Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Parkgebühren in Wangen kommen – zunächst noch nicht
Eigentlich sind sich im Gemeinderat fast alle einig – Darum gibt es dennoch bislang keinen Beschluss
WANGEN - Eigentlich sind sich Verwaltung und Gemeinderat einig: Künftig sollen für nahezu alle öffentlichen Parkplätze in der Kernstadt Gebühren erhoben werden. Wie das genau aussehen soll, darüber hat der Gemeinderat ausgiebig beraten – mit dem Ergebnis, dass es noch keinen Beschluss dazu gab. Vorab will die Stadt in der Debatte aufgekommene Anträge, Forderungen und Fragen der Fraktionen aufarbeiten. Worum es genau geht, worüber Konsens herrscht und wo es Meinungsunterschiede gibt.
Wo werden derzeit Parkgebühren erhoben?
Verglichen mit anderen Städten ist Wangen derzeit eine Art Paradies des kostenfreien Parkens. In der Kernstadt muss man für die meisten Stellplätze nicht einen Cent berappen.
Abgesehen von den Straßenrändern der Altstadt gibt es Gebühren grob gesagt lediglich am P1 (Milchpilz), P11 (Martinstorplatz), P13 (Peterstorplatz) und P 15 (Argencenter). Und selbst dort sind die Gebühren mit 80 Cent beziehungsweise einem Euro pro Stunde moderat.
Was soll sich künftig ändern?
Die Stadt will sich aus dem Parkparadies verabschieden. Das heißt, sie will nahezu flächendeckend Gebühren erheben – auch auf dem beliebten Großparkplatz P14. Zugleich soll die Gebühr pro Stunde um 20 Cent auf einen Euro beziehungsweise 1,20 Euro steigen.
Außerdem schlägt die Verwaltung vor, auf den Stellflächen am Milchpilz (P1), am Aumühleparkplatz (P2), in der Immelmannstraße (P10), am Scherrichmühlweg (P14 und bei Sport Jakob) sowie am Argencenter (P15) Tagestickets anzubieten. So will sie bei der Parkdauer mehr Flexibilität erreichen.
Ferner ist die Einführung einer Jahresvignette gedacht. Sie könnte am Aumühleparkplatz (P2), am Scherrichmühlweg (P14 und Sport Jakob) sowie am Argencenter (P15) eingesetzt werden. Dabei denkt die Stadt an Pendler, die dafür 100 Euro pro Jahr zahlen sollen und an Schüler, für die ein ermäßigter Tarif von 80 Euro gelten könnte.
Warum soll der Parkraum bewirtschaftet werden?
Hintergrund ist die angespannte Haushaltslage. Seit Jahren mahnt die Aufsichtsbehörde, das Regierungspräsdium (RP) Tübingen, die Stadt, mehr Geld in die Kasse zu bekommen – und dabei Mittel wie etwa die Parkraumbewirtschaftung auszuschöpfen. Die Verwaltung rechnet durch die flächendeckende Einführung der Parkgebühren mit Mehreinnahmen von rund 300 000 Euro pro Jahr. In der Gemeinderatssitzung am Montagabend hielt OB Michael Lang den eingeschlagenen Weg für gerecht, da es für eine Leistung – die Bereitstellung von Parkflächen – auch eine Gegenleistung geben müsse.
Wie ist das Meinungsbild im Gemeinderat?
Grundsätzlich stoßen die Vorstellungen der Verwaltung auf ein positives Echo. Vertreter aller Fraktionen und Gruppen bekundeten ihre grundsätzliche Zustimmung. Dabei wurde deutlich, dass man bereits vor
Jahresfrist im Zuge der nicht-öffentlichen Beratungen der Haushaltsstrukturkommission auf den gemeinsamen Nenner gekommen war. Allerdings gab es von vielen Seiten Anträge, Änderungswünsche beziehungsweise Nachfragen. Insbesondere die verbilligte Jahresvignette für Schüler stieß durchweg auf Ablehnung.
Was sagen die einzelnen Fraktionen?
Die deutlichsten Einwände kamen von der Fraktionschef Mathias Bernhard sprach von einer „Neuausrichtung“, „intensiven Debatten in der Fraktion“und konstatierte: „Einfacher wird es für die Bürger nicht – und das bisherige System war nicht so schlecht.“
Konkret beantragte er einen Gebührenverzicht am Aumühleparkplatz (P2) und am Allgäustadion (P7), da die Einkaufsstadt Wangen wie auch Pendler kostenlose, zentrumsnahe Parkplätze benötigten.
CDU.
Stattdessen könnten etwa die Parkgebühren in der Altstadt deutlicher als geplant steigen. Zudem befürchtet Bernhard zunehmenden Parksuchverkehr in den Randgebieten der Kernstadt.
Doris Zodel hielt für die fest: „Wir sind froh, dass es jetzt weitergeht.“Das neue Konzept solle rasch umgesetzt werden. Das zusätzlich eingenommene Geld will die Liste in Verbesserungen des Öffentlichen Nahverkehrs stecken, etwa beim Stadtbus oder bei Rufbuslösungen für Ortschaften, wie zum Beispiel in Haslach.
Auch die GOL plädiert für höhere Gebühren „innerhalb der Stadtmauern“. Direkt vor Gaststätten und Geschäften könnten auch 1,50 Euro verlangt werden. Ferner formulierte Doris Zodel eine Reihe von Einzelvorschlägen: So schlug sie für den Bahnhofsbereich ein Zwei- oder Dreitagesticket für Zugreisende vor, brachte den Umbau des Parkplatzes an der Martinstorschule in einen reinen
GOL
Abstellplatz für Fahrräder ins Gespräch und kann sich Ähnliches auch am Lindauer Tor oder am Georgentorplatz vorstellen.
Ursula Loss, Fraktionsvorsitzende der betonte die „dringende Notwendigkeit“der flächendeckenden Parkgebühren und blickte dabei auf die Mahnungen des RP. Erhöhungen auf einen Euro beziehungsweise 1,20 Euro bezeichnete sie als „sehr moderat“. In Leutkirch koste das Parken pro Stunde schon jetzt 1,30 Euro, in Ravensburg 1,80 Euro und in Lindau zwei Euro.
Wegen des Einzelhandels regte Loss allerdings „etwas großzügigere“Regelungen am P14 an. Nach Isnyer Vorbild könnte dort die erste halbe Stunde kostenfrei sein.
„Wir sollten jetzt einfach mal starten und das so einfach wie möglich.“Mit diesen Worten signalisierte Fraktionsvorsitzender Alwin Burth das „Ja“der forderte eine rasche Umsetzung des Konzepts – und wollte deshalb auch nicht weiter ins Detail gehen. Begründend nannte er die Wangener „Ausnahmestellung“beim kostenfreien Parken und Ungerechtigkeiten für Nutzer von Bus und Bahn.
Gruppensprecher Klaus Schliz nahm für die in Anspruch, „das Projekt ein Stück weit mit angetrieben“zu haben. Er erhofft sich durch die Parkgebühren mehr Attraktivität für den Fahrrad- und den Öffentlichen Nahverkehr.
Freien Wähler SPD, FDP Warum stößt die Schülervignette auf Ablehnung?
Das Veto gegen diesen Vorschlag der Stadt kam aus allen Fraktionen – Ursula Loss äußerte sich dazu am deutlichsten: Die Schülervignette sei kontraproduktiv im Sinne des Umweltbewusstseins und benachteilige radelnde oder Bus und Bahn nutzende Schüler. Außerdem argumentierte sie mit in diesem Zuge nötigen, zusätzlichen Kontrollen und erklärte plastisch: „Wir wollen unterbinden, dass Schüler aus der Praßbergsiedlung mit dem Auto zur Schule fahren.“
Ulrich Bauer benannte ebenfalls Ungerechtigkeiten und rechnete vor: Während für die Vignette 80 Euro pro Jahr veranschlagt werden, koste die günstigste Schülermonatskarte für den ÖPNV 38 Euro: „Das ist eine Einladung an die Schüler, mit dem Auto herzukommen.“
Einzig Johannes Sontheim (CDU) argumentierte anders: Er hob besondere Belange von Lehrern und Schülern hervor. Da insbesondere am Beruflichen Schulzentrum (BSW) zahlreiche auswärtige Schüler lernten, verteidigte der BSW-Lehrer die ermäßigte Vignette und verwies zudem auf anreisende Lehrer mit geringem Stundenkontingent. Sie müssten ebenso für ein ganzes Jahr zahlen wie Kollegen aus Niederwangen, die die Vignette – mitsamt Familie – das ganze Jahr über nutzen könnten. Zudem bemängelte Sontheim ohnehin verstopften Parkraum rund ums BSW und das Gymnasium.
Damit erntete Sontheim scharfe Kritik seines Fraktionskollegen Charly Laible und von Ulrich Bauer. Laible erklärte: „Wir können nicht auf sämtliche Befindlichkeiten Rücksicht nehmen.“Ironisch schlug er deshalb vor, „wir sammeln heute für die armen Lehrer. Und Bauer befand: „Für Lehrer freie Parkplätze umsonst zu verlangen, ist schon lustig.“Letztlich lenkte Sontheim ein: Lehrer könnten die 100 Euro „locker zahlen“.
Warum verteidigt die Stadt die Schülervignette?
Grundsätzlich erklärte OB Michael Lang zur möglicherweise auf diversen Parkplätzen (exklusiv) nutzbaren Vignette: „Das Ganze steht und fällt mit der Akzeptanz der Bevölkerung.“Und die wolle man mit dieser Lösung herstellen. Außerdem sei es städtisches Ziel, dass sich möglichst viele Menschen die Vignette kaufen. Die ermäßigte Variante für Schüler verteidigte er mit den Worten: „Wir wollen die nicht so sehr treffen, die nicht so viel Geld verdienen.
Weshalb gibt es noch keinen Beschluss?
Eigentlich war die Sachlage klar: Die Stadträte befürworten flächendeckende Gebühren grundsätzlich ebenso durch die Bank wie sie mehrheitlich die Schülervignette ablehnen. GOL, SPD und FDP pochten zudem auf Tempo.
Dennoch kam es nicht zur Abstimmung, weil das Stadtparlament am Ende einem Vorschlag des OB folgten. Der wollte die zahlreichen Forderungen und Fragen am Montagabend „nicht aus der Hüfte beantworten“. Stattdessen werde die Verwaltung die Anregungen aufarbeiten und „zeitnah“, „in wenigen Wochen“mit einem neuen Vorschlag erneut in den Gemeinderat kommen.