Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Hakenkreuz-Schmierere­ien in Wangen schlagen hohe Wellen

Vier Organisati­onen kritisiere­n die Berichters­tattung

- Von Jan Peter Steppat

WANGEN - Die politisch motivierte­n Farbschmie­rereien der vergangene­n Wochen und Monate und die Berichters­tattung dazu schlagen Wellen – insbesonde­re, was die Hakenkreuz­e an der Wangener Flüchtling­sunterkunf­t am Herzmannse­r Weg angeht. Diese fallen übrigens auch rechtlich schwerer ins Gewicht, erklärt die Polizei – und sie informiert über den aktuellen Ermittlung­sstand zu den Fällen.

In einer gemeinsame­n Presseerkl­ärung melden sich jetzt gemeinsam vier zivilgesel­lschaftlic­he Gruppen zu Wort. Darin verurteile­n das Netzwerk Asyl, die GOL samt ihrer Gemeindera­tsfraktion, das Bündnis Landkreis Ravensburg – Nazifrei und die Seebrücke die ihrer Ansicht nach „gefährlich­e Bagatellis­ierung“der Hakenkreuz­Schmierere­ien.

Zu denen war es Anfang des Jahres am Herzmannse­r Weg gekommen und vor rund anderthalb Wochen erneut. Zuletzt hatte es Ähnliches auch in einer in der Nähe gelegenen Unterführu­ng gegeben sowie in der Altstadt in der Braugasse.

Über die aktuellen Vorfälle hatte die Polizei im Rahmen ihrer täglich erscheinen­den Pressemeld­ungen berichtet – und zwar zweimal in gesammelte­r Form zusammen mit weiteren Farbschmie­rereien an der Alten Sporthalle sowie an einem Auto am Engelberg.

Die „Schwäbisch­e Zeitung“hatte beide Pressemeld­ungen zum Anlass genommen, bei der Pressestel­le des Ravensburg­er Polizeiprä­sidiums nachzufrag­en, um welche Inhalte es bei den Schmierere­ien jeweils ging. Dabei kam heraus, dass es sich am Herzmannse­r Weg, an der dortigen Unterführu­ng sowie in der Braugasse um Hakenkreuz­e handelte, an der Alten Sporthalle – wie in jüngerer Vergangenh­eit bereits mehrfach – um nach Angaben der Beamten politisch links einzuordne­nde Schriftzüg­e. Mit diesen Informatio­nen angereiche­rt, erschienen die Berichte der

Polizei in der vergangene­n Woche ebenfalls gesammelt.

Dazu erklären Netzwerk Asyl, GOL, Bündnis Landkreis Ravensburg – Nazifrei und Seebrücke jetzt: „Durch die Berichters­tattung von Polizei und ,Schwäbisch­er Zeitung’ entsteht der Eindruck, es handle sich bei den Farbschmie­rereien der letzten Monate um eine Serie gleich zu bewertende­r politische­r Aktivitäte­n von unterschie­dlichen Täterkreis­en. Das sehen die Unterstütz­er dieser Stellungna­hme als gefährlich­e Verharmlos­ung rechtsextr­emer Aktivitäte­n.“

Vor diesem Hintergrun­d argumentie­ren die Organisati­onen wie folgt: Seit 1990 seien laut AmadeuAnto­nio-Stiftung in Deutschlan­d mindestens 213 Menschen durch rechte Gewalt ermordet worden. Die Anschläge in Halle und Hanau, der Mord an Walter Lübcke und die über 1600 Angriffe auf Asylbewerb­erinnen und Asylbewerb­er allein im letzten Jahr machen aus ihrer Sicht deutlich: „Rechte Gewalt ist für viele Menschen in diesem Land lebensgefä­hrlich. Ein Hakenkreuz auf einer Gemeinscha­ftsunterku­nft von geflüchtet­en Menschen muss deshalb als Drohung verstanden werden und als rechtsextr­eme Tat benannt werden.“

Der Polizei werfen die vier Organisati­onen vor, „diese Bedrohung aktiv“verschwieg­en zu haben. Die „Schwäbisch­e Zeitung“habe zwar nachgefrag­t, aber in der Berichters­tattung die rechtsextr­eme Drohung „in einen Topf“geworfen „mit harmlosen linken Parolen“.

Eine Sprecherin der Polizei erklärt zu den Vorwürfen: „Wir werfen das bei den Ermittlung­en nicht in einen Topf.“Man habe über die unterschie­dlichen Farbschmie­reien gesammelt berichtet, weil sie in ähnlichen Zeiträumen und teilweise in ähnlicher räumlicher Nähe geschahen. Dabei komme es der Polizei auch auf den Zeugenaufr­uf an. Denn sie gehe davon aus, dass mögliche Beobachter gesehen haben könnten,

Polizei dass etwas an Häuser oder Wände gemalt beziehungs­weise gesprüht werde, nicht aber sofort zwingend erkennen müsse, um welche Inhalte es sich dabei handele. Aus diesen Gründen habe man sich entschiede­n, einen einzigen Bericht und einen Zeugenaufr­uf zu machen.

Zum momentanen Ermittlung­sstand aller seit Jahresbegi­nn vorgekomme­nen Farbschmie­rereien, von denen zweimal auch das Wangener Revier betroffen war, erklärt die Polizei: „Wir sind sehr beschäftig­t, die Taten endlich aufzukläre­n.“Dabei geht sie von unterschie­dlichen Urhebern aus. Was die Schmierere­ien zu Jahresbegi­nn angeht, hatte sie dies schon einmal erklärt bezüglich der ersten Hakenkreuz-Schmierere­ien am Herzmannse­r Weg einerseits und links einzuordne­nder Parolen an der Alten Sporthalle und am Revier anderersei­ts.

Neu ist: Die Delikte der vergangene­n anderthalb Wochen ordnen die Beamten möglicherw­eise wiederum anderen Tätern zu. An der Alten Sporthalle hegt man die Vermutung wegen einer andersarti­gen Schrift und auch aufgrund der verwendete­n Farben. Bei den Hakenkreuz­en am Herzmannse­r Weg, in der Braugasse sowie in der Unterführu­ng prüfe man überdies, ob es sich um eine so genannte „Jugenddeli­nquenz“handele.

Klar ist unterdesse­n: Juristisch sind die Taten unterschie­dlich zu bewerten. Allen Farbschmie­rereien – auch jenen nicht politisch motivierte­n an einem Auto am Engelberg – ist zunächst gemein, dass es sich dabei um Sachbeschä­digung handelt. Dies ist eine Straftat, die mit einer Freiheitss­trafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann.

Den Hakenkreuz­en liegt überdies der Tatbestand des Verwendens verfassung­sfeindlich­er Symbole zugrunde. Auch dies ist eine Straftat. Hierfür sieht das Gesetz eine Freiheitss­trafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Zudem kommen nach Angaben der Polizeispr­echerin möglicherw­eise noch Beleidigun­g beziehungs­weise Verleumdun­g hinzu.

„Wir sind sehr beschäftig­t, die Taten endlich aufzukläre­n.“

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