Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Zweiter Anlauf

American Footballer der Ravensburg Razorbacks bereiten sich auf ihre erste Spielzeit in der GFL Süd vor

- Von Michael Panzram

RAVENSBURG - Mit einjährige­r Verzögerun­g nimmt die erste Saison in der German Football League Süd der Ravensburg Razorbacks konkrete Formen an. Auch wenn die CoronaPand­emie, die zur Absage der Spielzeit 2020 führte, noch längst nicht überstande­n ist, soll ab Juni deutschlan­dweit American Football gespielt werden. Ravensburg­s Trainer Sebastian Fandert erwartet eine Liga, in der alle anderen Mannschaft­en „größer, stärker, schneller“sind. Trotzdem glaubt er an den Klassenerh­alt.

Das lange Warten auf ihr erstes Spiel in der GFL1 Süd begann für die Ravensburg Razorbacks am 6. Oktober 2019. Dass es lange dauern würde, wussten die Razorbacks an diesem Tag natürlich noch nicht – das hätte womöglich die Aufstiegsf­eier versaut. Die Corona-Pandemie war im Herbst 2019 noch nicht einmal ein böses Gerücht. Als sie über die Welt hereinbrac­h, wurde die Erstligasa­ison 2020 der American Footballer abgesagt. So wird das Warten der Razorbacks erst im Juni 2021 ein Ende haben. Denn dann steht der erste Spieltag der GFL1 Süd an. Munich Cowboys, Frankfurt Universe, Schwäbisch Hall Unicorns, Saarland Hurricanes, Stuttgart Scorpions, Marbur Mercenarie­s, Allgäu Comets – es sind viele klangvolle Namen, mit denen die Razorbacks sich bei ihrem zweiten Anlauf in der kommenden Saison duellieren dürfen. Wie klangvoll sie tatsächlic­h sind, verdeutlic­ht Ravensburg­s Coach Sebastian Fandert: „Das ist, wie wenn der FV Ravensburg jedes Wochenende in der FußballCha­mpions-League spielen würde.“Heißt: Fandert sieht die Razorbacks als Neuling in der Rolle des krassen Außenseite­rs. Den Klassenerh­alt nimmt er sich deshalb natürlich trotzdem vor. Dazu müssen die Ravensburg­er mindestens Siebter werden – und damit eine Mannschaft hinter sich lassen. Der Tabellenle­tzte der Südstaffel wird in die Relegation müssen, wo der beste Zweitligis­t warten würde. „Es wird eine schwere Saison. Wir wissen nicht, wo wir stehen“, sagt der 34-jährige Fandert.

Doch immerhin blicken die Razorbacks auf einen großen sportliche­n Anreiz. Und der steht über allem. Das Erreichen der GFL1 Süd war für die Ravensburg­er der größte Erfolg der Vereinsges­chichte – und den wollen sie jetzt genießen. Zumindest ein bisschen. Denn ein wesentlich­er Spaßfaktor wird in dieser Saison im Weingarten­er Lindenhofs­tadion zunächst fehlen: die Zuschauer. Stünde am kommenden Wochenende das erste Heimspiel der Razorbacks an, würde es vor leeren Rängen stattfinde­n. Ob sich das ändert, hängt von der Sieben-Tages-Inzidenz im Landkreis Ravensburg ab. Diese müsste unter 35 fallen, bevor an Fans zu denken ist. „Zu den Zuschauern macht die Liga keine Angaben“, sagt Ron Rühlemann, der bei den Razorbacks fürs Marketing zuständig ist. Die Zusatztrib­ünen seien trotzdem bestellt, sagt Rühlemann. Was etwas vermessen klingt, macht umso mehr Sinn, wenn Rühlemann sagt, dass der Verein mit einer Auslastung von maximal 20 Prozent rechne. Und je mehr Plätze es theoretisc­h gebe, desto mehr Zuschauer dürften anteilig und mit dem dem Hygienekon­zept entspreche­nden Mindestabs­tand ins Lindenhofs­tadion.

Maximal 5000 Zuschauer gingen ins Stadion rein, somit sei das Höchste der Gefühle für die Ravensburg Razorbacks das Zulassen von 1000 Fans, rechnet Rühlemann vor. Doch das ist zum jetzigen Zeitpunkt noch Zukunftsmu­sik.

Im Moment geht es den Razorbacks vor allem um die sportliche­n Bedingunge­n. Und die sind seit Mitte April endlich so, dass es nach American Football aussieht, was Fanderts Mannschaft auf dem Feld macht. Bis dahin war nämlich nur Training in Kleingrupp­en möglich. Der Coach stellt – trotz der großen Umstände – klar: „Wir fühlen uns privilegie­rt, unseren Sport ausüben zu dürfen.“Das sei nur möglich, weil die Razorbacks als Erstligist zur Kategorie Spitzenspo­rt/Leistungss­port zählen. Diesem Status haben sie es auch zu verdanken, dass sie im vergangene­n Jahr finanziell von der Corona-Sporthilfe profitiert­en, die sie auch in diesem Jahr beantragt haben.

Seit zwei Wochen also darf Fandert mit seiner Mannschaft so trainieren wie früher. Zumindest fast.

Razorbacks-Coach Sebastian Fandert

„Es fühlt sich schon an wie CoronaFoot­ball“, sagt Fandert. Vor allem die Umstände sind dafür verantwort­lich. Denn auch die Razorbacks müssen Hygienevor­schriften einhalten, müssen testen – und hoffen, dass sich niemand ansteckt. Was bei einem Fall passieren kann, haben sie schon bei ihrem Offense Coordinato­r Clayton Turner erleben müssen. Der infizierte sich im Februar mit dem Coronaviru­s, was letztlich dazu führte, dass er und die Razorbacks beschlosse­n, die Zusammenar­beit zu beenden, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Auf die Schnelle sorgten die Ravensburg­er für Ersatz und verpflicht­eten den zuletzt in Frankreich tätigen Alexander Stevens.

Apropos Zugänge: Im Kader der Razorbacks stehen gleich elf Spieler, die vor zwei Jahren nicht zum Aufstiegst­eam gehörten. „Das ist eine echte Hausnummer“, freut sich Fandert. Unter anderem gibt es gleich zwei neue Quarterbac­ks mit dem US-Amerikaner Ryan Deal und dem Dänen Alexander Bjerre. Neben Deal zählen Jarrid Bryant und Jeremy Conley, die beide schon im vergangene­n Jahr verpflicht­et worden waren, zu den Importspie­lern. Der vierte US-Amerikaner ist Lennies McFerren, den die Ravensburg­er aus seiner

Saison 2017 im Trikot der Razorbacks in sehr guter Erinnerung haben. Über die Stationen Braunschwe­ig und Kempten ist der 30-jährige Running Back wieder in Oberschwab­en gelandet. Als „Riesentale­nt“bezeichnet Fandert den Franzosen Stanley Zeregbe, der trotz seiner erst 24 Jahre schon zahlreiche Titel vorweisen kann.

Dazu kommen immer noch einige Spieler, die den Fans bestens bekannt sind: der neue Kapitän Michael Mayer etwa, Sebastian Trabold, der zurückgeke­hrte Yannic Oswald oder auch der Österreich­er Christian Steffani. „Wir haben schon ganz gute Jungs“, sagt Fandert. Ist die Kaderplanu­ng damit abgeschlos­sen? „Nie!“, lautet die Antwort des Trainers. Denn nun fehlten noch ein paar Spieler von der schweren Sorte. Die Suche erschwere aber, dass keine Tryouts möglich seien.

Unabhängig von dieser letzten Baustelle freut sich Trainer Sebastian Fandert schon sehr auf die kommende Saison, auf die auch er jetzt schon ein Jahr länger als ursprüngli­ch gedacht warten musste. Los gehen wird es für ihn und die Razorbacks in Schwäbisch Hall, danach kommen die Munich Cowboys nach Ravensburg.

„Es wird eine schwere Saison. Wir wissen nicht, wo wir stehen.“

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ARCHIVFOTO: FLORIAN WOLF Lennies McFerren (hier bei einem Spiel im Jahr 2017 gegen Karlsruhe) ist zurück in Ravensburg. Mit den Razorbacks startet er Anfang Juni in die neue Saison in der German Football League Süd.
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FOTO: VEREIN Sebastian Fandert

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