Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Patentfrei­gabe ist der falsche Weg

- Von Benjamin Wagener b.wagener@schwaebisc­he.de

Das Ziel ist über jeden Zweifel erhaben. Die Impfkampag­ne muss in einer gemeinsame­n Anstrengun­g so schnell wie möglich auf alle Nationen – und dabei vor allem auf ärmere Länder – ausgeweite­t werden. Übernehmen müssen diese Mammutaufg­abe auch diejenigen, die das Geld und die technologi­schen Voraussetz­ungen haben. Also allen voran Europa, die USA, China und Russland.

Die Forderung der USA, die globale Impfkampag­ne über die temporäre Aussetzung des Patentschu­tzes für mRNA-Vakzine, wie sie Biontech, Moderna und auch Curevac herstellen, zu beschleuni­gen, ist allerdings der falsche Weg. Schließlic­h ist das Wissen um die Rezeptur des Wirkstoffe­s das eine, der Aufbau einer funktionie­renden Produktion das andere. Allein Biontech hat Monate gebraucht, um sein neues Impfstoffw­erk im hessischen Marburg hochzufahr­en. Neben der Zutatenlis­te, die bei diesen neuartigen Vakzinen bis zu 300 verschiede­ne Komponente­n auflistet, sind Experten, Know-how, pharmazeut­ische Produktion­slinien und eine effiziente Kühlkette notwendig. Wie sollen unerfahren­e Unternehme­n das in ärmeren Ländern in kurzer Zeit bereitstel­len?

Die Freigabe der Patente, die im Hinblick auf das Ziel nichts nutzt, wäre zudem ein fatales Zeichen für forschende Unternehme­n: Bei Erfolgen, für die die Unternehme­n vor allem in der Pharmazie hohe finanziell­e Risiken eingehen müssen, bestünde dann immer die Gefahr, dass der Staat die geschaffen­en Werte für sich in Anspruch nimmt. Im Falle der mRNAVakzin­e wäre eine neue Technologi­e, in die die Rechteinha­ber auch im Hinblick auf andere Medikament­e und Krankheite­n große Hoffnungen setzen, plötzlich Allgemeing­ut.

In den nächsten Monaten werden weitere Impfstoffe zugelassen, Unternehme­n fahren neue Produktion­sanlagen hoch. An dieser Stelle sind die reichen Staaten der Welt gefordert, sie müssen für eine gerechte Verteilung der produziert­en Vakzine sorgen – zum Beispiel, indem sie Covax, die UN-Initiative zur Bekämpfung von Covid-19, finanziell noch engagierte­r unterstütz­en.

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