Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Große Kreisstadt: Was wäre, wenn?
Einwohnerzahlen stimmen nicht überein – Titel würde Veränderungen mit sich bringen
TETTNANG - Tettnang wächst – und dies nicht nur, was Baugebiete und Arbeitsplätze betrifft, sondern auch die Einwohnerzahl steigt. Früher oder später wird sich daher die Frage stellen, ob Tettnang möglicherweise große Kreisstadt werden soll. Der Titel würde durchaus Vorteile mit sich bringen – wäre aber auch mit Kosten sowie zusätzlichen Aufgabengebieten verbunden.
In Baden-Württemberg dürfen Städte dann große Kreisstadt werden, wenn sie die Marke von 20 000 Einwohnern überschritten haben und die Einwohnerzahl drei Jahre lang über diesem Wert bleibt. Nach einem entsprechenden Gemeinderatsbeschluss kann die Stadt dann einen Antrag bei der Landesregierung stellen. Gibt das Innenministerium sein Einverständnis, kann die Stadt zur großen Kreisstadt ernannt werden. Insgesamt 94 Städte haben diesen Titel in Baden-Württemberg aktuell inne.
Die Frage, wann es in Tettnang soweit sein könnte, ist allerdings gar nicht so einfach zu beantworten. Denn als Kriterium für die Ernennung zur großen Kreisstadt werden die Zahlen des statistischen Landesamts Baden-Württemberg zugrunde gelegt. Und nach diesen hat Tettnang die 20 000 Einwohner-Marke noch nicht ganz geknackt. Die aktuellsten Zahlen, die der Stadt vorliegen, stammen laut Pressesprecherin Judith Maier vom September 2020: Zu diesem Zeitpunkt lag die Einwohnerzahl Tettnangs bei 19 501. „Neuere Zahlen haben wir im Moment nicht, da wir diese nur zwei bis dreimal im Jahr bekommen“, teilt Maier mit.
Allerdings erhebt die Stadt die Einwohnerzahl auch selbst über das Einwohnermeldeamt. Und nach diesen Erhebungen ist die Schwelle bereits überschritten. Demnach hatte die Stadt Tettnang zum 31. März diesen Jahres 20 014 Einwohner. Abweichungen zwischen den beiden Werten wie in Tettnang gibt es auch in zahlreichen anderen Städten und Gemeinden. Die amtlichen Einwohnerzahlen des statistischen Landesamts gehen vom Zensus 2011 aus. Der nächste Zensus soll als Volkszählung in den EU-Mitgliedsstaaten im Jahr 2022 stattfinden.
Sollte Tettnang im Laufe diesen Jahres auch nach der Statistik des Landes die 20 000 Einwohner überschreiten, könnte die Stadt etwa im Jahr 2025 zur großen Kreisstadt werden. Sollte die Einwohnerzahl danach übrigens wieder unter die Marke von 20 000 fallen, behält die Stadt den Status trotzdem. Zwar kommt das Thema große Kreisstadt auch in Gremiumssitzungen immer wieder auf, aktuell gebe es aber von Seiten der Verwaltung „noch keine intensiveren Überlegungen“diesbezüglich, lässt Judith Maier wissen.
Fakt ist aber: Sollte es soweit kommen, hätte dieser Titel durchaus weitreichende Folgen für die Stadt und die Bürgerschaft. Eine große Kreisstadt bleibt zwar kreisangehörig, hat aber Privilegien. So hat eine große Kreisstadt erweiterte Zuständigkeiten und übernimmt auch Aufgaben, die bisher beim Landratsamt lagen. Als große Kreisstadt wäre Tettnang untere Verwaltungsbehörde.
So dürfte die Stadt dann zum Beispiel auch selbst Radarfallen aufstellen, da die Straßenverkehrs- und Bußgeldbehörde dann nicht mehr beim Landratsamt, sondern bei der Stadt liegen würde. Ebenso trägt der Bürgermeister einer großen Kreisstadt die Amtsbezeichnung Oberbürgermeister. Der erste Beigeordnete hingegen würde dann zum Bürgermeister.
Pressesprecherin Judith Maier
Zusätzlich übernehmen große Kreistädte dann auch Aufgaben als Ausländerbehörde und Wohngeldstelle. Die Kompetenzen und die Verantwortung, aber auch der Gestaltungsspielraum der Stadt werden mit dem Titel erweitert.
Auch baulich könnte das Wachstum Tettnangs unabhängig vom Titel der großen Kreisstadt über kurz oder lang Auswirkungen haben, was Sitzungen betrifft. Da sich die Anzahl der Gemeinderatsmitglieder nach der Einwohnerzahl richtet, wird auch das Gremium potenziell wachsen. Wegen der Corona-Pandemie finden die meisten Gemeinderatsund Ausschusssitzungen aktuell in der Aula des Montfort-Gymnasiums statt.
Lässt man die Pandemie außer Acht, stößt der Sitzungssaal im Rathaus allerdings bereits jetzt an seine Kapazitätsgrenze, wenn alle Ratsmitglieder sowie einige Zuschauer anwesend sind. Baulich erweitern lässt sich der historische Saal im Rathaus allerdings nicht. „Fakt ist, wenn der Sitzungssaal zu klein ist, benötigen wir einen Sitzungssaal außerhalb des Rathauses“, stellt Judith Maier klar. Dazu habe es bereits immer mal wieder Überlegungen gegeben, allerdings bisher noch keine Lösung. Daher werde diese Frage auf jeden Fall in der Zukunft ein Thema sein, so Maier.
„Neuere Zahlen haben wir im Moment nicht, da wir diese nur zwei bis dreimal im Jahr bekommen.“