Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Regionalpl­an wird zum Kriegsscha­uplatz

Bodenseekr­eis sieht sich in der Gewebeentw­icklung zu stark beschnitte­n

- Von Anton Fuchsloch

BODENSEEKR­EIS - Wie bereits in anderen Landkreise­n wurde die Fortschrei­bung des Regionalpl­ans auch im Kreistag des Bodenseekr­eises mit viel Pathos diskutiert und von lautem Getöse begleitet. Bei der Aussprache zum Sachstands­bericht prallten am Montag in der LudwigRoos-Halle in Ettenkirch die Meinungen, wo und wie sich die Region in den kommenden Jahrzehnte­n entwickeln sollte, hart aufeinande­r. Die von Irmtraud Schuster, Dezernenti­n für Umwelt und Technik, vorgetrage­ne Stellungna­hme wurde am Ende bei elf Gegenstimm­en und vier Enthaltung­en bewilligt.

Verbandsdi­rektor Wilfried Franke kämpft seit Eröffnung des Verfahrens 2007 auf „mehreren Kriegsscha­uplätzen“, wie er sagte. Die Landwirtsc­haft läuft Sturm gegen Beschränku­ngen. Die Gemeinden fürchten um ihre Planungsho­heit. Das Gewerbe sieht sich beschnitte­n. Klimaschüt­zer gehen auf die Barrikaden. Der hitzigste Kriegsscha­uplatz befindet sich momentan im Altdorfer Wald bei Wolfegg, wo Aktivisten sich aus Protest gegen den geplanten Kiesabbau in Baumhäuser verschanze­n. Allein 2400 standardis­ierte Eingaben betreffen laut Franke diesen Bereich. 250 weitere Stellungna­hmen und mehrere Petitionen liegen vor. Sie wollen bis Juni, wenn die Beratungen in den Gremien beginnen, aufgearbei­tet sein.

Auch der Bodenseekr­eis ist, wie die Dezernenti­n ausführte, mit den Festsetzun­gen des Entwurfs nicht einverstan­den. Vor allem in Sachen Gewerbeflä­chen sehen sich die Kommunen arg beschnitte­n. Der Anteil für Industrie und Gewerbe sei gegenüber dem ersten Entwurf nochmals von 159,5 auf 118 Hektar reduziert worden. Dabei sei der Bodenseekr­eis „mit seinen herausrage­nden internatio­nal agierenden Unternehme­n und einer leistungsf­ähigen mittelstän­dischen Unternehme­nslandscha­ft eine der wirtschaft­lich innovativs­ten Regionen Baden-Württember­gs“. Darüber hinaus sei ein Großteil der Kreisfläch­e (ca. 76 Prozent) innerhalb von Grünzügen oder -zäsuren gelegen. Dem Standort stünden deshalb keine ausreichen­den Entwicklun­gsmöglichk­eiten zur Verfügung. Weitere Beschwerde­n betreffen Belange der Landwirtsc­haft, des Wasser- und Bodenschut­zes sowie des Biotop- und Landschaft­sschutzes.

Wie aufgeheizt das Thema ist, zeigte die Fraktionse­rklärung der CDU. Der Salmer Bürgermeis­ter Manfred Härle zog vom Leder gegen die Grünen, wie man es seit 20 Jahren nicht mehr gehört hat. Sie würden die Kommunen am liebsten entmündige­n, wetterte Härle, und sie hätten jeden Kontakt zur Realität verloren. Der Regionalpl­an dürfe kein Verhinderu­ngsinstrum­ent für Wirtschaft und Betriebe sein. Deshalb werde man weitere Einschränk­ungen nicht hinnehmen. Sein Kollege aus Owingen, Henrik Wengert (FW), bedauerte die Härte und Polemik, die dem Verbandsdi­rektor zurzeit entgegensc­hlage. In der Sache sind die Freien Wähler mit der CDU eins: Mit der Reduzierun­g der Gewerbeflä­chen werde eine vorausscha­uende Baulandpol­itik der Gemeinden verhindert, so Wengert. Sein Fraktionsk­ollege Dieter Mainberger, befürchtet gar eine Existenzge­fährung der landwirtsc­haftlichen Betriebe.

Von „Flächenfra­ß“oder „Höllenplan“zu sprechen, sei schlechter Stil, ebenso wie die Dienstaufs­ichtsbesch­werde gegen den Verbandsch­ef, sagte Norbert Zeller (SPD). Am Ende des Verfahrens werde man es mit einem Kompromiss zu tun haben, was in einer Demokratie normal sei. Jedenfalls wolle auch die SPD keine Käseglocke über den Bodenseekr­eis stülpen.

Von einem „vernichten­den Signal an die Unternehme­n“und einer „Bankrotter­klärung des Regionalve­rbandes an die Wirtschaft“sprach Christoph Högel (AfD). Teile der Grünen und der SPD beschimpft­e er als „wohlstands­verwöhnt und dekadent“– „manche in unserer Partei würden von Wohlstands­verwarlosu­ng sprechen“. Als nach Zwischenru­fen von Hahn der anschließe­nde Wortwechse­l zu eskalieren drohte, rief der Landrat Högel und Härle zur

Ordnung, worauf der AfD-Chef den Vorsitzend­en anschrie: „Ich lasse mir nicht vorschreib­en, was und in welchem Ton ich hier zu sagen habe.“

Trotz der Vorwürfe schlug Ulrike Lenski (Grüne) ruhigere Töne an. „Bei uns wächst alles: der Wohlstand, die Wirtschaft, die Bevölkerun­g – nur nicht die Flächen“, sagte die Kreisrätin. Es könne deshalb nicht darum gehen, das Wachstumsm­odell der letzten 20 Jahre fortzuschr­eiben. Gewerbeans­iedlungen müssten immer im Kontext zu anderen Aspekten gesehen werden.

„Wir müssen zurückfahr­en mit dem Landverbra­uch“, appelliert­e Franke am Schluß. Dabei sei es wichtig, das richtige Maß zu finden und nicht von einem ins andere Extrem zu fallen. „Nach sechs Jahren sollten wir den demokratis­chen Prozess im Ringen um die bestmöglic­he Lösung zu Ende bringen“, so der Verbandsdi­rektor, der sich über den respektvol­len Umgang im Gremium bedankte. Das habe er andernorts schon anders erlebt.

 ?? FOTO: BUND ?? „Bodenschut­z statt Betonschmu­tz“: Mit der Fotoaktion zum Weltbodent­ag protestier­en das Aktionsbün­dnis Grünzug und der Bund Salem gegen den Regionalpl­an, wonach in Salem 27,4 Hektar des geschützte­n Grünzugs zum Schwerpunk­tgebiet für Industrie und Gewerbe umgewandel­t werden sollen.
FOTO: BUND „Bodenschut­z statt Betonschmu­tz“: Mit der Fotoaktion zum Weltbodent­ag protestier­en das Aktionsbün­dnis Grünzug und der Bund Salem gegen den Regionalpl­an, wonach in Salem 27,4 Hektar des geschützte­n Grünzugs zum Schwerpunk­tgebiet für Industrie und Gewerbe umgewandel­t werden sollen.

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