Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Alte Spinnerei in Wangen soll zu einem Erlebnis werden
Wie sich das älteste Erba-Gebäude bis zur Landesgartenschau verändert
WANGEN - Wohnungen, Gewerbe, Automobile und Event-Gastronomie: Mit dieser Mischung soll die alte Spinnerei auf dem Wangener Erba-Gelände wieder mit neuem Leben erfüllt werden – und zwar pünktlich zur Landesgartenschau 2024. Ihre Pläne für das 20-Millionen-EuroProjekt haben die Investoren jetzt erstmals öffentlich der SZ vorgestellt.
Die alte Spinnerei steht für den Beginn der Wangener Erba-Geschichte. Nun wird für das 1858 erbaute und lange leer stehende Gebäude ein neues Kapitel geschrieben. Es geht dabei um Wohnen und Arbeiten unter dem riesigen Satteldach, aber auch um Essen und Erleben sowie Veranstaltungen inmitten alter und besonderer Automobile und in der speziellen Atmosphäre eines Wangener Industriedenkmals. CoAutoren dieser neuen Geschichte sind Patrick Meier von der Bauprojektmanagement mbH in Lindau und Sebastian Storz von der Storz Immo GmbH aus Weingarten.
Das Erba-Areal im Blick haben Meier und Storz schon länger. 2018 bewarben sie sich für die Sanierung der Carderie, wo nächstes Jahr aber das Biotech-Unternehmen Candor einziehen wird. 2019 kam dann der Anruf von der Stadt, dass die Alte Spinnerei jetzt doch früher auf den Markt kommen soll. Ursprünglich habe man bei dem Gebäude bis nach der Landesgartenschau abwarten wollen, sagt Wangens OB Michael Lang. „Doch der kritische Zustand des Dachs hat uns gedrückt, wir haben da nicht mehr länger warten können.“
Und so kam es, dass Patrick Meier und Sebastian Storz zusammen mit dem Architekten Harald Bader vom Wangener Büro Wassung Bader ihr ursprüngliches Carderie-Konzept mit einem Automobil- und Gastronomie-Mix – vergleichbar der Eilguthalle am Lindauer Hafen – nun auf die alte Spinnerei übertragen und erweitert haben.
Im Fokus der Öffentlichkeit werden dabei die beiden unteren Stockwerke stehen. So sollen im teilweise von oben einsehbaren Untergeschoss die Liebhaber alter und besonderer Automobile ihre Schmuckstücke unterstellen und präsentieren können. Unten soll es auch eine Waschanlage für die Oldtimer geben, die mit einem eingebauten Autoaufzug hoch gebracht werden können.
Gepflegt, repariert und verkauft werden sollen die Liebhaber-Stücke über eine ebenfalls in der alten Spinnerei beheimatete Werkstatt. Die könnte auch im Erdgeschoss untergebracht sein, wo weitere Old- und Youngtimer präsentiert werden. Bindeglied zu dieser Ausstellungsfläche soll eine Eventgastronomie samt Biergarten an der südwestlichen Stirnseite des Gebäudes sein. Die dort geplanten Veranstaltungen werden dann auch von der Optik der historischen Automobile eingerahmt. Die Investoren sprechen von einer „hohen Aufenthaltsqualität, wo man gerne länger sitzt“.
Eine Konkurrenz zur benachbarten, in der neuen Spinnerei geplanten Gastronomie sieht OB Lang dabei nicht – eher eine Ergänzung und Bereicherung. „Das tut dem gesamten Gebiet gut, wenn es mehrere gastronomische Angebote gibt“, sagt der Wangener Rathauschef.
Und kündigt mit Blick auf 2024 an, dass auf der Erdgeschossfläche „Überraschungen für die Landesgartenschau möglich“seien. Dazu soll auch der Erba-Museumsverein gehören, der in den vergangenen Jahren der einzige Nutzer der alten Spinnerei war und dort mit einer Ausstellungsfläche vertreten bleiben soll. Wie groß und mit welchen Gegenständen diese gestaltet sein wird, steht noch nicht fest. „Hier laufen derzeit die Abstimmungsgespräche“, sagt Sebastian Storz.
Auf den drei darüber liegenden Etagen könnten bis zu 50 Wohnungen entstehen, mit einer Größe zwischen 35 und 150 Quadratmetern. Während im ersten Obergeschoss auch „nicht störendes“Gewerbe (beispielsweise Dienstleister) möglich sein soll, sind die beiden Dachgeschosse ausschließlich dem Wohnen vorbehalten. Um das Erscheinungsbild der denkmalgeschützten Fassade nicht zu stören, wird es statt Balkonen hinter den historischen Fenstern helle Loggien zur Südseite hin geben. Die Belichtung hierfür kommt durch Eingriffe im riesigen
Satteldach, das praktisch neu gebaut werden muss. „Vor allem genügend Licht in das lange Gebäude zu bringen, war eine Herkulesaufgabe“, sagt Patrick Meier.
Es war eine von vielen kniffligen Aufgaben, die zu lösen waren, um auf der einen Seite den Charakter des Industriedenkmals zu erhalten, aber das gut 160 Jahre alte Gebäude gleichzeitig mit einer zeitgemäßen Nutzung zu versehen. „Es hat sich gerieben, man ist einander entgegengekommen und jetzt geht es in dieselbe Richtung“, so Meier, der seit einigen Wochen für die Pläne grundsätzlich grünes Licht vom Denkmalschutz bekommen hat.
Und weil die Zeit drängt, soll es in den kommenden Monaten zügig voran gehen: Der Kaufvertrag soll schon Mitte Mai abgeschlossen werden. Im Herbst soll die Vermarktung beginnen und der Bauantrag eingereicht werden, damit die Arbeiten Anfang 2022 starten können. Fertiggestellt soll die „neue alte Spinnerei“dann Ende 2023 sein, rechtzeitig vor dem Beginn der Landesgartenschau im Frühjahr 2024. „Die Gartenschau ist für uns auch ein Sprungbrett, um dieses Projekt zu etablieren“, so Sebastian Storz. Dass sie mit denkmalgeschützten Gebäuden dieser Art umgehen können, haben Storz und Meier bereits bewiesen. Vor Jahren sanierten sie eine alte Spinnerei in Kuchen bei Geislingen, das Gebäude wird heute als Pflegeheim mit Wohnen und Physiotherapie genutzt. Das Wangener Spinnerei-Pendant mit seinen insgesamt 6000 Quadratmetern Nutzfläche ist das dritte Gemeinschaftsprojekt des Duos, das in den kommenden Jahren immerhin rund 20 Millionen Euro in die Mammutaufgabe investieren wird. Mit einem Ergebnis, das sich laut Storz sehen lassen soll: „Wir sind sicher, dass dies ein schönes, einmaliges Projekt wird.“