Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Wie Privatpersonen Schnelltests anbieten können
Grund für Initiativen: Wunsch nach normalem Leben mit mehr Tests – Das sind die Voraussetzungen
BODENSEEKREIS/LINDAU - Apotheken, Gemeinden und Städte am See bieten seit einigen Wochen die Möglichkeit, sich auf das Coronavirus testen zu lassen. Schnelltests gehören mittlerweile auch in der Schule und in Unternehmen zum Alltag dazu. Auch Privatpersonen haben vereinzelt schon Testzentren gegründet – auf eigenes Risiko. Nicht jeder kann und möchte dieses tragen. Auch, wenn der Wunsch nach mehr Tests und Normalität im Alltag vorhanden ist.
Hardy Huber aus Tettnang hat einen großen Wunsch: Die Innenstadt soll sich wieder mit Leben füllen. Kunst, Kultur und Gastronomie sollen ihren Betrieb wieder aufnehmen. Ein Stück Normalität soll zurückkehren.
Vor einigen Wochen hat er eine Idee, die er auf der Facebookseite seiner Kneipe „Flieger“veröffentlicht: Tettnang könnte wie Tübingen zu einer Modellstadt werden, in der mit Tests und Tickets ein kulturelles Leben wieder stückweise ermöglicht wird. Doch dafür fehlten mehr Testkapazitäten. Er will Abhilfe schaffen und bietet seine coronabedingt leeren Räume seiner Kneipe als Platz für eine weitere Schnelltest-Station an.
Die Stadt habe sich am Angebot interessiert gezeigt, erzählt Huber auf Anfrage. „Weitere Testmöglichkeiten und mehr Tests machen aber nur Sinn, wenn die Menschen dafür auch einen Anreiz bekommen. Momentan sind Tests nur mit Bestrafung verbunden, wenn sie positiv ausfallen“, sagt der Gastronom.
Ein Anreiz sei beispielsweise, wieder Gastronomie und Kultur zu ermöglichen. Branchen, die seit Monaten unter der Schließung leiden. „Nach den vergangenen Monaten möchte ich einfach etwas tun, nicht nur reden“, begründet Huber seine Idee. Er fürchte, dass die Gesellschaft sich mittlerweile an die geschlossenen Restaurants, Kneipen und an die fehlenden Konzerte und Ausstellungen gewöhnt habe.
Doch fünf Tage nach seinem Gespräch mit der Stadt sei die Absage gekommen. Er habe damit gerechnet, so der Gastronom: „Meine Idee ergibt nur in Verbindung mit einem Projekt Sinn, also einer Modellstadt. Das ist nicht absehbar momentan.“
Nach der Coronavirus-Testverordnung des Bundes können unter anderem auch private Betreiber vom örtlichen Gesundheitsamt als sogenannte weitere Leistungserbringer mit einem Schnelltestangebot beauftragt werden. Doch nur unter Bedingungen: Sie müssen selbst Personal einstellen und bei den Tests in Vorleistung gehen. Ein wirtschaftliches Risiko, das er alleine momentan nicht stemmen könnte, sagt Huber. Sollten künftig aber Räume für eine weitere Station in Tettnang gebraucht werden, gelte sein Angebot immer noch.
Die Stadt habe die Idee und das Angebot von Hardy Huber gut gefunden, bestätigt Gerd Schwarz, Erster Beigeordneter der Stadt Tettnang. Die Intention, mit mehr Tests wieder ein normales Leben zuzulassen, sei ein guter Ansatz.
Doch die Stadt könne keine weitere Teststation koordinieren sowie das Personal dafür stellen. Gerade gebe es auch leider kein Modell, nach dem mit mehr Tests die Innenstadt wieder belebt werden könnte. „Wir wollen niemanden vor den Kopf stoßen oder Initiativen bremsen. Aber der Stadt fehlt die Kapazität für ein weiteres Testzentrum“, erklärt Schwarz.
Ausgeschlossen sei es jedoch nicht, das Angebot, die leeren Räume der Kneipe zu nutzen, in der Zukunft anzunehmen. Wäre absehbar, dass Einzelhandel und Gastronomie mit mehr Testungen wieder öffnen können, müsste geprüft werden, wie viele Stationen Tettnang brauche, so der Beigeordnete.
Wie viele Menschen im Landkreis Bodenseekreis eine ähnliche Idee haben, ist nicht bekannt. Das Landratsamt Bodenseekreis habe keinen Überblick über die Angebote von Privatpersonen, erklärt Robert Schwarz, Pressesprecher des Bodenseekreises: „Sowohl die Spitzenverbände im Land als auch die kommunalen Akteure hier im Landkreis haben sich darauf verständigt, dass die öffentlichen Testangebote durch die Städte und Gemeinden organisiert werden.“
Zum Verständnis sei aber entscheidend, dass der verfügbare Raum nur eine Voraussetzung für den Betrieb eines Testzentrums sei. Mindestens ebenso kritisch sei die personelle Ausstattung und die Organisation des Betriebs über längere Zeit. Deshalb sei es nachvollziehbar, wenn Gemeinden sich entschieden haben, die verfügbaren Ressourcen zu bündeln, und nicht jeder Idee nachgegangen sind.
Im Landkreis Lindau gelten ein paar Voraussetzungen, um als Privatperson ein Testzentrum starten zu können, teilt Landratsamtssprecherin Sibylle Ehreiser mit. Der Betreiber müsse einen einheitlichen Ansprechpartner benennen, das Landratsamt übernehme nicht die Koordination unterschiedlicher Beteiligter oder
Subunternehmer und benötige einen Ansprechpartner.
Außerdem sei weiterhin ein konkreter Standort zu nennen, sodass dem Betreiber auch die Standortsuche allein obliegt. Denkbar sei hier nur eine Unterstützung durch die Gemeinde, falls von dort ein Interesse besteht, so Ehreiser: „Von der Stadt Lindau ist dieses Interesse bereits klar formuliert worden, auf den Bedarf im oberen Landkreis haben wir bei Anfragen immer wieder verwiesen.“Auch ein schlüssiges Personal-, Betriebsund Hygienekonzept sei für ein Testzentrum vorzulegen.
Mit einer Beauftragung durch das Landratsamt sei für den Betreiber dann die Abrechnung der Tests mit der Kassenärztlichen Vereinigung möglich. Betrieb und Abrechnung nach den festen Sätzen liegen in der Verantwortung des Betreibers, der insoweit eigenwirtschaftlich handelt und damit – Stichwort weiterer Bedarf – auch Angebot und Nachfrage vor Ort im Blick haben muss, heißt es vonseiten des Landratsamts weiter.
„Wir können hier nur auf auffällige Lücken hinweisen. Wenn der Kurs mit Öffnungen durch mehr Schnelltests weiterverfolgt werden sollte, ist aber generell mit einem höheren Bedarf zu rechnen. In jedem Fall besteht unsererseits sicherlich Interesse am Ausbau der Testkapazitäten, sodass bei vollständigen Anträgen eine Beauftragung zügig erteilt wird“, erklärt Ehreiser weiter.
Nach aktuellem Kenntnisstand habe das Landratsamt Lindau bisher von sechs privaten Betreibern Anfragen erhalten, allerdings in sehr unterschiedlicher Ausprägung: unverbindliche Voranfragen, Standortanfragen, vollständige Anträge. Zwei private Betreiber habe der Landkreis bis jetzt beauftragt, einer davon habe sein Angebot bereits aufgenommen.
Außerdem seien die Apotheken in Bayern flächendeckend beauftragt, nach vorheriger Anmeldung Schnelltests durchzuführen, genauso wie das bayerische Testzentrum diese anbietet. Die Apotheken seien auch nicht auf die eigenen Räumlichkeiten beschränkt, sondern könnten den Testbetrieb auch auf einen größeren Rahmen ausdehnen.
Eine Liste der bisherigen Schnelltest-Stationen im Bodenseekreis und Lindau gibt es unter www.schwäbische.de/schnelltestliste