Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Corona-Schwerpunkt Arbeitsplatz – Das sagen Firmen
Unternehmen und Verbände im Kreis Ravensburg reagieren verwundert – Kaum jemand scheint Fälle zu kennen
RAVENSBURG - Ein erheblicher Teil der Corona-Verbreitung im Kreis Ravensburg findet an Arbeitsplätzen statt – doch kaum ein Unternehmen oder Verband aus der Arbeitswelt scheint solche Fälle zu kennen. Laut Landratsamt spielt sich jede dritte Häufung von Ansteckungen, sogenannte Corona-Cluster, an Arbeitsplätzen ab (die SZ berichtete). Vertreter von Unternehmen und anderen Organisationen aus der Arbeitswelt reagieren verwundert – wenngleich auch keines der Unternehmen konkrete Fallzahlen nennt.
„Ja, es gab Corona-Fälle, jedoch zum Glück nur sehr wenige“, heißt es vom
„Im Moment haben wir einen einzigen Fall“, sagte Pressesprecherin Heike Herd-Reppner kurz vor Ostern. Zu Ansteckungen bei der Arbeit sei es ihrer Kenntnis zufolge bisher nicht gekommen. Wer bei Ravensburger vermute, sich mit Corona infiziert zu haben, solle nicht nur wie vom Robert-Koch-Institut empfohlen seinen Hausarzt kontaktieren, sondern auch den Arbeitgeber informieren. So könne schnell geklärt werden, mit wem die betroffene Person in den Tagen zuvor Kontakt hatte, und gegebenenfalls Vorsichtsmaßnahmen getroffen werden.
Homeoffice ist für rund 600 Ravensburger-Mitarbeiter in Produktion und Logistik nicht möglich. Zusätzlich zu Maske, Abstand, Hygiene und Desinfektion setze Ravensburger in diesen Bereichen auch auf zeitlich und räumlich entzerrte Pausen und Arbeitsbeginn und -ende. Seit Dienstag, 6. April, bietet Ravensburger freiwillige Selbsttests an. „Wir setzen auf die Eigenverantwortung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und bitten alle, mitzumachen und damit zu helfen, die Pandemie einzudämmen“, sagte Pressesprecherin Herd-Reppner. Die Häufigkeit der Tests variiere: Wer täglich vor Ort ist, werde gebeten, am ersten Arbeitstag einer neuen Woche einen Selbsttest durchzuführen. Wer im
Spielehersteller Ravensburger.
Homeoffice arbeitet und an einzelnen Tagen ins Büro kommt, solle sich jeweils an diesem Tag selbst testen. Beim Ravensburger
gab es nach eigenen Angaben seit Beginn der Pandemie vereinzelte Covid-19-Erkrankungen. „Als pharmazeutisches Unternehmen ist unsere Belegschaft generell sensibilisiert, bei ersten Krankheitsanzeichen nicht zur Arbeit zu kommen“, so Pressesprecher Markus Kirchner. Vetter habe schon vor einem Jahr ein Corona-Testzentrum in Ravensburg eingerichtet, wo Mitarbeiter mit Anzeichen einer Covid-19-Erkrankung und ihr berufliches Umfeld getestet werden, um mögliche Infektionsketten rasch zu unterbrechen. „Damit verfügen wir über ein sehr effizientes Werkzeug in der Pandemiebekämpfung“, so Kirchner. Mitarbeiter könnten sich
Vetter Pharmadienstleister
auch an eine unternehmensinterne Covid-19-Hotline wenden.
Beim aus Heidenheim, der auch eine Fabrik in Ravensburg betreibt, habe es nur eine geringe Fallzahl an deutschen Standorten gegeben, sagte Pressesprecherin Katrin Sulzmann. In den meisten Fällen hätten sich die Betroffenen zu Hause, außerhalb des Unternehmens angesteckt. Selbst wer nicht im Homeoffice arbeiten könne, komme seinen Kollegen nicht zwingend nahe. Das liege daran, dass an sehr großen Maschinen gearbeitet werde, nicht dicht an dicht wie an einem Fließband, erklärte Sulzmann. Auch Voith biete freiwillige Selbsttests für Mitarbeiter einmal pro Woche an. Auf dem Betriebsgelände gelte Maskenpflicht, Kantinen seien geschlossen und Besuche seien nur in Einzelfällen möglich.
Maschinenbauer Voith Gewerkschaften
Auch den sind so gut wie keine Ansteckungs-Hotspots bekannt. Frank Kappenberger, Regionssekretär für Südwürttemberg beim Deutschen Gewerkschaftsbund, hat auf SZ-Anfrage mit einigen Kollegen – etwa von der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, der IG Metall und der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) – Kontakt aufgenommen und daraufhin mitgeteilt: „Überall höre ich den gleichen Tenor: Wo es Mitbestimmung gibt, wird der Infektionsschutz eingehalten und es gibt kaum Corona-Fälle.“
Einzelne Ausnahmen seien auch öffentlich bekannt geworden, wie etwa die Ausbreitung des Virus unter Beschäftigten und Patienten am Krankenhaus Tettnang im Dezember 2020. Dass sich jedes dritte CoronaCluster am Arbeitsplatz befinden soll, könnten die Gewerkschaften aus den Betrieben, in denen sie präsent sind, nicht bestätigen, so Kappenberger. Der DGB fordere ohnehin die Pflicht für Unternehmen, den Mitarbeitern regelmäßige Tests anzubieten.
In welchen Unternehmensbereichen die Ansteckungen stattfinden, sei nur schwer zu analysieren, heißt es vom Landratsamt auf SZ-Anfrage. Ob es zum Beispiel einen Zusammenhang der Ansteckungen mit einem – möglicherweise fehlenden – Homeoffice-Angebot gibt, werde nicht erfasst.
Wie sieht es dort aus, wo nicht im Büro oder einer großen Fabrik, sondern auf Baustellen, in Werkstätten oder Friseursalons gearbeitet wird? Der Geschäftsführer der
Franz Moosherr ist ebenso erstaunt über die Aussage des Landratsamtes, dass jedes dritte Corona-Cluster in Unternehmen zu finden sei, wie Vertreter der großen Firmen. „Im Austausch mit den Betrieben habe ich keinerlei Informationen über Ansteckungen bei der Arbeit erhalten“, so Franz Moosherr. Es gebe keine Meldepflicht an die Kreishandwerkerschaft, aber Moosherr ist überzeugt, dass er es erfahren hätte, wenn es in einem Handwerksbetrieb Ansteckungen zuhauf gegeben hätte. An größere Mengen Schnelltests zur Vorbeugung kämen die Betriebe derzeit allerdings nur schwer ran.
Die Handwerksbetriebe sind seiner Einschätzung nach aus zwei Gründen vorsichtig: Weil der Fürsorgegedanke für die Kollegen, die man alle persönlich kenne, besonders schwer wiege, und weil jeder Betrieb auch ein Eigeninteresse habe, Ansteckungen zu vermeiden und seine Schlagkraft zu erhalten. Was ihn ärgert: „Wir betreiben in den Unternehmen einen wahnsinnigen Aufwand, uns im privaten Bereich kommt es dann zu Verstößen. Da hätte ich mir mehr Sanktionen gewünscht. Sonst kommen wir aus der Nummer nicht raus“, sagt er über die anhaltende Pandemie.
Kreishandwerkerschaft