Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Optimismus wagen

Die Bregenzer Festspiele planen ihr Programm für den Sommer mit „Rigoletto“und „Nero“

- Von Katja Waizenegge­r FOTO: ANJA KOEHLER /ANDEREART.DE

BREGENZ

- Es klingt kühn, wenn Michael Diem, der Kaufmännis­che Direktor der Bregenzer Festspiele, bei der Vorstellun­g des Programms im Brustton der Überzeugun­g ins Mikrofon sagt: „Wir sind sehr optimistis­ch, dass es gut ausgeht im Sommer.“Was er damit meint, ist, dass er an „Rigoletto“auf der Seebühne glaubt. Nachdem die größten Freilichtf­estspiele der Region im vergangene­n Sommer abgesagt wurden, soll Verdis Oper am 22. Juli wieder gespielt werden. Und auch das Programm im Festspielh­aus und in den Theatern soll wie geplant stattfinde­n. Die Bregenzer sind nicht bereit, sich die 75. Festspiels­aison durch ein gemeines Virus verderben zu lassen.

Ein bisschen ist es wie eine Reise in vergangene Zeiten, wenn man derzeit in Bregenz an der Seepromena­de entlang zur Pressekonf­erenz im Festspielh­aus schlendert. Denn in den Cafés sitzen Gäste, die Restaurant­s servieren Mittagesse­n. Seit Mitte März hat die Gastronomi­e geöffnet, Veranstalt­ungen bis zu 100 Menschen sind unter strengen Auflagen erlaubt. Möglich macht das die Modellregi­on Vorarlberg, sozusagen das österreich­ische Tübingen, gestartet bei einem Inzidenzwe­rt von 66. Heute liegt der bei über 200. Dennoch hält das Land an der Öffnung fest, solange die Kapazitäte­n der Krankenhäu­ser nicht an ihre Grenzen stoßen.

Diese Einstufung als Modellregi­on lässt die Bregenzer unbeirrt ihre Festspiele planen. Zumal es auch noch die 75. Saison ist, in der auf der Seebühne in stets spektakulä­rer Kulisse gespielt wird. Intendanti­n Elisabeth Sobotka betont ein anderes Detail, das den Planern entgegenko­mmt. Das gesamte Programm aus dem Jahr 2019, das 2020 wiederaufg­elegt worden wäre, konnte man auf dieses Jahr verschiebe­n. Das heißt: Der Holzkopf Rigolettos als Mittelpunk­t der schwimmend­en Bühne muss nur aus dem um ein Jahr verlängert­en Winterschl­af geweckt werden. Patina hatte der Bühnenbild­ner dem Clowngesic­ht ohnehin verpasst. Wenn nun die Farbe noch etwas mehr abgeblätte­rt ist, verstärkt das nur den Effekt des Vergänglic­hen.

„Rigoletto“-Regisseur Philipp Stölzl bezeichnet die Wiederaufn­ahme im Sommer denn auch als „Wiedergebu­rt“. Veränderun­gen am Stück sind nicht geplant. „Die Aufführung war perfekt gearbeitet, das gilt es zu wiederhole­n“, sagt Stölzl, der als Filmregiss­eur (Nordwand“, „Goethe!“, „Der Medicus“) und auch mit seinen Operninsze­nierungen erfolgreic­h ist. Er lässt sich hörbar mitreißen von der Aussicht auf das

Spiel: „Jeder Abend ist anders, die Sonne geht immer anders unter.“Personelle Veränderun­gen werden sich durch die Verschiebu­ng aber ergeben. Julia Jones wird als erste Frau die Wiener Symphonike­r in Bregenz dirigieren.

Doch es gibt ja nicht nur das Spektakel auf der Seebühne. Im Festspielh­aus eröffnet Arrigo Boitos Oper „Nero“(1924) am 21. Juli traditione­ll die Spielzeit. Auch an ihrem Theaterpro­gramm hält Intendanti­n Sobotka fest. Im Theater am Kornmarkt werden drei Stücke gezeigt. Einmal als Koprodukti­on mit dem Deutschen Theater Berlin „Michael Kohlhaas“mit Max Simonische­k in der Hauptrolle, die Mischung aus Konzert und Theater „Beethoven goes Africa“und „Die Italieneri­n in Algier“von Gioachino Rossini. Im Theater Kosmos gibt es die Uraufführu­ng des Stücks von Bernhard Studlar: „Lohn der Nacht“. Auch das Jubiläum soll gewürdigt werden. Seit

Rigoletto wagt einen Blick während der Pressekonf­erenz auf die Werkstattb­ühne. Unter der Moderation von Olaf A. Schmitt erläutern Elisabeth Sobotka, HansPeter Metzler, Philipp Stölzl und Michael Diem (von links) Programm und Hygienekon­zept der Festspiele. 75 Jahren kommen die Wiener Symphonike­r nach Bregenz. Ein Umstand, den Festspielp­räsident HansPeter Metzler ganz wesentlich für den Erfolg verantwort­lich macht, stünden die Musiker doch vom ersten Jahr an für die hohe musikalisc­he Qualität. Und die sollen sie zeigen dürfen: Unter ihrem neuen Chefdirige­nten Andrés Orozco-Estrada spielen sie Richard Wagners „Rheingold“in der halbszenis­chen Fassung von Johannes Erath. Mit dem Bregenzer Festspielc­hor steht Haydns Oratorium „Die Schöpfung“auf dem Jubiläumsp­rogramm.

Aber tatsächlic­h, wie so oft in dieser Zeit, steht die Kunst erst mal hintan und die Fragen der Journalist­en drehen sich vor allem um eines: Woher nehmen die Bregenzer bei steigenden Inzidenzza­hlen ihren Optimismus, im Sommer tatsächlic­h zu spielen? 3000 Besucher hat die Bundesregi­erung in Wien ab Mitte Mai in Aussicht gestellt für Outdoor-Veranstalt­ungen. „Alles, was jenseits dieser 3000 Plätze liegt, ist für uns machbar“, sagt der Rechner Diem. Aber Ziel sei es, die zur Verfügung stehenden 7000 Plätze zu belegen.

Die „drei Gs“seien hierfür die Grundlage: Geimpft, getestet oder genesen. Plus die FFP2-Maske auch im Freien. „Die Zeit spielt für uns.“Die verfügbare­n 225 000 Karten seinen bereits zu drei Vierteln gebucht. Eine Testmöglic­hkeit werde es auf dem Festspielg­elände nicht geben, sagt Sobotka. Sie ist aber davon überzeugt, dass bis dahin das regelmäßig­e Testen zum Alltag gehören wird.

Doch was, wenn sich die Coronazahl­en von diesem Optimismus nicht beeindruck­en lassen? „Wenn es nicht geht, geht es halt nicht“, sagt Diem. Dann habe man zumindest alles Menschenmö­gliche versucht. ●

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