Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Große Kreisstadt: Was wäre, wenn?

Einwohnerz­ahlen stimmen nicht überein – Titel würde Veränderun­gen mit sich bringen

- Von Linda Egger

TETTNANG - Tettnang wächst – und dies nicht nur, was Baugebiete und Arbeitsplä­tze betrifft, sondern auch die Einwohnerz­ahl steigt. Früher oder später wird sich daher die Frage stellen, ob Tettnang möglicherw­eise große Kreisstadt werden soll. Der Titel würde durchaus Vorteile mit sich bringen – wäre aber auch mit Kosten sowie zusätzlich­en Aufgabenge­bieten verbunden.

In Baden-Württember­g dürfen Städte dann große Kreisstadt werden, wenn sie die Marke von 20 000 Einwohnern überschrit­ten haben und die Einwohnerz­ahl drei Jahre lang über diesem Wert bleibt. Nach einem entspreche­nden Gemeindera­tsbeschlus­s kann die Stadt dann einen Antrag bei der Landesregi­erung stellen. Gibt das Innenminis­terium sein Einverstän­dnis, kann die Stadt zur großen Kreisstadt ernannt werden. Insgesamt 94 Städte haben diesen Titel in Baden-Württember­g aktuell inne.

Die Frage, wann es in Tettnang soweit sein könnte, ist allerdings gar nicht so einfach zu beantworte­n. Denn als Kriterium für die Ernennung zur großen Kreisstadt werden die Zahlen des statistisc­hen Landesamts Baden-Württember­g zugrunde gelegt. Und nach diesen hat Tettnang die 20 000 Einwohner-Marke noch nicht ganz geknackt. Die aktuellste­n Zahlen, die der Stadt vorliegen, stammen laut Pressespre­cherin Judith Maier vom September 2020: Zu diesem Zeitpunkt lag die Einwohnerz­ahl Tettnangs bei 19 501. „Neuere Zahlen haben wir im Moment nicht, da wir diese nur zwei bis dreimal im Jahr bekommen“, teilt Maier mit.

Allerdings erhebt die Stadt die Einwohnerz­ahl auch selbst über das Einwohnerm­eldeamt. Und nach diesen Erhebungen ist die Schwelle bereits überschrit­ten. Demnach hatte die Stadt Tettnang zum 31. März diesen Jahres 20 014 Einwohner. Abweichung­en zwischen den beiden Werten wie in Tettnang gibt es auch in zahlreiche­n anderen Städten und Gemeinden. Die amtlichen Einwohnerz­ahlen des statistisc­hen Landesamts gehen vom Zensus 2011 aus. Der nächste Zensus soll als Volkszählu­ng in den EU-Mitgliedss­taaten im Jahr 2022 stattfinde­n.

Sollte Tettnang im Laufe diesen Jahres auch nach der Statistik des Landes die 20 000 Einwohner überschrei­ten, könnte die Stadt etwa im Jahr 2025 zur großen Kreisstadt werden. Sollte die Einwohnerz­ahl danach übrigens wieder unter die Marke von 20 000 fallen, behält die Stadt den Status trotzdem. Zwar kommt das Thema große Kreisstadt auch in Gremiumssi­tzungen immer wieder auf, aktuell gebe es aber von Seiten der Verwaltung „noch keine intensiver­en Überlegung­en“diesbezügl­ich, lässt Judith Maier wissen.

Fakt ist aber: Sollte es soweit kommen, hätte dieser Titel durchaus weitreiche­nde Folgen für die Stadt und die Bürgerscha­ft. Eine große Kreisstadt bleibt zwar kreisangeh­örig, hat aber Privilegie­n. So hat eine große Kreisstadt erweiterte Zuständigk­eiten und übernimmt auch Aufgaben, die bisher beim Landratsam­t lagen. Als große Kreisstadt wäre Tettnang untere Verwaltung­sbehörde.

So dürfte die Stadt dann zum Beispiel auch selbst Radarfalle­n aufstellen, da die Straßenver­kehrs- und Bußgeldbeh­örde dann nicht mehr beim Landratsam­t, sondern bei der Stadt liegen würde. Ebenso trägt der Bürgermeis­ter einer großen Kreisstadt die Amtsbezeic­hnung Oberbürger­meister. Der erste Beigeordne­te hingegen würde dann zum Bürgermeis­ter.

Pressespre­cherin Judith Maier

Zusätzlich übernehmen große Kreistädte dann auch Aufgaben als Ausländerb­ehörde und Wohngeldst­elle. Die Kompetenze­n und die Verantwort­ung, aber auch der Gestaltung­sspielraum der Stadt werden mit dem Titel erweitert.

Auch baulich könnte das Wachstum Tettnangs unabhängig vom Titel der großen Kreisstadt über kurz oder lang Auswirkung­en haben, was Sitzungen betrifft. Da sich die Anzahl der Gemeindera­tsmitglied­er nach der Einwohnerz­ahl richtet, wird auch das Gremium potenziell wachsen. Wegen der Corona-Pandemie finden die meisten Gemeindera­tsund Ausschusss­itzungen aktuell in der Aula des Montfort-Gymnasiums statt.

Lässt man die Pandemie außer Acht, stößt der Sitzungssa­al im Rathaus allerdings bereits jetzt an seine Kapazitäts­grenze, wenn alle Ratsmitgli­eder sowie einige Zuschauer anwesend sind. Baulich erweitern lässt sich der historisch­e Saal im Rathaus allerdings nicht. „Fakt ist, wenn der Sitzungssa­al zu klein ist, benötigen wir einen Sitzungssa­al außerhalb des Rathauses“, stellt Judith Maier klar. Dazu habe es bereits immer mal wieder Überlegung­en gegeben, allerdings bisher noch keine Lösung. Daher werde diese Frage auf jeden Fall in der Zukunft ein Thema sein, so Maier.

„Neuere Zahlen haben wir im Moment nicht, da wir diese nur zwei bis dreimal im Jahr bekommen.“

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ARCHIVFOTO: MARK HILDEBRAND­T Tettnang steht an der Schwelle zur 20 000-Einwohner-Marke.

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