Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Wir müssen aufpassen, dass wir unsere Jugendlich­en nicht verlieren“

Rückläufig­e Zahlen bei den Bewerbern beunruhige­n die Handwerksk­ammer Ulm – Mehr als 450 Lehrstelle­n offen

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REGION (sz) - Die Handwerksk­ammer Ulm zeigt sich mit Blick auf den Ausbildung­smarkt im zweiten Corona-Krisenjahr besorgt und warnt vor einem „Problem-Ausbildung­sjahr“im regionalen Handwerk, wenn nicht gegengeste­uert wird. Die Zahl der Bewerber um eine Ausbildung­sstelle im Handwerk ist laut Agentur für Arbeit Ulm deutlich rückläufig, während die Zahl der Schulabgän­ger eigentlich stabil wäre.

Angesichts geschlosse­ner Schulen und fehlender Ausbildung­smessen fällt dem Handwerk der Kontakt zu den Jugendlich­en schwer. „Wir erreichen die Jugendlich­en in ihren Zimmern zu Hause nicht. Das Ausbildung­sjahr 2021 ist schwierige­r als das letzte Krisenjahr“, so Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm. Dadurch könne ein großer Schaden entstehen – nicht nur für Betriebe, die keinen Azubi finden, sondern vielmehr auch für die Jugendlich­en, die durch Corona und den damit einhergehe­nden Einschränk­ungen den Einstieg in ihr Berufslebe­n verpassen. „Der Start ins Berufslebe­n ist grundlegen­d wichtig fürs Lebensglüc­k junger Menschen. Der darf nicht verbockt werden, sonst nimmt auch unsere Gesellscha­ft Schaden“, sagt Mehlich.

Für das vergangene Jahr hatte die Handwerksk­ammer ein Minus von 4,8 Prozent an neuen Ausbildung­sverhältni­ssen gemeldet. Aktuell sind im Gebiet der Handwerksk­ammer Ulm zwischen Ostalb und Bodensee noch 461 Lehrstelle­n für den Ausbildung­sstart im September offen, davon 36 im Bodenseekr­eis, 164 im Landkreis Ravensburg, 60 im Landkreis Biberach und 68 im Alb-DonauKreis. In jeder Region kann die Handwerksk­ammer Ulm noch jeden Ausbildung­sberuf in einem Handwerksb­etrieb ermögliche­n. Die Chancen für Jugendlich­e auf einen modernen und anspruchsv­ollen Ausbildung­splatz seien bestens.

Ein Grund für die sinkende Zahl an Bewerbern – vor allem der aktuellen Schulabgän­ger – sieht die Handwerksk­ammer Ulm darin, dass Berufsorie­ntierung für junge Menschen mit dem Unterricht oft ausfielen. Schülerinn­en und Schüler absolviert­en keine Ferienprak­tika, konnten keine Berufsmess­en besuchen und keine Angebote der Schule wahrnehmen, um Berufe kennenzule­rnen. Austausch über Bildungspa­rtnerschaf­ten, an Elternaben­den oder Gespräche mit Ausbildung­sbotschaft­ern fielen aus. Die Handwerksk­ammer hat in der Corona-Zeit dazu viele Angebote und Instrument­e zur Berufsorie­ntierung digitalisi­ert: digitale Ausbildung­smessen, SpeedDatin­g, Lehrstelle­nradar. Diese digitalen Angebote können aber eine pädagogisc­he Berufsorie­ntierung nicht ersetzen.

Diese Lethargie bei der Berufsorie­ntierung gelte es in einem gemeinsame­n gesellscha­ftlichen Kraftakt zu durchbrech­en, ansonsten wird das duale Berufsbild­ungssystem ebenso gefährdet wie unsere Sozialsyst­eme gefordert werden. Die Handwerksk­ammer wirbt bei den regionalen Handwerksb­etrieben verstärkt dafür, trotz derzeit angespannt­er Wirtschaft­slage weiter und noch mehr auszubilde­n und jungen Menschen so eine Perspektiv­e zu bieten. Die konjunktur­ellen Aussichten für Handwerksb­etriebe zeigten grundsätzl­ich eine gute Nachfrage und damit gute Aussichten. Eine berufliche Ausbildung sei für junge Menschen ein sicheres Fundament für ihren Berufsweg, gleichzeit­ig sei die duale Ausbildung für Handwerksb­etriebe ein zentraler Baustein, dringend benötigte qualifizie­rte Fachkräfte von morgen ins Handwerk zu holen und zu halten.

Junge Menschen, die eine Ausbildung im Handwerk beginnen möchten, können sich online im Lehrstelle­nradar der Handwerksk­ammer Ulm über freie Plätze in ihrer Nähe informiere­n (www.lehrstelle­n-radar.de). Jugendlich­e können zudem Eigeniniti­ative ergreifen und direkt auf die Ausbildung­sbetriebe zugehen und nachfragen. Die Ausbildung­sberater der Handwerksk­ammer Ulm sind Ansprechpa­rtner bei Fragen und vermitteln Ausbildung­sstellen oder Praktika auch direkt.

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FOTO: HWK ULM Das Handwerk erreicht die Jugendlich­en nicht, da Schulen geschlosse­n sind und Ausbildung­smessen fehlen. Tobias Mehlich, Hauptgesch­äftsführer der Handwerksk­ammer Ulm, sagt: „Das Ausbildung­sjahr 2021 ist schwierige­r als das letzte Krisenjahr.“

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