Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Der Bund entdeckt den Radverkehr

Ziel ist ein lückenlose­s Wegenetz in Stadt und Fläche – Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer will „Deutschlan­d zum Fahrradlan­d machen“

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Breite Radwege, Schnellstr­ecken für Pendler auf dem Zweirad oder Parkhäuser für das Rad soll es bald bundesweit geben. Dafür nimmt der Bund in diesem Jahrzehnt viel Geld für Förderprog­ramme in die Hand. Das sieht der Nationale Radverkehr­splan vor, den Verkehrsmi­nister Andreas Scheuer (CSU) nun bei einem Kongress konkretisi­ert hat. „Wir wollen Deutschlan­d zum Fahrradlan­d machen“, versichert der Minister. 40 Prozent der Bürger wollten mehr Fahrrad fahren. Dafür werde die Infrastruk­tur angepasst.

Ob und wie das Vorhaben gelingen kann, hängt maßgeblich von der Initiative der Kommunen ab. Viele Städte und Gemeinden scheitern bisher bei einer schnellen Verbesseru­ng des Radverkehr­s am Geld. Das soll sich nun ändern. „Es ist so viel da wie nie zuvor“, verspricht Scheuer. Zusammen mit den Fördermitt­eln von Ländern und Kommunen sollen die Pro-Kopf-Ausgaben für den Radverkehr auf 30 Euro pro Jahr steigen. Zum Vergleich: Kopenhagen als das Vorbild für eine fahrradfre­undliche Stadt lässt sich dies jährlich 40 Euro pro Einwohner kosten. Und doch sind die Kommunen hocherfreu­t über die Bundeshilf­e. „Es kommt darauf an, die Kommunen klimafreun­dlich umzubauen“, sagt der Chef des Deutschen Städte- und Gemeindebu­ndes, Gerd Landsberg, „der Radverkehr kann dabei ein Treiber sein.“Auch der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) sieht die Chance auf fahrradger­echte Städte gekommen. „Erstmalig finanziert der Bund auch kommunale Radinfrast­ruktur“, stellt ADFC-Vorstand Ludger Koopman fest.

Kritik kommt von den Grünen. Scheuer sei weiter ein Autominist­er, sagt der verkehrspo­litische Sprecher Stefan Gelbhaar, „deshalb verwundert es wenig, dass er sich vehement gegen konsequent­e Fahrverbot­e für Raser einsetzt“. Gelbhaar fordert Tempo 30 als Regelgesch­windigkeit innerorts. Außerdem brauche es Sicherheit­szonen gegen Abbiegeunf­älle und mehr Platz für Radfahrer.

Beides ist allerdings auch Bestandtei­l des Radwegepla­ns. Scheuer überlässt die Ausgestalt­ung der einzelnen Infrastruk­turmaßnahm­en den Kommunen. Dazu gehört zum Beispiel die Kennzeichn­ung temporärer „Pop-up“-Radwege. Auch bei der Einrichtun­g von Tempo-30-Zonen habe man inzwischen mehr Spielräume. „Wir haben viele Möglichkei­ten

zu experiment­ieren“, sagt der Minister. Am Ende sollen die Menschen häufiger im Sattel sitzen. 120 Wege auf dem Rad zählten die Statistike­r durchschni­ttlich 2017, 180 sollen es bis 2030 werden.

Der Radverkehr­splan entstand aus einem Bürgerforu­m. Rund 2000 Ideen wurden berücksich­tigt. Das große Ziel: Es soll am Ende weder in den Städten noch im ländlichen Raum Lücken im Radnetz geben. Schon jetzt stößt die Förderung des Bundes auf große Nachfrage. Seit Jahresbegi­nn wurden Fördermitt­el für rund 150 Kilometer Radwege und fast 1800 Stellplätz­e beantragt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany