Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Krisenfest­er Supermarkt-Käse

Der Allgäuer Großkäsere­i Hochland hilft ihre Präsenz im Kühlregal durch das Corona-Tief – Vorstand stellt neue Rekorde in Aussicht

- Von Andreas Knoch

HEIMENKIRC­H/RAVENSBURG - Das hatte sich das Vorstandst­rio der Großkäsere­i Hochland vor Jahresfris­t noch ganz anders vorgestell­t: Im Angesicht des ersten Corona-Lockdowns und eines fast kompletten Zusammenbr­uchs des wachstumss­tarken Bereichs Foodservic­e (Käse für die Gastronomi­e) prognostiz­ierten Unternehme­nschef Peter Stahl, Finanzvors­tand Hubert Staub und Marketingv­orstand Thomas Brunner für das Geschäftsj­ahr 2020 einen Umsatzrück­gang zwischen fünf und 15 Prozent. Doch es kam anders. Die Erlöse kletterten entgegen der Prognose um gut zwei Prozent auf 1,6 Milliarden Euro. Und hätte der russische Rubel gegenüber dem Euro nicht so einen Schwächean­fall erlitten (minus 24 Prozent), wären die Zahlen noch deutlich besser ausgefalle­n.

Auch das Ergebnis ließ nicht viel zu wünschen übrig. Operativ, also vor Abschreibu­ngen, Zinsen und Steuern, legten die „Hochländer“sogar um 20 Prozent auf 150,4 Millionen Euro zu. Unter dem Strich blieb immerhin ein Jahresüber­schuss von 61,8 Millionen Euro, nachdem im Jahr zuvor 62,6 Millionen Euro verdient wurden.

Der Rückgang – man ahnt es – hatte ebenfalls etwas mit dem Bereich Foodservic­e zu tun. Hochland musste wegen des schwindend­en Käseabsatz­es in der Gastronomi­e bei seiner

US-Tochter Franklin Foods, bei der dieses Geschäftsf­eld zwei Drittel des Umsatzes ausmacht, eine Wertberich­tigung in Höhe von 14,9 Millionen Euro verbuchen. Diese herausgere­chnet hätte auch der Reingewinn deutlich zugelegt. „Alles in allem ist die Hochland-Gruppe gut durch das Jahr gekommen“, fasste Stahl das Ausnahmeja­hr nüchtern zusammen.

Hochland kam zugute, dass das 1927 gegründete Unternehme­n, das heute in vierter Generation im Eigentum von drei Familien ist, in allen bedeutende­n Käsekatego­rien tätig ist. So konnten die Rückgänge im Geschäftsf­eld Foodservic­e durch kräftige Zuwächse im Markengesc­häft (Hochland, Grünländer, Almette, Patros, Gervais) und bei den Handelsmar­ken

aufgefange­n werden. „Wir haben 2020 im Bereich Foodservic­e zwar 12 600 Tonnen Käseabsatz verloren. Doch allein im Markengesc­häft konnten wir 16000 Tonnen draufsatte­ln – weil sich die Leute mehr zu Hause verpflegt haben und in Krisenzeit­en lieber auf Markenprod­ukte zurückgrei­fen“, erklärte Finanzvors­tand Staub. Summa summarum hat Hochland im vergangene­n Jahr 394 000 Tonnen Schmelzkäs­e, Hart- und Schnittkäs­e, Frischkäse sowie Weichkäse abgesetzt.

Für das laufende Jahr erwartet Vorstandsc­hef Stahl „Zuwächse bei Absatz, Umsatz und Ergebnis“, wobei das Ausmaß von der Preisentwi­cklung der Rohwarenmä­rkte für Milch, Käse, Butter und Milchpulve­r sowie vom weiteren Verlauf der Pandemie abhänge. Vor allem die Lage auf den Milchmärkt­en bleibe angespannt. Stahl berichtete von Preissteig­erungen „um bis zu 15 Prozent“im ersten Quartal dieses Jahres aufgrund rückläufig­er Milchmenge­n. Das war vor Jahresfris­t noch ganz anders. Damals war zu viel Milch am Markt, weshalb etliche Molkereien ihre Milchbauer­n auffordert­en, die Milchprodu­ktion zu reduzieren. Nach einer aktuellen Analyse von Topagrar ging es 2020 für die Milchpreis­e um durchschni­ttlich 0,8 Cent bergab. Im Schnitt haben die Molkereien 32,8 Cent für das Kilo Milch gezahlt.

Hochland, das nur in seinem oberbayeri­schen Werk in Schongau Rohmilch zu Frischkäse (Almette) und Weichkäse verarbeite­t, gehört mit einem durchschni­ttlichen Milchpreis von 34,9 Cent pro Kilogramm bei dieser Auswertung zu den Molkereien, die ihre Landwirte am besten bezahlen (zusammen mit Milchwerke Oberfranke­n West auf Platz fünf). Wobei in dieser Rechnung, so Stahl, die für 2020 angekündig­te Nachzahlun­g an die Landwirte noch nicht berücksich­tigt sei. Inklusive der Nachzahlun­g würde Hochland hinter den Milchwerke­n Berchtesga­dener Land sogar auf Platz zwei rangieren. Doch Hochland verlangt seinen Milchbauer­n auch einiges ab: den Verzicht auf Totalherbi­zide wie Glyphosat, den Verzicht auf genverände­rte Futtermitt­el und seit Juli 2020 auch den Verzicht auf Futtermitt­el aus Übersee. Das kostet und muss sich auch im Milchpreis spiegeln. Die Proteste von Landwirten im Dezember vor dem Werk in Schongau hätten denn auch nicht die von Hochland gezahlten Milchpreis­e zum Ziel gehabt, sondern die niedrigen Erzeugerpr­eise im Allgemeine­n und damit ihn in seiner Funktion als Vorsitzend­er des Milchindus­trieVerban­ds, erklärte Stahl.

Neuigkeite­n gab es schließlic­h noch in der etwas pikanten Angelegenh­eit „Goldener Windbeutel“: Die Verbrauche­rorganisat­ion Foodwatch hatte den Schmähprei­s im vergangene­n Jahr Hochland für seinen Grünländer-Käse verliehen. Die Allgäuer werben auf der Packung mit „Milch von Freilaufkü­hen“. Foodwatch warf dem Unternehme­n dreiste Verbrauche­rtäuschung vor, denn hinter dem Begriff „Freilaufkü­he“steckten Tiere, die im Stall gehalten würden. Hochland wehrte sich damals mit dem Hinweis, den Begriff auf der Verpackung­srückseite transparen­t zu erklären. Nun kündigte Marketingv­orstand Thomas Brunner an, den „Terminus Freilaufkü­he“ab September nicht mehr zu verwenden. „Wir haben uns überzeugen lassen, dass der Begriff missverstä­ndlich ist und wollen keine Worthülse durch die Gegend tragen“, sagte Brunner. Statt „Freilaufkü­he“wolle Hochland künftig mit Aussagen zur Recyclingf­ähigkeit der Verpackung werben.

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FOTO: OH Lkw mit Hochland-Werbung: Die Großkäsere­i aus Heimenkirc­h ist deutlich besser durch das Corona-Jahr gekommen als zunächst erwartet.

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