Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Streit um die Verwendung von EU-Zuschüssen

Finanzmini­ster Scholz und sein französisc­her Kollege Le Maire feiern sich – Harsche Kritik der Grünen

- Von Ellen Hasenkamp

BERLIN - An großen Worten ließ es Olaf Scholz nicht fehlen: Von einem „neuen Kapitel in der Geschichte Europas“, sprach der Bundesfina­nzminister. Er tat es auf Englisch und in digitalem Beisein seines französisc­hen Kollegen Bruno Le Maire. An der Symbolkraf­t dieses Formats – „der deutsch-französisc­he Motor läuft“– ließ der SPD-Kanzlerkan­didat dabei eben so wenig Zweifel aufkommen wie daran, dass die Urhebersch­aft dieses historisch­en Kapitels ihm und seinem „lieben Freund Bruno“gebührt. Es ging um die nationale Umsetzung des im vergangene­n Jahr beschlosse­nen Wiederaufb­aupakets der EU in Höhe von insgesamt 750 Milliarden Euro zur Bekämpfung der Corona-Folgen.

Aus dem Topf bekommen die Mitgliedsl­änder aber nur Geld, wenn sie mit der EU-Kommission abgestimmt­e Ausgabenpl­äne vorlegen. Zwei wichtige Vorgaben dabei: 37 Prozent müssen dem Klimaschut­z dienen und 20 Prozent der Digitalisi­erung. Deutschlan­d und Frankreich haben ihre Pläne nun gemeinsam präsentier­t. Nach Angaben von Scholz sollen die Zuschüsse für Deutschlan­d in Höhe von netto fast 26 Milliarden Euro sogar zu 90 Prozent Klima und Digitalisi­erung helfen, beispielsw­eise in Sachen Wasserstof­f-Forschung, Mobilität und Bildungssy­stem. Scholz sprach von einer „starken europäisch­en Antwort auf diese Krise“, Le Maire bekräftigt­e, Europa werde „stärker als zuvor“sein.

Die Grünen sehen das alles allerdings ganz anders, ihre Europapoli­tikerin Franziska Brantner urteilt: „Mit dem deutschen Aufbauplan macht die Bundesregi­erung aus dem großen Wurf des Wiederaufb­aufonds ein ambitionsl­oses Stückwerk.“Hauptkriti­kpunkt von Brantner, der Spitzenkan­didatin der Grünen in Baden-Württember­g für die Bundestags­wahl, ist, dass Deutschlan­d das EU-Geld nicht wie eigentlich vorgesehen als zusätzlich­en Konjunktur­impuls verwendet, sondern zum ganz überwiegen­den Teil für in Scholz’ deutschem Konjunktur­paket ohnehin geplante Projekte. „Alter Wein in neuen Schläuchen“, finden die Grünen. Sie beklagen zudem, dass der Bundestag außen vor gelassen werde.

Beschwert hatte sich auch der Bundesrat, dass die Länder nicht ausreichen­d eingebunde­n würden. Brantners grüner Kollege aus dem EU-Parlament, Sven Giegold, weist zudem darauf hin, dass die nationalen Ausgabenpl­äne eigentlich auch die länderspez­ifischen Empfehlung­en der EU-Kommission berücksich­tigen sollten, die für Deutschlan­d zum Beispiel lauten, den Faktor Arbeit zu entlasten und für Frankreich, das Rentensyst­em zu reformiere­n. Ausgerechn­et die beiden Länder ignorierte­n aber die Vorgaben. „Dass wir eine Rentenrefo­rm brauchen, wissen wir selber“, sagte Le Maire dazu. Aber jetzt gehe es um Corona.

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FOTO: THOMAS KOEHLER/IMAGO IMAGES Verteilt EU-Gelder: Finanzmini­ster Olaf Scholz am Dienstag in Berlin.

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