Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Jetzt muss es schnell gehen
Eine echte Überraschung war es nicht mehr: Markus Söder möchte Kanzlerkandidat der Union werden. Dass der CSU-Chef Nordrhein-Westfalens Ministerpräsident Armin Laschet das Feld nicht kampflos überlassen würde, deutete sich seit Monaten an. Warum sich Bayerns Ministerpräsident jetzt erst aus der Deckung wagt? Zwei Möglichkeiten liegen nahe. Entweder wollte sich der erfahrene Strippenzieher Söder nicht erklären, ohne sich zuvor der Unterstützung großer Teile der Unionsfraktion sicher zu sein. Oder aber: Der gewiefte Machtpolitiker Söder, in allen Umfragen klar vorne, bekundet nun seine Bereitschaft, um hinterher im Falle einer Wahlniederlage Laschets sagen zu können: „Ich war ja verfügbar.“Offen ist, ob eine Kandidatur Söders gut für seine Partei wäre. Die geliebte Rolle als kleine, renitente Schwesterpartei aus dem Süden wäre jedenfalls mit einem CSU-Kanzler passé.
Söder selbst traut sich das Amt zu. Er neigt ja nicht dazu, Projekte in Angriff zu nehmen, die ihm nicht aussichtsreich erscheinen. Wer es als evangelischer Franke schafft, in der über Jahrzehnte oberbayerisch-katholisch geprägten CSU zum Vorsitzenden zu werden, dem könnte es auch glücken, die oftmals beim Freistaat skeptische CDU zu überzeugen. Bundesweit dürfte ihm helfen, was bei der CSU hinderlich war: Weder in Sachen Dialekt noch im Auftreten umweht ihn jenes urbayerische Moment, dass viele jenseits des Weißwurst-Äquators bei den beiden bisherigen CSU-Kanzlerkandidaten Franz Josef Strauß und Edmund Stoiber abgeschreckt hat.
Am wichtigsten jedoch ist: Jetzt muss es schnell gehen mit der Benennung des Kanzlerkandidaten. Denn derzeit haben CDU und CSU als Regierungsparteien wichtigere Aufgaben als einen öffentlichen Zweikampf zweier Alphatiere zu inszenieren. Zuletzt nahm das Geplänkel der zwei Ministerpräsidenten in Sachen Corona-Politik peinliche Züge an. Wenn CDU und CSU auch noch im Herbst Hausherr im Kanzleramt sein wollen, müssen sie ihrem Namen gerecht werden – und sich als Union, als Einheit präsentieren.