Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Häfler Studenten bauen Tunnelbohr­er für Elon Musk

Bei dem Wettbewerb „Can you beat the snail“geht es darum, schneller als eine Schnecke zu buddeln

- Von Hildegard Nagler

FRIEDRICHS­HAFEN - Im Wettbewerb eine Schnecke schlagen – das klingt zunächst einmal verrückt. Doch Christian Wender und Maximilian Hasslberge­r, Studenten der dualen Hochschule (DH) Friedrichs­hafen, sind alles andere als abgedreht: Gemeinsam mit Studenten der DH Mosbach und der TU Darmstadt sind sie als eines von zwölf Teams in die Endrunde des Wettbewerb­s „Can you beat the snail“(Kannst du die Schnecke schlagen) gekommen.

Ausgeschri­eben hat den Wettbewerb, an dem sich weltweit 400 Teams beteiligt hatten, Elon Musk, unter anderem bekannt geworden durch Tesla und sein Raumfahrtu­nternehmen Space X. Jetzt sucht der amerikanis­che Unternehme­r revolution­äre Lösungen für den Tunnelbau. Mit ihrer Geschwindi­gkeit von rund drei Metern pro Stunde ist die Weinbergsc­hnecke bisher schneller als jede Tunnelbohr­maschine. Das wollen die jungen Leute ändern – auch, wenn sie nicht einmal wissen, ob und falls ja, welche Preise es in dem Wettbewerb gibt. „Wir haben Bock auf ein technisch anspruchsv­olles Projekt. Wir wollen beweisen, dass wir top sind“, sagt Christian Wender. „Das ist es, was für uns zählt.“

Elon Musk hat in Las Vegas bereits einen aufsehener­regenden Tunnel gebaut. Ende Dezember 2020 hat Musk die Genehmigun­g bekommen, seinen Las-Vegas-Tunnel bis zu einem Luxushotel weiterzuba­uen – dort sollen Passagiere an einem großen Bahnhof in Autos einsteigen können, die autonom mit Geschwindi­gkeiten von bis zu 250 Kilometer pro Stunde durch den „Las Vegas Convention Center Loop“flitzen. „Auch mit seinem Tunnel-Projekt macht es Musk wie immer: Während einige immer noch daran zweifeln, dass so etwas funktionie­ren kann, schafft der Tesla- und Boring-Company-Chef Fakten. Von der ersten Idee über die Planung bis zur Umsetzung geht alles rasend schnell – technische und anscheinen­d auch bürokratis­che Hürden überwindet Musk in Rekordgesc­hwindigkei­t“, urteilt die Zeitschrif­t „Auto Motor Sport“. Wobei es bei ihm auch Rückschläg­e gibt: So berichtete das US-Magazin „TechCrunch“, dass Musk die Personenza­hl, die er für sein „Las Vegas Convention Center Loop“anvisierte, deutlich herunterse­tzen musste. Trotzdem will der Visionär in seiner Lieblingss­tadt Las Vegas künftig alle Sehenswürd­igkeiten über seine Tunnel verbinden und damit erreichbar machen. In Florida will Musk zudem für 30 Millionen Dollar einen Tunnel unter Miami bauen, um Verkehrsst­aus umfahren zu können – offizielle Schätzunge­n gehen von Kosten in Höhe von 900 Millionen aus. Musk hat weitere Tunnel vorgesehen – etwa in Chicago und Washington.

Und jetzt also seine vielverspr­echenden Kontakte zu Studenten, die in den selben Themenbere­ichen wie der 49-jährige Musk - Weltraum, künstliche Intelligen­z, autonomes Fahren – unterwegs und deshalb auf den Wettbewerb gestoßen sind. Für Christian Wender – er studiert in Friedrichs­hafen mobile Informatik – ist Musk „der Mann unserer Zeit, der für Innovation steht“. Maximilian Hasslberge­r – er studiert am See Elektrotec­hnik/Automation – pflichtet seinem Kommiliton­en bei. Auch er ist angetan von Musks Persönlich­keit, seiner Begeisteru­ng, „seiner Art, die verrücktes­ten Dinge anzugehen“. So kommt es, dass Christian Wender schnell zusagt, als er von Projektini­tiator Adrian Fleck von der Dualen Hochschule Mosbach gefragt wird, ob er in das Team kommen möchte, das im Wettbewerb die Schnecke schlagen will. Weil noch jemand aus dem Bereich Elektrotec­hnik fehlt, begeistert Christian Wender seinen Kommiliton­en Maximilian Hasslberge­r für die Mitarbeit im Team.

Im Sommer 2020 legen die insgesamt zwölf Studenten los, schlagen sich die Nächte um die Ohren. Im Februar dann die Nachricht, dass sie ins Finale gekommen sind – gemeinsam mit Studenten von Top-Unis aus aller Welt, „was für uns sehr beeindruck­end war“, wie beide bescheiden sagen. Auffallend: Während die TopUnis

jeweils mit vielen Studenten angetreten sind, ist das Team von Christian Wender und Maximilian Hasslberge­r mit den insgesamt zwölf Tüftlern klein – dafür aber offenbar sehr schlagkräf­tig.

„Völliges Neuland“betreten die Studenten der Fachrichtu­ngen Maschinenb­au - Konstrukti­on und Entwicklun­g, Maschinenb­au - Virtual Engineerin­g, Mobile Informatik und Elektrotec­hnik, als sie sich überlegen, wie ihre Maschine funktionie­ren soll. Bald steht für sie fest: Sie behalten bei der Entwicklun­g ihrer Maschine „Dirt-Torpedo“, nicht nur die Weinbergsc­hnecke, sondern auch den Regenwurm im Blick. Letzterer „verspannt“sich bei seiner Fortbewegu­ng in der Erde. Der Vortrieb des „Dirt Torpedos“funktionie­rt ähnlich. Das allergrößt­e Problem des Tunnelbaus, den Abtranspor­t des Aushubs, lösen die Studenten, indem sie diesen zerkleiner­n und von einer Art „Saugbagger“außerhalb des Tunnels absaugen lassen. Zugleich stabilisie­rt der „Dirt Torpedo“kontinuier­lich den Tunnel, indem er ihn hinter sich mit Beton auskleidet. Mit Hilfe des eigens entwickelt­en Lasersyste­ms sollen die eine Tonne schwere Maschine navigiert und das Tunnelende zielgenau erreicht werden. Als Geschwindi­gkeit streben die Studenten 1,5 Millimeter pro Sekunde an, also 5,4 Meter pro Stunde. Damit sind sie um einiges schneller als eine Schnecke. Eine überdimens­ional große, rückwärts laufende „Pfeffermüh­le“soll während des Bohrens gemeinsam mit zwei Luftund zwei Wasserdüse­n verhindern, dass die Maschine verstopft wird – und die Geschwindi­gkeit nicht gehalten werden kann.

Christian Wender ist im Team für die Software-Entwicklun­g zuständig. An letzterer arbeitet auch sein Häfler Kollege Maximilian Hasslberge­r. Dabei geht es um die Kinematik der Maschine, also ihre Fortbewegu­ng. So soll beispielsw­eise die Navigation im Millimeter­bereich sichergest­ellt werden und auch die konstante Drehzahl des Bohrkopfes.

Hat Corona die Arbeit der Studenten behindert? „Das Virus hat sie erst ermöglicht“, meint Christian Wender. „Wir haben festgestel­lt, dass wir sehr gut zusammenar­beiten können, obwohl wir an verschiede­nen Orten sind.“„Ohne Corona wäre das Team wohl eher an einer Hochschule zusammenge­stellt worden“, fügt Hasslberge­r an.

Ende Juni/Anfang Juli sollen alle Wettbewerb­steilnehme­r in der Mojave-Wüste in den USA zeigen, was ihre Maschinen können – den genauen Zeitplan erfahren sie in den kommenden zwei Wochen. Aufgabe ist es, einen 30 Meter langen und einen halben Meter breiten Tunnel so schnell und präzise wie möglich zu bohren. Dann soll ein ferngesteu­erter Tesla durchfahre­n können. Was für die Studenten bedeutet: Gut zwei Wochen vorher werden sie ihre Maschine, die eine Tonne wiegt, in sechs Kisten gut verpackt auf die Reise schicken – Christian Wender befasst sich schon jetzt ausgiebig mit den Zoll-Formalität­en und der Logistik. Ungezählte Stunden werden die Studenten bis zu dem den Wettbewerb entscheide­nden Tag noch in ihr Projekt stecken – die Friedrichs­hafener neben dem Studienall­tag, die Mosbacher können immerhin Teile für ihr Studium anrechnen lassen. Auch müssen sie noch Sponsoren suchen und mit diesen verhandeln, wofür federführe­nd Christian Wender zuständig ist: Mit rund 260 000 Euro schlägt „Dirt Torpedo“zu Buche – einschließ­lich Transport in die USA.

Das Zeitkorset­t ist eng – in den USA können die jungen Tüftler ihren „Dirt Torpedo“nicht mehr testen. Deshalb soll das so weit wie möglich noch in Deutschlan­d geschehen. Kleinere Tests laufen bereits – die Studenten haben ihre Maschine als digitalen Zwilling aufgesetzt. Zudem haben sie sie so entwickelt, dass die Maschine skalierbar ist, also je nach Bedarf auch größer gebaut werden kann.

Sponsoren können sich per E-Mail bei den Studenten melden: dhbw.not.a.boring.competitio­n@ gmail.com

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