Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Hakenkreuz-Schmierereien in Wangen schlagen hohe Wellen
Vier Organisationen kritisieren die Berichterstattung
WANGEN - Die politisch motivierten Farbschmierereien der vergangenen Wochen und Monate und die Berichterstattung dazu schlagen Wellen – insbesondere, was die Hakenkreuze an der Wangener Flüchtlingsunterkunft am Herzmannser Weg angeht. Diese fallen übrigens auch rechtlich schwerer ins Gewicht, erklärt die Polizei – und sie informiert über den aktuellen Ermittlungsstand zu den Fällen.
In einer gemeinsamen Presseerklärung melden sich jetzt gemeinsam vier zivilgesellschaftliche Gruppen zu Wort. Darin verurteilen das Netzwerk Asyl, die GOL samt ihrer Gemeinderatsfraktion, das Bündnis Landkreis Ravensburg – Nazifrei und die Seebrücke die ihrer Ansicht nach „gefährliche Bagatellisierung“der HakenkreuzSchmierereien.
Zu denen war es Anfang des Jahres am Herzmannser Weg gekommen und vor rund anderthalb Wochen erneut. Zuletzt hatte es Ähnliches auch in einer in der Nähe gelegenen Unterführung gegeben sowie in der Altstadt in der Braugasse.
Über die aktuellen Vorfälle hatte die Polizei im Rahmen ihrer täglich erscheinenden Pressemeldungen berichtet – und zwar zweimal in gesammelter Form zusammen mit weiteren Farbschmierereien an der Alten Sporthalle sowie an einem Auto am Engelberg.
Die „Schwäbische Zeitung“hatte beide Pressemeldungen zum Anlass genommen, bei der Pressestelle des Ravensburger Polizeipräsidiums nachzufragen, um welche Inhalte es bei den Schmierereien jeweils ging. Dabei kam heraus, dass es sich am Herzmannser Weg, an der dortigen Unterführung sowie in der Braugasse um Hakenkreuze handelte, an der Alten Sporthalle – wie in jüngerer Vergangenheit bereits mehrfach – um nach Angaben der Beamten politisch links einzuordnende Schriftzüge. Mit diesen Informationen angereichert, erschienen die Berichte der
Polizei in der vergangenen Woche ebenfalls gesammelt.
Dazu erklären Netzwerk Asyl, GOL, Bündnis Landkreis Ravensburg – Nazifrei und Seebrücke jetzt: „Durch die Berichterstattung von Polizei und ,Schwäbischer Zeitung’ entsteht der Eindruck, es handle sich bei den Farbschmierereien der letzten Monate um eine Serie gleich zu bewertender politischer Aktivitäten von unterschiedlichen Täterkreisen. Das sehen die Unterstützer dieser Stellungnahme als gefährliche Verharmlosung rechtsextremer Aktivitäten.“
Vor diesem Hintergrund argumentieren die Organisationen wie folgt: Seit 1990 seien laut AmadeuAntonio-Stiftung in Deutschland mindestens 213 Menschen durch rechte Gewalt ermordet worden. Die Anschläge in Halle und Hanau, der Mord an Walter Lübcke und die über 1600 Angriffe auf Asylbewerberinnen und Asylbewerber allein im letzten Jahr machen aus ihrer Sicht deutlich: „Rechte Gewalt ist für viele Menschen in diesem Land lebensgefährlich. Ein Hakenkreuz auf einer Gemeinschaftsunterkunft von geflüchteten Menschen muss deshalb als Drohung verstanden werden und als rechtsextreme Tat benannt werden.“
Der Polizei werfen die vier Organisationen vor, „diese Bedrohung aktiv“verschwiegen zu haben. Die „Schwäbische Zeitung“habe zwar nachgefragt, aber in der Berichterstattung die rechtsextreme Drohung „in einen Topf“geworfen „mit harmlosen linken Parolen“.
Eine Sprecherin der Polizei erklärt zu den Vorwürfen: „Wir werfen das bei den Ermittlungen nicht in einen Topf.“Man habe über die unterschiedlichen Farbschmiereien gesammelt berichtet, weil sie in ähnlichen Zeiträumen und teilweise in ähnlicher räumlicher Nähe geschahen. Dabei komme es der Polizei auch auf den Zeugenaufruf an. Denn sie gehe davon aus, dass mögliche Beobachter gesehen haben könnten,
Polizei dass etwas an Häuser oder Wände gemalt beziehungsweise gesprüht werde, nicht aber sofort zwingend erkennen müsse, um welche Inhalte es sich dabei handele. Aus diesen Gründen habe man sich entschieden, einen einzigen Bericht und einen Zeugenaufruf zu machen.
Zum momentanen Ermittlungsstand aller seit Jahresbeginn vorgekommenen Farbschmierereien, von denen zweimal auch das Wangener Revier betroffen war, erklärt die Polizei: „Wir sind sehr beschäftigt, die Taten endlich aufzuklären.“Dabei geht sie von unterschiedlichen Urhebern aus. Was die Schmierereien zu Jahresbeginn angeht, hatte sie dies schon einmal erklärt bezüglich der ersten Hakenkreuz-Schmierereien am Herzmannser Weg einerseits und links einzuordnender Parolen an der Alten Sporthalle und am Revier andererseits.
Neu ist: Die Delikte der vergangenen anderthalb Wochen ordnen die Beamten möglicherweise wiederum anderen Tätern zu. An der Alten Sporthalle hegt man die Vermutung wegen einer andersartigen Schrift und auch aufgrund der verwendeten Farben. Bei den Hakenkreuzen am Herzmannser Weg, in der Braugasse sowie in der Unterführung prüfe man überdies, ob es sich um eine so genannte „Jugenddelinquenz“handele.
Klar ist unterdessen: Juristisch sind die Taten unterschiedlich zu bewerten. Allen Farbschmierereien – auch jenen nicht politisch motivierten an einem Auto am Engelberg – ist zunächst gemein, dass es sich dabei um Sachbeschädigung handelt. Dies ist eine Straftat, die mit einer Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden kann.
Den Hakenkreuzen liegt überdies der Tatbestand des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole zugrunde. Auch dies ist eine Straftat. Hierfür sieht das Gesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe vor. Zudem kommen nach Angaben der Polizeisprecherin möglicherweise noch Beleidigung beziehungsweise Verleumdung hinzu.
„Wir sind sehr beschäftigt, die Taten endlich aufzuklären.“