Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Winzer hoffen auf den Sommer
Weinbauern am Bodensee leiden unter dem Lockdown – Weniger Absatz durch geschlossene Gastronomie
IMMENSTAAD/MEERSBURG/NONNENHORN/HAGNAU - Geschlossene Lokale, kaum Veranstaltungen und keine Feste: Die Möglichkeiten, ein Glas Wein zu genießen, beschränken sich derzeit fast ausschließlich auf die eigenen vier Wände. Die Winzer am Bodensee blicken deshalb mit gemischten Gefühlen in die nächsten Monate. „Die Gastronomie ist für uns ein wichtiger Absatzmarkt, der gerade fehlt“, sagt Rebecca Röhrenbach vom Weingut Röhrenbach. Mit ihrer Familie bewirtschaftet sie in Immenstaad am Bodensee Wein auf einer Fläche von sechs Hektar.
Mut macht der Winzerin, dass die Menschen in der Pandemie gelernt hätten, regionale Produkte mehr zu schätzen. „Unseren Wein gibt es ja auch in Supermärkten und Getränkemärkten in der Region. Und da merken wir, dass uns die Leute vor Ort wirklich unterstützen“, sagt sie. Im vergangenen Jahr haben die Winzer aufgrund der Pandemie neue Wege gesucht, um ihren Wein an die Kunden zu bringen, so Röhrenbach weiter – zum Beispiel mit einer OnlineWeinprobe. Weinliebhaber bekamen dabei einige Geschmacksproben nach Hause geliefert. Die dazugehörigen Erläuterungen gab die Winzerin dann per Video über das Internet. „Diese Online-Proben haben gut funktioniert. Aber man merkt schon, dass die Leute nach einem Jahr Homeoffice und Online-Meetings dem Thema langsam überdrüssig sind“, sagt Röhrenbach.
Derzeit sei die Situation für ihren Familienbetrieb doppelt schwierig, da die Röhrenbachs neben dem Weingut auch ein Appartementhotel betreiben. Dort dürfen aufgrund der Corona-Verordnung keine Gäste übernachten. „Noch vor einem Monat hätte ich gesagt: Im Sommer wird alles besser. Aber im Moment gibt es immer noch so viele Unklarheiten – das ist wirklich ernüchternd“, sagt Röhrenbach.
Die aktuell noch fehlenden Urlauber am See machen sich auch beim Staatsweingut Meersburg bemerkbar. „Wir sind natürlich eng mit dem Tourismus verbandelt“, sagt Weingutsdirektor Jürgen Dietrich. Da die Hotels und Ferienwohnungen am Bodensee keine Feriengäste empfangen dürfen und es auch kaum Möglichkeiten zum Einkaufen gibt, ist laut Dietrich in Städten wie Meersburg viel weniger los. Deshalb gebe es auch weniger Wein-Kunden in den Fachmärkten – obwohl diese aktuell geöffnet haben dürfen. „Es ist schwer, das zu beziffern. Aber ich schätze, dass wir derzeit etwa 20 bis 25 Prozent weniger Umsatz machen“, sagt Dietrich.
Und noch etwas bereitet dem Weingutsdirektor Bauchschmerzen: die Situation um die Aushilfskräfte beim Weinbau. „Normalerweise kommen Anfang Mai die Kollegen aus Polen. Das ist derzeit noch eine heikle Geschichte. Wir hoffen, dass es klappt“, so Dietrich. Entscheidend sei, wie sich die Infektionslage sowohl in Polen als auch hierzulande verändert. Davon hänge ab, ob die Saisonarbeitskräfte kommen könnten – und unter welchen Auflagen.
Trotzdem blickt der Weingutsdirektor optimistisch in die nächsten Monate. „Ich denke, die dritte Welle flacht spätestens dann ab, wenn die
Leute wieder mehr raus können. Und dann haben auch wir gewonnen, da sich der Tourismus bei uns ja hauptsächlich draußen abspielt.“Dann könne der Bodensee ähnlich viele Gäste anziehen wie im vergangenen Jahr, sagt Dietrich.
Darauf hofft auch Clemens Hendriks. Der Winzer aus Nonnenhorn ist Vorstand des Weinbauvereins Bayrischer Bodensee. „Wir wünschen uns eine Perspektive, dass wir absehen können, wann Veranstaltungen wieder möglich sind und die Gastronomie ihre Außenbereiche öffnen kann. Da erwarten wir Signale von der Politik“, sagt er. Fehlen würden den Winzern auch die Weinfeste.
„Das ist für uns nicht nur ein finanzieller Schaden. Es fehlt uns dadurch auch die Möglichkeit, uns zu präsentieren.“
Große Hoffnungen setzen die Winzer vom Bayerischen Bodensee deshalb in die Gartenschau in Lindau, die im Mai beginnen soll. „Dort haben wir einen Ausschank geplant“, sagt Hendriks. „Aber wir müssen natürlich verfolgen, wie sich alles entwickelt. Dann werden wir sehen, wie genau wir das umsetzen.“Denkbar sei etwa auch, Getränke nur zum Mitnehmen zu verkaufen.
Trotz allem wolle er nicht jammern, sagt Hendriks. Der Gastronomie gehe es derzeit deutlich schlechter
Jürgen Dietrich, Direktor Staatsweingut Meersburg als den Winzern. „Wir wollen deshalb gute Partner für die Betriebe sein. Sobald sie öffnen dürfen, stehen wir bereit, um ihnen zu helfen“, so der Winzer. Der sinkende Umsatz durch die geschlossenen Lokale sei für die Weinbauern zu verschmerzen. „Natürlich ist es von Weingut zu Weingut verschieden, da alle unterschiedliche Vermarktungsstrategien haben. Aber insgesamt können wir das ganz gut abfedern.“
Ein gewichtiger Grund dafür ist bei allen Winzern derselbe: der gestiegene Heimkonsum. Immer mehr Menschen gönnen sich zuhause einen guten Tropfen. Wie das Deutschen Weininstitut (DWI) mitteilt, wuchs der Weinabsatz hierzulande im Vergleich zum Vorjahr um rund sechs Prozent. Stephanie Megerle vom Winzerverein Hagnau freut das: „Besonders schön daran ist, dass der Konsum von deutschem Wein gestiegen ist“, sagt sie.
Normalerweise seien viele Kunden des Hagnauer Weins Urlauber, die das Produkt vor Ort im Laden gekauft hätten. „Das verschiebt sich jetzt mehr und mehr in unseren Online-Shop.“Die Verkäufe über das Internet haben sich laut Megerle in der Corona-Pandemie verdoppelt.
Glück hatten die Winzer am See außerdem – ganz im Gegensatz zu ihren Kollegen vom Obstanbau – mit dem Wetter. Die frostigen Nächte in den vergangenen Wochen konnten den Reben laut Rebecca Röhrenbach bislang nichts anhaben. Anders als zum Beispiel in der Ortenau, wo viele Knospen erfroren sind und deshalb im Weinbau mit massiven Ausfällen gerechnet wird. Der Grund: die besondere Lage am Bodensee. Einerseits liegt das Anbaugebiet deutlich höher als andere in Deutschland. Andererseits reguliert der See die Temperatur und sorgt für mildere Temperaturen.
Das führt laut der Winzerin dazu, dass die Knospen später austreiben – und somit noch im Stock vor der Kälte geschützt sind. „Wir sind ungefähr zwei Wochen später dran als der Rest Deutschlands. Das rettet uns in dieser Jahreszeit“, sagt Röhrenbach. Ein gewisses Risiko gebe es aber noch. Schließlich würden in den kommenden Wochen auch hier die ersten Knospen austreiben – und es stünden noch die Eisheiligen an. „Wenn wir bis zur ersten Maiwoche alles gut überstehen, sind wir über den Berg – zumindest frostmäßig.“
„Ich schätze, dass wir derzeit etwa 20 bis 25 Prozent weniger Umsatz machen.“