verschanzen. Allein 2400 standardisierte Eingaben betreffen laut Franke diesen Bereich. 250 weitere Stellungnahmen und mehrere Petitionen liegen vor. Sie wollen bis Juni, wenn die Beratungen in den Gremien beginnen, aufgearbeitet sein.
Auch der Bodenseekreis ist, wie die Dezernentin ausführte, mit den Festsetzungen des Entwurfs nicht einverstanden. Vor allem in Sachen Gewerbeflächen sehen sich die Kommunen arg beschnitten. Der Anteil für Industrie und Gewerbe sei gegenüber dem ersten Entwurf nochmals von 159,5 auf 118 Hektar reduziert worden. Dabei sei der Bodenseekreis „mit seinen herausragenden international agierenden Unternehmen und einer leistungsfähigen mittelständischen Unternehmenslandschaft eine der wirtschaftlich innovativsten Regionen Baden-Württembergs“. Darüber hinaus sei ein Großteil der Kreisfläche (ca. 76 Prozent) innerhalb von Grünzügen oder -zäsuren gelegen. Dem Standort stünden deshalb keine ausreichenden Entwicklungsmöglichkeiten zur Verfügung. Weitere Beschwerden betreffen Belange der Landwirtschaft, des Wasser- und Bodenschutzes sowie des Biotop- und Landschaftsschutzes.
Wie aufgeheizt das Thema ist, zeigte die Fraktionserklärung der CDU. Der Salmer Bürgermeister Manfred Härle zog vom Leder gegen die Grünen, wie man es seit 20 Jahren nicht mehr gehört hat. Sie würden die Kommunen am liebsten entmündigen, wetterte Härle, und sie hätten jeden Kontakt zur Realität verloren. Der Regionalplan dürfe kein Verhinderungsinstrument für Wirtschaft und Betriebe sein. Deshalb werde man weitere Einschränkungen nicht hinnehmen. Sein Kollege aus Owingen, Henrik Wengert (FW), bedauerte die Härte und Polemik, die dem Verbandsdirektor zurzeit entgegenschlage. In der Sache sind die Freien Wähler mit der CDU eins: Mit der Reduzierung der Gewerbeflächen werde eine vorausschauende Baulandpolitik der Gemeinden verhindert, so Wengert. Sein Fraktionskollege Dieter Mainberger, befürchtet gar eine Existenzgefährung der landwirtschaftlichen Betriebe.
Von „Flächenfraß“oder „Höllenplan“zu sprechen, sei schlechter Stil, ebenso wie die Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Verbandschef, sagte Norbert Zeller (SPD). Am Ende des Verfahrens werde man es mit einem Kompromiss zu tun haben, was in einer Demokratie normal sei. Jedenfalls wolle auch die SPD keine Käseglocke über den Bodenseekreis stülpen.
Von einem „vernichtenden Signal an die Unternehmen“und einer „Bankrotterklärung des Regionalverbandes an die Wirtschaft“sprach Christoph Högel (AfD). Teile der Grünen und der SPD beschimpfte er als „wohlstandsverwöhnt und dekadent“– „manche in unserer Partei würden von Wohlstandsverwarlosung sprechen“. Als nach Zwischenrufen von Hahn der anschließende Wortwechsel zu eskalieren drohte, rief der Landrat Högel und Härle zur
Ordnung, worauf der AfD-Chef den Vorsitzenden anschrie: „Ich lasse mir nicht vorschreiben, was und in welchem Ton ich hier zu sagen habe.“
Trotz der Vorwürfe schlug Ulrike Lenski (Grüne) ruhigere Töne an. „Bei uns wächst alles: der Wohlstand, die Wirtschaft, die Bevölkerung – nur nicht die Flächen“, sagte die Kreisrätin. Es könne deshalb nicht darum gehen, das Wachstumsmodell der letzten 20 Jahre fortzuschreiben. Gewerbeansiedlungen müssten immer im Kontext zu anderen Aspekten gesehen werden.
„Wir müssen zurückfahren mit dem Landverbrauch“, appellierte Franke am Schluß. Dabei sei es wichtig, das richtige Maß zu finden und nicht von einem ins andere Extrem zu fallen. „Nach sechs Jahren sollten wir den demokratischen Prozess im Ringen um die bestmögliche Lösung zu Ende bringen“, so der Verbandsdirektor, der sich über den respektvollen Umgang im Gremium bedankte. Das habe er andernorts schon anders erlebt.