Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Schluss mit dem Kabelsalat
Mit einer einfachen und zugleich genialen Erfindung hat der Stuttgarter Unternehmer Oskar Lapp die Verbindungstechnik revolutioniert
Produktionsstätten vertreten, beschäftigt 4600 Mitarbeiter, knapp 1500 davon in Deutschland, und beliefert die weit mehr als eine Million Kunden aus einem Sortiment von mehr als 100 000 Artikeln – angefangen von Anschlussund Steuerleitungen aller Art über Industriesteckverbinder und Kabelverschraubungen bis hin zu Kennzeichnungssystemen. One-stop-shop heißt das auf neudeutsch, alles aus einer Hand nennt es Firmenchef Andreas Lapp. Das Unternehmen reklamiert für sich die Weltmarktführerschaft im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie. Hauptabnehmer sind Maschinen- und Anlagenbauer, von denen viele zuletzt schwer von der Corona-Pandemie getroffen wurden.
Das hat sich auch in den Zahlen von Lapp niedergeschlagen. Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2019/20, das bei Lapp jeweils am 30. September endet, musste das Unternehmen einen Umsatzeinbruch um knapp acht Prozent auf 1,1 Milliarden Euro verkraften. Der Vorsteuergewinn sackte gar um 39 Prozent auf 29,7 Millionen Euro ein. Und auch im laufenden Geschäftsjahr 2020/21 stellt sich der Kabelhersteller auf weiter schwere Zeiten ein. „Erst wenn der Lockdown beendet und die Bevölkerung ausreichend durchgeimpft ist, werden wir einen nachhaltigen Aufschwung spüren“, prognostiziert Firmenchef Andreas Lapp. Mit dem ersten Halbjahr in den Büchern ist der Unternehmer aber immerhin schon „zuversichtlicher als noch im Sommer des vergangenen Jahres“.
Das langfristige Wachstumspotenzial jedenfalls ist da. Die Digitalisierung und die globale Vernetzung von Maschinen und Anlagen schreiten immer weiter voran. Für all das braucht man Kabel – Kabel
von Lapp. Ohnehin denken Andreas Lapp und sein Bruder Siegbert, der dem Aufsichtsrat des Unternehmens vorsteht, eher in Generationen denn in Geschäftsjahren. Beide waren von Kindesbeinen an mitten im Unternehmen und wissen, was es heißt, wenn die Eltern Unternehmer sind. In vielen Familienunternehmen führt das dazu, dass die Sprösslinge mit dem elterlichen Betrieb fremdeln, lieber eigene Wege gehen. Bei den Lapps war das nicht so. „Unser Vater hat uns das Unternehmersein von kleinauf schmackhaft gemacht“, erinnert sich Andreas Lapp an seine Kindheit im Elternhaus in Stuttgart-Vaihingen, das zugleich Unternehmen war. Und das rechnet er ihm heute noch hoch an. Geschäftspartner saßen da ganz selbstverständlich mit am Tisch, und auf Reisen waren die Söhne – wenn es denn ging – genauso selbstverständlich mit dabei. Diesen Geist haben die Brüder offensichtlich auch ihren Kindern mitgegeben. Die schicken sich nämlich an, die Erfolgsgeschichte von Lapp in dritter Generation fortzuschreiben. Matthias und Alexander, die Söhne von Siegbert Lapp, haben im Unternehmen bereits Verantwortung übernommen. Die drei Kinder von Andreas Lapp sind noch in der Ausbildung. Die angestrebten Abschlüsse jedenfalls – Elektrotechnik, Jura und Wirtschaftswissenschaften – passen zu einem Unternehmen wie Lapp. Man denkt halt strategisch.
Das freut vor allem die Grande Dame des Unternehmens, Firmengründerin Ursula Ida Lapp. „Ich bin sehr dankbar dafür, dass ich erleben durfte, wie jetzt auch die dritte Generation in unserem Familienunternehmen Verantwortung übernommen hat – und das sehr erfolgreich“, sagte sie im Mai des vergangenen Jahres anlässlich ihres 90. Geburtstags. Ihr Lebenswerk, und das ist der leidenschaftlichen Unternehmerin sehr wichtig, bleibt in Familienbesitz.