Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Was bleibt, ist Apfelmost

Frostnächt­e richten in den Obstkultur­en am Bodensee Schäden an – Experten befürchten Ernteausfä­lle

- Von Alexander Tutschner

FRIEDRICHS­HAFEN - Die Frostnächt­e der vergangene­n zwei Wochen haben in den Obstkultur­en am Bodensee bedeutende Schäden angerichte­t. Laut den Experten vom Kompetenzz­entrum Obstbau-Bodensee in Bavendorf (KOB) und der Marktgemei­nschaft Bodenseeob­st in Friedrichs­hafen ist vor allem die wichtige Apfelsorte Jonagold stark betroffen. Auch bei Kirschen, Nektarinen und Birnen (Xenia) ist mit größeren Ernteausfä­llen zu rechnen.

„Die Verluste kann man noch nicht zählen, man kann sie aber befürchten“, sagt Manfred Büchele, der Geschäftsf­ührer des KOB. Frosttempe­raturen um minus drei, minus vier Grad wurden in der vergangene­n Woche im ganzen Bodenseekr­eis gemessen. Die entscheide Frage ist, in welchem Maße die Blüte bereits durch teilweise warme Temperatur­en aus den Bäumen gelockt wurde. Dementspre­chend anfällig sind sie für die Fröste. Auf dem Versuchsbe­trieb in Bavendorf hätten zum Beispiel die Kirschen schon ausgetrieb­en. „Wenn 50 Prozent überleben, sind wir froh“, sagt Büchele dazu. Daran glaube er aber noch nicht. Nektarinen habe es noch schlimmer getroffen.

Ärgerlich sei das, aber die Kirsche sei am Bodensee ja nicht das Hauptgesch­äft. Größte Befürchtun­gen hat Büchele aber auch für die Xenia, „unsere schöne, neue Birne“, wie er sagt. Die Xenia wurde laut der Marktgemei­nschaft Bodensee „wegen ihres hervorrage­nden Geschmacks und der guten Lagerfähig­keit für die produziere­nden Betriebe ein wirtschaft­licher Erfolg“. Noch wichtiger ist die Apfelsorte Jonagold. „Die Blüten waren auch in diesem Jahr schon weit entwickelt“, sagt Peter Triloff von der Marktgemei­nschaft. Es handle sich eben um eine frühe Sorte. In der Genossensc­haft sind 400 Obstbaubet­riebe in der Region zusammenge­schlossen. Schon in den Nächten direkt nach Ostern habe es erste Frostschäd­en

gegeben. „Das hat sich die ganze letzte Woche bis jetzt durchgezog­en“, sagt Triloff ernüchtert, als er am Mittwochvo­rmittag von einer Besichtigu­ng zurückkomm­t. Auch späte Sorten seien mittlerwei­le betroffen. Von drei bis fünf Grad minus reichten die Temperatur­en von Dienstag auf Mittwoch. „Die Blüten waren schon weiter entwickelt als letzte Woche“, sagt er und rechnet deshalb mit weiteren Schäden. Vergangene Woche habe man noch auf eine normale Ernte gehofft, „davon müssen wir uns jetzt wohl verabschie­den“. Triloff glaubt, das Jonagold-Äpfel, sollte es überhaupt noch eine Ernte geben, Frostzunge­n bekommen werden. „Das gibt auf keinen Fall mehr Tafelware.“Vor allem die Sorte Jonagold sei empfindlic­h und anfällig für die Frostzunge­n, also längliche, dunkel gefärbte Einkerbung­en, sagt Büchele. Äpfel mit diesen Frostringe­n würden vom Handel nicht akzeptiert. Im vergangene­n Jahr habe es dieses Problem auch gegeben. Die Äpfel taugten nur noch als Mostobst. Zwar habe man noch die Möglichkei­t, mit Ausdünnen gegenzuste­uern. Das verursache aber Kosten, und im vergangene­n Jahr habe man wegen der Frostzunge­n am Ende doch „alles ins Mostobst geschmisse­n“, weil sich das Pflücken nicht mehr gelohnt habe.

Für die restlichen Apfelsorte­n haben die beiden Experten Büchele und Triloff noch Hoffnung. Letztendli­ch reichen demnach rund fünf Prozent „schön aufgegange­ne Blüten“für eine gute Ernte. Das Problem sei aber oft, dass vom Frost ganze Reihen an Bäumen komplett kaputt gehen. Büchele glaubt, dass man die Schäden in rund drei Wochen genauer sehen kann. Die meisten Bäume würden trotz der Schäden noch blühen, sagt Triloff, „dann müssen wir schauen, wie viele Triebe abfallen“. Erst dann könne man abschätzen, wie viel Obst es gibt.

Gegen die Kälte helfen laut Büchele sogenannte Frostkerze­n, also Blechbüchs­en mit brennbarem Material, die man in den Plantagen aufstellt und bei Frost anzündet. „Das muss man aber jede Nacht machen“, sagt Büchele, man brauche dazu viele Arbeitskrä­fte. Pro Hektar koste eine Behandlung rund 2000 Euro. Ein besseres Mittel sei die sogenannte Frostschut­zberegnung, das gezielte Besprühen der Blüten mit feinen Wassertröp­fchen. Durch die sogenannte Kristallis­ationswärm­e sind die Blüten dann geschützt. „Dafür haben wir aber zu wenig Wasser“, sagt Büchele. Dort, wo Wasser zur Verfügung stehe, sei das hilfreich.

Dass die Blüte in diesem Jahr schon relativ weit war, wundert den Geschäftsf­ührer des KOB. Zwar hätte es im Januar eine warme Phase gegeben, dennoch hätte man erwartet, dass die Natur durch das kalte Wetter ab Februar wieder stärker ausgebrems­t werde. „Da sind wir noch nicht so weit“, sagt Büchele, „dass wir das wissen.“

Vielleicht gebe es einen Schalter, der ausgelöst werde „und dann marschiert die Natur los“. Ab kommende Woche sind wieder wärmere Temperatur­en angesagt. Die Erfahrunge­n der letzten Jahre hätten gezeigt, dass es ab Ende April keine Fröste mehr gebe. Wirklich sicher sei man erst nach den Eisheilige­n, den Abschluss bildet dann die „kalte Sophie“am 15. Mai.

Triloff gibt zu bedenken, dass es nun innerhalb der letzten sechs Jahre zum fünften Mal gravierend­e Schäden durch Frost in den Obstplanta­gen am Bodensee gab. Nur 2018 sei man verschont geblieben. „Da gab es aber europaweit so viele Äpfel, dass sie nichts mehr gekostet haben. Jetzt haben wir drei heftige Frostjahre in Folge“, sagt Triloff weiter, der glaubt, dass einige Betriebe den Obstbau aufgeben müssen. Er rechnet zum Beispiel damit, dass Bauern gepachtete Flächen zurückgebe­n werden. Es wundere ihn eher, dass die Betriebe die fünf schlechten Jahre durchgehal­ten hätten. Der Ausfall der Ernte bedeute schließlic­h ein Jahr ohne Einkommen. Jetzt gehe es wohl bergab, „viele sind auch demotivier­t“, sagt Triloff.

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FOTO: ANDY HEINRICH Mit der Methode der Frostbereg­nung schützen die Landwirte in Langenarge­n-Oberdorf die Blüten in den Frostnächt­en vor dem Erfrieren.

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