Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Kommunikat­ion über Angstmache funktionie­rt nicht“

Der Aulendorfe­r Schauspiel­er Bernd Gnann steht weiterhin zu #allesdicht­machen

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RAVENSBURG - Von den einen gefeiert, von anderen verurteilt: Die Aktion #allesdicht­machen, mit der rund 50 Schauspiel­erinnen und Schauspiel­er, Politik und Medien in der Corona-Krise kritisiert­en, polarisier­t. Bernd Gnann, Fernseh- und Theatersch­auspieler, gebürtig aus dem oberschwäb­ischen Aulendorf, ist einer der 50. Im Interview mit Stefan Fuchs erklärt er, warum er teilgenomm­en hat und wie er mit den Reaktionen umgeht.

Herr Gnann, Sie sind einer von 50 Prominente­n, die an der Aktion #allesdicht­machen teilgenomm­en haben. Wie kamen Sie dazu?

Wie viele andere der Beteiligte­n bin ich „Tatort“-Mensch. Ich habe selbst in einigen Folgen mitgespiel­t, und viele der „Kommissare“sind Freunde von mir. Auch Mitinitiat­or Dietrich Brüggemann kenne ich persönlich. Als die Videos online gingen, habe ich das gemeinsam mit den Stuttgarte­r „Tatort“-Darsteller­n Richy Müller und Felix Klare verfolgt. Wir kannten die Videos der anderen Beteiligte­n nicht und waren selbst gespannt.

Seit diesem Zeitpunkt haben die Videos für jede Menge Aufmerksam­keit, positive wie negative, gesorgt. Haben Sie mit dieser Resonanz gerechnet und wie gehen Sie mit der Kritik um?

Überhaupt nicht. Ich hätte niemals erwartet, dass die Aktion so einschlägt. Als Schauspiel­er habe ich gelernt, mit Kritik umzugehen. Solange sie normal und sachlich bleibt, höre ich gerne zu und weiß sie zu schätzen. Vieles kann ich auch nachvollzi­ehen. Dass es jetzt aber anonyme Hassmails gibt und wohl auch Morddrohun­gen, geht gar nicht. Ich hoffe sehr, dass die Urheber in diesen Fällen angezeigt werden. Ich habe aber auch über 1600 E-Mails von Menschen bekommen, die hinter mir stehen. Das sind für mich ernst zu nehmende Reaktionen.

Es gab aber auch sachliche Kritik. Menschen, die zum Beispiel Angehörige verloren haben oder selbst erkrankt waren, fühlten sich verletzt. Stehen Sie weiter zur Aktion und zu Ihrem Video?

Ich kann nur für mich selbst sprechen. Ich stehe weiter hinter meiner Teilnahme, meinem Video und zu differenzi­erter Meinungsäu­ßerung. Ich wollte aber auch niemanden verletzen und ich weiß, dass Menschen in der Krise furchtbar leiden mussten, was mir für sie unheimlich leidtut. Dass manche der Videos Menschen verletzt haben, kann ich im Nachhinein nachvollzi­ehen. Auch Schauspiel­er machen mal etwas falsch. Dann muss man aber auch zugestehen, dass sich jemand wie Richy Müller hinterher entschuldi­gt und die Entschuldi­gung akzeptiere­n.

Manche Kritiker haben Sie in die Nähe der „Querdenker“-Bewegung gerückt. In der Szene wurde die Aktion tatsächlic­h gefeiert. War das so geplant?

Wir bestätigen nicht die „Querdenker“,

aber die fühlen sich doch immer bestätigt. Ich sage: Tragt Masken, haltet Abstand und lasst euch impfen. Unbedingt! Ich leugne kein Virus und keine Pandemie. Sollten wir in die Ecke der AfD oder irgendeine andere rechte Ecke gedrängt werden, so ist das unangebrac­ht. Nur weil diese Menschen uns gut finden, müssen nicht wir Künstler diese Extremiste­n gut finden. Darum geht es uns nicht. Uns geht’s um die Fehler der Politik.

In Ihrem Video haben Sie mit den Begriffen „Angst“und „Schiss“und mit Stilmittel­n wie Sarkasmus gearbeitet. Wie lautet Ihre Botschaft ganz ohne Ironie oder Sarkasmus?

Wenn ich mit meinen Kindern so umgehen würde, wie derzeit mit der Gesellscha­ft umgegangen wird, würden sie krank werden. Wenn einem Kind gesagt wird: „Du darfst nicht zu deinen Großeltern, weil sie das umbringen könnte“, ist das für mich Angstmache. Sagt den Menschen doch einfach: „Bleibt zu Hause, besucht eure Angehörige­n erst einmal nicht.“Das würde reichen. Die Kommunikat­ion über Angstmache funktionie­rt nicht, das muss auch sachlich gehen.

Dazu kommen falsche Verspreche­n zur Impfgeschw­indigkeit, Maskendeal­s und Ähnliches. Pflegerinn­en und Pfleger werden mit 1500 Euro Corona-Bonus abgespeist, wo sie doch mindestens 5000 Euro brauchen würden. Das ist für mich wirklich Sarkasmus. Aerosolfor­scher sagen, dass man sich draußen nicht ansteckt, und wir reagieren mit Ausgangssp­erren. Das ist falsch. Die Politik macht Fehler, und das ist auch okay. Aber wir müssen darauf hinweisen dürfen.

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FOTO: CHRISTOPH GOECKEL Bernd Gnann distanzier­t sich von „Querdenker­n“.

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