Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Begründung­en wären wichtig

- Von Guido Bohsem politik@schwaebisc­he.de

Was ist gerecht? Das ist eine ewige Frage, die in den Corona-Monaten besonders aktuell ist. Die Krise fordert unser Fairness-Empfinden, und zwar von Anfang an. Grob gesprochen sind zwei Ansätze im Kampf gegen das Virus möglich: Entweder geht es darum, als Gesellscha­ft möglichst gut mit Corona auszukomme­n, oder aber es könnte unser Ziel sein, so viele Menschen wie möglich vor dem Tod durch die Seuche zu retten.

Die Entscheidu­ng ist leider ohne ausdrückli­che Erklärung gefallen. Bund und Länder haben sich für den ersten Ansatz entschiede­n. Ginge es alleine darum, möglichst viele Leben zu retten, wäre der Umgang mit Corona deutlich einfacher: Man müsste das Land einfach nur jedes Mal dichtmache­n, wenn die Infektions­zahlen nach oben gehen, und zwar vollständi­g und ohne Rücksicht auf wirtschaft­liche Interessen oder auf die Kosten, die nicht nur die aktuelle, sondern auch kommende Generation­en dadurch tragen müssen.

Weil sich die Politik bei anfangs hoher Zustimmung anders entschiede­n hat, entstehen neue Ungerechti­gkeiten, sind bestimmte Berufsgrup­pen härter von den Einschränk­ungen getroffen als andere, konzentrie­rt sich die Kontaktred­uzierung auf den privaten Bereich und lässt die Wirtschaft außen vor. Obwohl es klar ist, dass es zu Ansteckung­en auch in Betrieben und in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln kommt. Auch wenn es keiner ausdrückli­ch sagt, es geht immer um eine Interessen­sabwägung zwischen Opfern der Pandemie und Wirtschaft­sinteresse­n. Letztere dienen ja nicht nur der Wirtschaft und den Bossen, sondern sie dienen zudem jedem Beschäftig­ten im Land und auch unseren Kindern, die so auf eine einigermaß­en gesicherte ökonomisch­e Zukunft blicken können.

Es überwiegt die Überzeugun­g, dass die Begleitsch­äden zu groß wären, würde man es anders machen. Gerecht kann ein solches Vorgehen nie sein. Am Ende kommt es darauf an, diese Ungerechti­gkeiten anzusprech­en und zu begründen. Das macht es einfacher, die manchmal auch nur so empfundene Benachteil­igung zu ertragen.

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