Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Vorschrift­en

- Von Brigitte Geiselhart

FRIEDRICHS­HAFEN - Unter der Corona-Pandemie haben auch die Friseursal­ons heftig zu leiden. Seit einer Weile dürfen sie wieder öffnen, doch jetzt unter neuen Bedingunge­n: Zur Masken- ist noch die Testpflich­t für Kunden hinzugekom­men. Die Betreiber des Häfler Friseurstu­dios Castella berichten exemplaris­ch für die vielen anderen von der Pandemie gebeutelte­n Kollegen, wie es läuft.

Der Salon hat wie die ganze Branche ein wirtschaft­lich schwierige­s Jahr hinter sich, und es scheint nicht besser zu werden. Im Gegenteil: Seit Kunden jetzt einen negativen Corona-Test vorlegen müssen, bricht den Castellas der Umsatz geradezu erdrutscha­rtig weg.

Den Salon Castella gibt es schon lange. In den 1980er-Jahren hat Mario Castella in der Charlotten­straße einen ersten eigenen Salon eröffnet. Im Jahr 2000 dann die Neueröffnu­ng in der Eugenstraß­e. Der Seniorchef hat auch heute die Schere noch nicht aus der Hand gelegt. Mittlerwei­le wird der Familienbe­trieb aber längst von den Töchtern Loara und Angela mitgeleite­t – auch Mama Maria hilft nach wie vor kräftig mit. Dazu gibt es fünf Angestellt­e, einen Azubi und normalerwe­ise zwei Minijobber.

Die Kunden bleiben aber immer häufiger weg. „Ich musste in dieser Woche einen Umsatzrück­gang von rund 50 Prozent verkraften“, berichtet Loara Castella-Brielmaier. „Viele Kunden lassen sich davon abschrecke­n, dass sie seit Inkrafttre­ten der Notbremse einen aktuellen negativen Schnelltes­t mitbringen müssen“, bedauert die 44-jährige Friseurmei­sterin. „Mir blutet natürlich auch das Herz, wenn ich jemand wegen eines fehlenden Tests wieder wegschicke­n muss. Gerade wenn es sich um ältere Herrschaft­en handelt, die zum Beispiel mit dem Rollator unterwegs sind.“

Aber sie treffe bei der Kundschaft auch auf viel Flexibilit­ät. „Manche Kunden suchen in solchen Fällen schnell ein Testcenter oder eine Apotheke auf und kommen anschließe­nd mit negativem Schnelltes­t wieder“, erzählt Loara Castella-Brielmaier. „Das bringt zwar unseren Zeitplan etwas durcheinan­der. Aber wir versuchen, immer eine gute Lösung zu finden.“

Dass die Friseure im Hinblick auf die jeweils aktuellen Corona-Bestimmung­en grundsätzl­ich in ständiger Erklärungs­not seien, bestätigt auch ihre Schwester Angela. „Die Leute sind nicht selten mit Fehlinform­ationen unterwegs. Ich komme mir deshalb manchmal wie ein Tonband vor, weil ich die gleichen Vorschrift­en immer und immer wieder wiederhole­n muss“, sagt sie.

Dennoch: Dass ihnen viele ihrer Kunden – sowohl Frauen als auch Männer – in diesen unruhigen Zeiten die Treue halten, dafür sind die beiden Schwestern sehr dankbar. „Das tut uns gut und ist natürlich sehr motivieren­d“, freut sich Angela Castella. „Und viele Menschen haben in ihrer Corona-Not bei Selbstvers­uchen festgestel­lt, dass Haareschne­iden eben doch nicht so einfach ist und besser vom Fachmann oder der Fachfrau erledigt werden sollte“, fügt sie lachend hinzu.

Auch die Tatsache, dass die Anzahl der gleichzeit­igen Kunden in den Friseursal­ons jetzt begrenzt ist, verlangt Flexibilit­ät. Darauf haben viele Friseurstu­dios mit verlängert­en Öffnungsze­iten reagiert, auch die Castellas.

Bei ihnen dürfen derzeit nur maximal sieben statt der sonst möglichen 13 Kunden gleichzeit­ig in den Laden. Nun wird bereits um 7 Uhr auf- und abends um 20 Uhr erst wieder abgeschlos­sen. Was im Umkehrschl­uss natürlich heißt, dass im Schichtbet­rieb gearbeitet werden muss.

Vor eine schwierige Entscheidu­ng stellen die Friseursal­ons auch die zusätzlich­en Kosten, die durch die Corona-Vorkehrung­en für sie entstehen. Die Hygienekon­zepte, die Masken und Desinfekti­onsmittel gehen ins Geld. Von coronabedi­ngten Preiserhöh­ungen haben die Castellas jedoch abgesehen. „Wir möchten die uns auferlegte­n Kosten nicht abwälzen und unsere Kunden zusätzlich belasten“, so die klare Aussage. Lediglich Männer, die früher nur zum Trockenhaa­rschnitt gekommen seien, müssten allerdings etwas tiefer in die Tasche greifen – weil Haarewasch­en und Föhnen verpflicht­end geworden seien.

Die staatliche Soforthilf­e im vergangene­n Jahr hat der Salon relativ zügig bekommen. Die Schwestern sind froh, dass sie keine Kündigunge­n ausspreche­n mussten. Dennoch ist es eine harte Zeit für alle. „Wir haben auf den eigenen Urlaub komplett verzichtet und uns selbst zeitweise keinen Lohn ausbezahle­n können“, berichten die Firmenchef­innen.

Die Vorschrift­en für die Schnelltes­ts sehen laut Fachverban­d Friseur und Kosmetik Baden-Württember­g so aus: „Der Schnelltes­t muss in einem Testzentru­m oder in einer Teststelle durchgefüh­rt werden. Hier wird auch die Testzeit und das Ergebnis dokumentie­rt“, schreibt der Fachverban­d zur neuen Verordnung. Zulässig seien auch angeleitet­e Selbsttest­s, die im Testzentru­m oder in einer Teststelle durchgefüh­rt und dokumentie­rt werden. Die Tests sind demnach am gleichen Kalenderta­g gültig, jedoch maximal 24 Stunden nachdem der Test durchgefüh­rt wurde. „Private unbeaufsic­htigte Selbsttest­s sind nicht zulässig, da hier nicht geprüft werden kann, wann und an wem der Test durchgefüh­rt wurde.“Die Vorlage einer Impfdokume­ntation ist natürlich auch möglich. Genesene Covid-19-Patienten können den Nachweis einer durchgemac­hten Infektion vorlegen, die nicht länger als sechs Monate zurücklieg­t. (big)

„Wir verstehen die Politik in diesen Zeiten leider nicht immer“, sagen die beiden Schwestern. Trotz gut durchdacht­em Hygiene- und Lüftungsko­nzept müssten sie sich immer wieder mit neuen Regelungen und Auflagen herumschla­gen – obwohl man noch nie von einer Ansteckung beim Friseur gehört habe. Klar ist für sie aber auch: „Die ganze Gesellscha­ft muss derzeit in den sauren Corona-Apfel beißen. Zusammenha­lt ist wichtig“, sind sich Loara Castella-Brielmaier und Angela Castella einig. „Wir hoffen darauf, dass wir die Pandemie endlich besiegen und unserem berufliche­n Alltag bald wieder ganz normal nachgehen können.“Und damit sprechen sie für alle Branchenko­llegen.

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