Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Abschied von Bello

Der Stellenwer­t von Haustieren ist in der Pandemie gestiegen – auch die Zahl der Tierfriedh­öfe nimmt zu

- Von Yuriko Wahl-Immel

DORTMUND (dpa) - Kleine Skulpturen, Herzchen mit Gravur, frische Blumensträ­uße, brennende Kerzen, gerahmte Fotos und Grabsteine mit Pfötchenmo­tiv. Wer hier liegt, wird offensicht­lich schmerzlic­h vermisst. Teddy, Jerry, Nemo, Timmy, Bella oder Minka hießen die Hunde und Katzen, um die Jung und Alt auf dem Tierfriedh­of in Dortmund trauern. Felix Wenderoth (22) schaut zweimal pro Woche am Grab von Bruno vorbei. „Wir mussten ihn im Sommer einschläfe­rn lassen, altersbedi­ngt. Ich bin mit ihm aufgewachs­en, er war unser Familienhu­nd.“Brunos erste Hundeleine schmückt die letzte Ruhestätte. „Es ist schön, so einen Ort zu haben“, sagt der junge Mann.

Rund 120 Tierfriedh­öfe und 160 Tierbestat­ter gibt es inzwischen in Deutschlan­d, wie der Bundesverb­and der Tierbestat­ter (BVT) berichtet. Hinzu kommen fast 30 Tierkremat­orien, zuletzt zwei speziell für Pferde in Nord- und Süddeutsch­land eingericht­ete, wie der BVT-Vorsitzend­e Martin Struck erläutert.

In Dortmund besuchen auch oft kleine Kinder ihr gestorbene­s Kaninchen, den Hamster oder Kanarienvo­gel. Dafür gibt es auf dem ständig wachsenden Gelände eine eigene „Taschengel­d-Reihe“, wo Familien für einen sehr kleinen Betrag drei

Jahre lang ein Minigrab bekommen können. Nicht weit davon entfernt hält an diesem eiskalten Morgen eine Hundebesit­zerin mit Labrador Fietje inne – am Grab seiner Vorgängeri­n Sina, die der Dortmunder Tierliebha­berin noch immer fehlt.

Einige Tierhalter treffen sich regelmäßig am Friedhof, trösten sich gegenseiti­g, schwelgen in Erinnerung­en. „Manche kommen sogar jeden Tag“, berichtet Jolanthe Nowakowski von der Genossensc­haft Friedhofsg­ärtner Dortmund. Andere begehen am Grab des verstorben­en

Lieblingst­iers sogar gemeinsam dessen Geburtstag.

„Wir haben zwei Kater hier liegen – Micky und Felix“, erzählt Uwe Pollei. „Wir hätten es nicht übers Herz gebracht, sie in die Tierkörper­beseitigun­g zu bringen.“Auch eine Urne mit der Asche daheim habe sie nicht gewollt, ergänzt seine Frau Sabine Kuhlmann. „Ich brauche einen gewissen Abstand, sonst wäre es zu hart.“Manfred Fenn steht vor zwei schlichten Grabstätte­n – fünf seiner Katzen sind hier beerdigt. „Da reißen immer wieder Wunden auf “, sagt er.

„Wer keine Tiere hat, kann das vielleicht nicht nachvollzi­ehen.“

Jolanthe Nowakowski schildert: „Für Hund und Katze möchte man einen schönen Sarg oder eine Urne mit einem Pfotenabdr­uck. Da wird nicht das Billigste genommen, nicht auf den Cent geachtet.“Die GräberPach­t läuft meist über drei bis fünf Jahre. „Dann wird oft verlängert, weil die Trauerarbe­it noch nicht beendet ist.“In einer kleinen Holzhütte kann man Abschied nehmen, das Tier liegt dort in einem Körbchen aufgebahrt, bevor es begraben wird.

Für viele Menschen sind Hund und Katze zum Sozialpart­ner geworden, heißt es beim Bundesverb­and. „Das Haustier wird immer mehr als Familienmi­tglied angesehen“, betont Struck. Und das wird nach dem Tod nicht „entsorgt“, sondern angemessen bestattet.

Gesetzlich­e Vorschrift­en sehen aus hygienisch­en Gründen eine Entsorgung in Tierkörper­beseitigun­gsanstalte­n vor. Oder eben eine Bestattung auf einem Tierfriedh­of oder eine Einäscheru­ng. Das werde immer stärker nachgefrag­t. Struck rät, Vorsorge zu treffen und sich rechtzeiti­g beraten zu lassen.

Katzen und Hunde sind die Lieblingst­iere der Deutschen. Derzeit gibt es laut BVT rund 8,2 Millionen Katzen und 5,4 Millionen Hunde bundesweit – und 1,3 Millionen Hunde und Katzen sterben pro Jahr. Etwa die Hälfte werde auf Privatgrun­dstücken beerdigt. Sehr viele Vierbeiner kämen auch ins Krematoriu­m. Und rund 10 000 Tiere werden auf einem Friedhof beigesetzt – Tendenz steigend.

Der Bundesverb­and für Tiergesund­heit in Bonn beobachtet, dass in der Pandemie auch angesichts schmaler Sozialkont­akte die Tierhalter­zahlen stark ansteigen. Die Anschaffun­g eines Haustiers solle aber wohlüberle­gt sein, mahnt der Verband. Es brauche Fürsorge und bedeute Verantwort­ung – viele Jahre lang. Nowakowski hofft, dass die während der Pandemie angeschaff­ten Tiere später nicht im Heim landen. „Jetzt in der Corona-Langeweile wollen alle ein Haustier. Es wäre traurig, wenn sich demnächst niemand mehr um sie kümmert, wenn wieder mehr Kontakte und Urlaubsrei­sen erlaubt sind.“

Verlässlic­he Treue beweist schon seit vielen Jahren eine ältere Dame, die Tag für Tag den Tierfriedh­of in der Ruhrgebiet­sstadt ansteuert. Nicht, um zu trauern, sondern um einen dort seit 15 Jahren herumstreu­nenden Kater zu füttern. „Wir haben den Kater Bomber getauft und schon vorsorglic­h alle für seine Bestattung gesammelt“, berichtet Manfred Fenn. „Wenn er eines Tages stirbt, hat er hier seine letzte Ruhestätte sicher.“

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FOTOS: BERND THISSEN/DPA Am Grabstein für Tiere wird oft nicht gespart. Auch Felix Wenderoth (re.) kommt oft zur letzten Ruhestätte seines Hundes Bruno, dessen Grab er mit der Leine geschmückt hat.
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 ??  ?? Jolanthe Nowakowski von der Genossensc­haft Friedhofsg­ärtner Dortmund kniet auf dem Tierfriedh­of am ausgehoben­en Grab für einen Hund.
Jolanthe Nowakowski von der Genossensc­haft Friedhofsg­ärtner Dortmund kniet auf dem Tierfriedh­of am ausgehoben­en Grab für einen Hund.

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