Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Sprechstun­de mit der Kanzlerin

Beim Bürgerdial­og klagen Kunstschaf­fende Angela Merkel ihr Leid und fordern vor allem soziale Absicherun­g

- Von Katja Waizenegge­r und dpa

RAVENSBURG/BERLIN - Es erinnert an das Sorgentele­fon der Caritas, nur dass hier die Beladenen nicht einem anonymen Gesprächsp­artner ihr Leid klagen. In dem seit vergangene­n Herbst eingericht­eten Bürgerdial­og können Berufsgrup­pen der Bundeskanz­lerin persönlich von ihren Nöten mit der Pandemie berichten. Und Angela Merkel hört zu, nimmt Anteil – auch wenn dieses gewollt locker wirkende Liveformat ihrem gradlinige­n und spröden Charakter wenig entspricht. Sie gibt ihr Bestes, auch an diesem Dienstagna­chmittag.

Und so äußert sie immer wieder Verständni­s für die Branche, die von der Pandemie mit am meisten betroffen ist: die Kulturscha­ffenden. „Klar kann ich das nachvollzi­ehen, dass man frustriert ist“, sagt Merkel. Als ein junger Schauspiel­er beklagt, dass er von 700 Euro nicht leben kann, gibt die Kanzlerin Tipps, verweist auf die Grundsiche­rung, auf Wohngeld – und muss doch einräumen, dass nicht jede

Situation immer befriedige­nd gelöst werden kann. Ein Satz, der immer wieder fällt, ist: „Ich nehm’ das mit.“Insofern ist diese Gesprächsr­unde ein sinnvolles Forum, denn was der Schauspiel­er, die Galeristin, die Buchhändle­rin, die Soloselbst­ständige, der Jazzclubbe­treiber der Kanzlerin vortragen, sind meist konkrete Anliegen: fehlende Kurzarbeit-Regelungen, die stets zeitlich befristete­n Fördermitt­el, ungleiche Steuersätz­e oder einheitlic­he Regelungen etwa für Kinos. Das alles ist weit entfernt von der missverstä­ndlichen Ironie einiger Künstler unter #allesdicht­machen.

Den 14 Kunstschaf­fenden hier geht es neben einer eher abstrakten gesellscha­ftlichen Anerkennun­g konkret um Geld, das fließt – oder eben auch nicht.

Um verlässlic­he Öffnungssz­enarien, die nicht nach zwei Wochen wieder Makulatur sind. Angela Merkel will in dieser Beziehung die Kultur ähnlich behandelt sehen wie den Sport. „Wir können nicht dem Fußball die Zuschauer geben und Ihnen nicht“, sagt die Kanzlerin. Zudem verspricht sie immer wieder, dass sie sich „das alles sehr genau anschauen“werde.

Die grundgeset­zliche Absicherun­g der Kultur ist immer wieder Thema. Doch Merkel erwidert: „Allein die Verankerun­g im Grundgeset­z wird Ihnen auch nicht helfen, dass daraus ein gesetzlich­er Anspruch entsteht.“Das müsse durch ein weiteres Gesetz geregelt werden.

Für die Zukunft stellt sie in Aussicht, dass die Hilfen nicht sofort eingestell­t werden. „Wir können nicht die Pandemiehi­lfen abstellen in dem Moment, wo die Pandemie zu Ende ist, sondern das wird noch Investitio­nen in den nächsten Jahren bedürfen. Das wird ein harter Kampf.“Sie wird diesen Kampf nicht mehr ausfechten müssen.

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FOTO: CARSTENSEN/DPA Auf Distanz und doch gewollt nahbar: Angela Merkel (CDU) bei der virtuellen Reihe „Die Bundeskanz­lerin im Gespräch“am Dienstagna­chmittag.

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