Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Kanzlerin Merkel will globalen CO2-Preis

Klimaexper­te kritisiert deutsches Vorpresche­n bei Klimaneutr­alität – Andere Länder erhielten so mehr Zeit

- Von Igor Steinle

BERLIN - Nur selten war Angela Merkels (CDU) Rede auf dem „Petersberg­er Klimadialo­g“mit so viel Spannung erwartet worden wie am Donnerstag. Zur jährlich stattfinde­nden Veranstalt­ung treffen sich Regierungs­vertreter aus aller Welt, um die im Herbst stattfinde­nde Weltklimak­onferenz vorzuberei­ten.

Bundeskanz­lerin Merkel hatte den Dialog 2010 nach dem Scheitern der Kopenhagen­er Klimakonfe­renz ins Leben gerufen. Vor allem Entwicklun­gshilfe-Organisati­onen hofften nun, die Kanzlerin würde nach dem wegweisend­en Urteil des Verfassung­sgerichts, das Deutschlan­d zu mehr Klimaschut­z verdonnert­e, auch die Hilfszahlu­ngen zur Klimawande­l-Anpassung an die Länder des globalen Südens erhöhen.

So großzügig zeigte sich Merkel aber bei ihrer letzten Teilnahme nicht. Mit leeren Händen stand sie dennoch nicht da, konnte sie ja verkünden, dass Deutschlan­d schon 2045 statt erst 2050 klimaneutr­al werden wolle, was so viel bedeutet wie nicht mehr CO2 auszustoße­n als man der Atmosphäre entnehmen kann. Wie sie dieses Ziel erreichen möchte, machte sie auch klar. „Ich halte eine CO2-Bepreisung für ein besonders geeignetes Instrument.“In Deutschlan­d gibt es dies bereits, wünschensw­ert wäre ein globaler CO2-Preis, so Merkel.

So warben in den vergangene­n Tagen auch mehrere Unionspoli­tiker, den deutschen CO2-Preis, der

Autosprit und Heizen verteuert, für das Erreichen der neuen Klimaziele schneller als geplant zu erhöhen. Damit sollen Verbrauche­r animiert werden, auf weniger umweltschä­dliche Alternativ­en wie E-Autos und Wärmepumpe­n umzusteige­n. Im Gegenzug sollen sie über die Stromrechn­ung entlastet werden.

Beim Koalitions­partner SPD ist man allerdings skeptisch, befürchtet werden soziale Auswirkung­en, sollte Autofahren und Heizen noch teurer werden. Die Sozialdemo­kraten wollen das schärfere Klimaziel vor allem über einen stärkeren Ausbau der erneuerbar­en Energien und vor allem der Windkraft erreichen. Wirtschaft­sminister Peter Altmaier (CDU) hat bereits Entgegenko­mmen signalisie­rt. Unklar ist allerdings, ob das auch für die Unionsabge­ordneten im Bundestag gilt, die sich den Protesten der Windkraftg­egner in ihren Wahlkreise­n stellen müssen und eher auf Sonnenener­gie setzen.

In der Opposition stoßen die Pläne auf geteiltes Echo. Während sie den Grünen nicht weit genug gehen, kritisiert der klimapolit­ische Sprecher der FDP, Lukas Köhler, „blinden Aktionismu­s und Kleinstaat­erei“. Diese würden CO2-Emissionen lediglich ins EU-Ausland verlagern. Angesichts von Einschätzu­ngen des Klimaexper­ten der „Stiftung Wissenscha­ft und Politik“, Oliver Geden, scheint die Kritik berechtigt zu sein: Aufgrund des gemeinsame­n EUZiels 2050 klimaneutr­al zu werden, ließe ein deutsches Vorpresche­n Ländern wie Polen mehr Zeit.

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