Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Massiver Streit um Impfstoff-Patente
Pharmaindustrie läuft Sturm gegen Freigabe-Vorstoß von US-Präsident Biden
BERLIN/RAVENSBURG (KNA/dpa/ clak) - Die angekündigte Unterstützung von US-Präsident Joe Biden für eine globale Lockerung des Patentschutzes bei Covid-19-Impfstoffen hat eine rege Debatte ausgelöst. Während Grüne und Hilfsorganisationen die Pläne begrüßten, wehrte sich der Verband der forschenden Pharmaunternehmen gegen den Vorstoß. Dann nämlich könnten Hersteller in aller Welt die Impfstoffe produzieren, ohne Lizenzgebühren an Firmen wie Biontech, Moderna oder Curevac zahlen zu müssen. Zuvor müssten aber noch die 164 Mitgliedsländer
der Welthandelsorganisation (WTO) zustimmen, dass internationale Copyright-Bestimmungen für die mRNA-Impfstoffe außer Kraft gesetzt werden.
Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) erklärte am Donnerstag dazu, dass er das Ziel des US-Präsidenten, die ganze Welt mit Impfstoff zu versorgen, ausdrücklich teile. Entscheidend sei aber der weitere Ausbau von Produktionsstätten. „Zudem müssen die Staaten der Welt, in denen Impfstoff produziert wird, bereit sein, diesen auch an andere zu exportieren. Die EU ist dazu in Wort und
Tat bereit“, so Spahn. Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) teilte mit: „Nur eine weltweite Impfkampagne ist der Weg aus der Krise.“Die Aussetzung von Patenten alleine sorge „noch nicht für eine einzige zusätzliche Impfdose“.
Zuspruch kam von Hilfsorganisationen wie Brot für die Welt oder Amnesty International. Auch die Grünen unterstützen Bidens Vorstoß. Agnieszka Brugger, stellvertretende Fraktionschefin aus Ravensburg, sagte der „Schwäbischen Zeitung“: „Diese Ankündigung ist ein längst überfälliger Akt der globalen
Solidarität und auch ein Gebot der Vernunft.“Die Corona-Impfstoffe seien „ein globales öffentliches Gut“. Brugger forderte Bund und EU auf, dem US-Beispiel schnell zu folgen.
Die Industrie lief derweil Sturm. „Zur Überwindung der Pandemie bringen Patentfreigaben gar nichts“, sagte Han Steutel, Präsident des Verbands der forschenden Pharmaunternehmen. Er nannte mögliche Freigaben „reine Symbolpolitik“. Auch die deutschen Unternehmen Biontech in Mainz und Curevac in Tübingen lehnten den Vorschlag kategorisch ab.