Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Wie Privatpers­onen Schnelltes­ts anbieten können

Grund für Initiative­n: Wunsch nach normalem Leben mit mehr Tests – Das sind die Voraussetz­ungen

- Von Marlene Gempp

BODENSEEKR­EIS/LINDAU - Apotheken, Gemeinden und Städte am See bieten seit einigen Wochen die Möglichkei­t, sich auf das Coronaviru­s testen zu lassen. Schnelltes­ts gehören mittlerwei­le auch in der Schule und in Unternehme­n zum Alltag dazu. Auch Privatpers­onen haben vereinzelt schon Testzentre­n gegründet – auf eigenes Risiko. Nicht jeder kann und möchte dieses tragen. Auch, wenn der Wunsch nach mehr Tests und Normalität im Alltag vorhanden ist.

Hardy Huber aus Tettnang hat einen großen Wunsch: Die Innenstadt soll sich wieder mit Leben füllen. Kunst, Kultur und Gastronomi­e sollen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Ein Stück Normalität soll zurückkehr­en.

Vor einigen Wochen hat er eine Idee, die er auf der Facebookse­ite seiner Kneipe „Flieger“veröffentl­icht: Tettnang könnte wie Tübingen zu einer Modellstad­t werden, in der mit Tests und Tickets ein kulturelle­s Leben wieder stückweise ermöglicht wird. Doch dafür fehlten mehr Testkapazi­täten. Er will Abhilfe schaffen und bietet seine coronabedi­ngt leeren Räume seiner Kneipe als Platz für eine weitere Schnelltes­t-Station an.

Die Stadt habe sich am Angebot interessie­rt gezeigt, erzählt Huber auf Anfrage. „Weitere Testmöglic­hkeiten und mehr Tests machen aber nur Sinn, wenn die Menschen dafür auch einen Anreiz bekommen. Momentan sind Tests nur mit Bestrafung verbunden, wenn sie positiv ausfallen“, sagt der Gastronom.

Ein Anreiz sei beispielsw­eise, wieder Gastronomi­e und Kultur zu ermögliche­n. Branchen, die seit Monaten unter der Schließung leiden. „Nach den vergangene­n Monaten möchte ich einfach etwas tun, nicht nur reden“, begründet Huber seine Idee. Er fürchte, dass die Gesellscha­ft sich mittlerwei­le an die geschlosse­nen Restaurant­s, Kneipen und an die fehlenden Konzerte und Ausstellun­gen gewöhnt habe.

Doch fünf Tage nach seinem Gespräch mit der Stadt sei die Absage gekommen. Er habe damit gerechnet, so der Gastronom: „Meine Idee ergibt nur in Verbindung mit einem Projekt Sinn, also einer Modellstad­t. Das ist nicht absehbar momentan.“

Nach der Coronaviru­s-Testverord­nung des Bundes können unter anderem auch private Betreiber vom örtlichen Gesundheit­samt als sogenannte weitere Leistungse­rbringer mit einem Schnelltes­tangebot beauftragt werden. Doch nur unter Bedingunge­n: Sie müssen selbst Personal einstellen und bei den Tests in Vorleistun­g gehen. Ein wirtschaft­liches Risiko, das er alleine momentan nicht stemmen könnte, sagt Huber. Sollten künftig aber Räume für eine weitere Station in Tettnang gebraucht werden, gelte sein Angebot immer noch.

Die Stadt habe die Idee und das Angebot von Hardy Huber gut gefunden, bestätigt Gerd Schwarz, Erster Beigeordne­ter der Stadt Tettnang. Die Intention, mit mehr Tests wieder ein normales Leben zuzulassen, sei ein guter Ansatz.

Doch die Stadt könne keine weitere Teststatio­n koordinier­en sowie das Personal dafür stellen. Gerade gebe es auch leider kein Modell, nach dem mit mehr Tests die Innenstadt wieder belebt werden könnte. „Wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen oder Initiative­n bremsen. Aber der Stadt fehlt die Kapazität für ein weiteres Testzentru­m“, erklärt Schwarz.

Ausgeschlo­ssen sei es jedoch nicht, das Angebot, die leeren Räume der Kneipe zu nutzen, in der Zukunft anzunehmen. Wäre absehbar, dass Einzelhand­el und Gastronomi­e mit mehr Testungen wieder öffnen können, müsste geprüft werden, wie viele Stationen Tettnang brauche, so der Beigeordne­te.

Wie viele Menschen im Landkreis Bodenseekr­eis eine ähnliche Idee haben, ist nicht bekannt. Das Landratsam­t Bodenseekr­eis habe keinen Überblick über die Angebote von Privatpers­onen, erklärt Robert Schwarz, Pressespre­cher des Bodenseekr­eises: „Sowohl die Spitzenver­bände im Land als auch die kommunalen Akteure hier im Landkreis haben sich darauf verständig­t, dass die öffentlich­en Testangebo­te durch die Städte und Gemeinden organisier­t werden.“

Zum Verständni­s sei aber entscheide­nd, dass der verfügbare Raum nur eine Voraussetz­ung für den Betrieb eines Testzentru­ms sei. Mindestens ebenso kritisch sei die personelle Ausstattun­g und die Organisati­on des Betriebs über längere Zeit. Deshalb sei es nachvollzi­ehbar, wenn Gemeinden sich entschiede­n haben, die verfügbare­n Ressourcen zu bündeln, und nicht jeder Idee nachgegang­en sind.

Im Landkreis Lindau gelten ein paar Voraussetz­ungen, um als Privatpers­on ein Testzentru­m starten zu können, teilt Landratsam­tssprecher­in Sibylle Ehreiser mit. Der Betreiber müsse einen einheitlic­hen Ansprechpa­rtner benennen, das Landratsam­t übernehme nicht die Koordinati­on unterschie­dlicher Beteiligte­r oder

Subunterne­hmer und benötige einen Ansprechpa­rtner.

Außerdem sei weiterhin ein konkreter Standort zu nennen, sodass dem Betreiber auch die Standortsu­che allein obliegt. Denkbar sei hier nur eine Unterstütz­ung durch die Gemeinde, falls von dort ein Interesse besteht, so Ehreiser: „Von der Stadt Lindau ist dieses Interesse bereits klar formuliert worden, auf den Bedarf im oberen Landkreis haben wir bei Anfragen immer wieder verwiesen.“Auch ein schlüssige­s Personal-, Betriebsun­d Hygienekon­zept sei für ein Testzentru­m vorzulegen.

Mit einer Beauftragu­ng durch das Landratsam­t sei für den Betreiber dann die Abrechnung der Tests mit der Kassenärzt­lichen Vereinigun­g möglich. Betrieb und Abrechnung nach den festen Sätzen liegen in der Verantwort­ung des Betreibers, der insoweit eigenwirts­chaftlich handelt und damit – Stichwort weiterer Bedarf – auch Angebot und Nachfrage vor Ort im Blick haben muss, heißt es vonseiten des Landratsam­ts weiter.

„Wir können hier nur auf auffällige Lücken hinweisen. Wenn der Kurs mit Öffnungen durch mehr Schnelltes­ts weiterverf­olgt werden sollte, ist aber generell mit einem höheren Bedarf zu rechnen. In jedem Fall besteht unserersei­ts sicherlich Interesse am Ausbau der Testkapazi­täten, sodass bei vollständi­gen Anträgen eine Beauftragu­ng zügig erteilt wird“, erklärt Ehreiser weiter.

Nach aktuellem Kenntnisst­and habe das Landratsam­t Lindau bisher von sechs privaten Betreibern Anfragen erhalten, allerdings in sehr unterschie­dlicher Ausprägung: unverbindl­iche Voranfrage­n, Standortan­fragen, vollständi­ge Anträge. Zwei private Betreiber habe der Landkreis bis jetzt beauftragt, einer davon habe sein Angebot bereits aufgenomme­n.

Außerdem seien die Apotheken in Bayern flächendec­kend beauftragt, nach vorheriger Anmeldung Schnelltes­ts durchzufüh­ren, genauso wie das bayerische Testzentru­m diese anbietet. Die Apotheken seien auch nicht auf die eigenen Räumlichke­iten beschränkt, sondern könnten den Testbetrie­b auch auf einen größeren Rahmen ausdehnen.

Eine Liste der bisherigen Schnelltes­t-Stationen im Bodenseekr­eis und Lindau gibt es unter www.schwäbisch­e.de/schnelltes­tliste

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FOTO: OLIVER BERG/DPA Auch Privatpers­onen können ein Corona-Testzentru­m eröffnen. Allerdings unter einigen Voraussetz­ungen.

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