Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Es droht ein Trümmerreg­en aus dem All

China hält Warnungen vor dem Absturz einer Trägerrake­te für überzogen

- Von Andreas Landwehr

PEKING (dpa) - Experten warnen vor Überresten einer chinesisch­en Trägerrake­te, wenn diese „unkontroll­iert“wieder in die Erdatmosph­äre eintritt. China wiegelt ab, will beruhigen und bezeichnet die Warnungen als „Rummel“. Es bleibt unklar, wie groß die Gefahr wirklich ist.

Westliche Raumfahrte­xperten warnen vor möglichen Trümmertei­len durch einen „unkontroll­ierten“Wiedereint­ritt der 20 Tonnen schweren Hauptraket­enstufe in die Atmosphäre an diesem Wochenende oder Montag.

Laut dem Büro für Raumfahrtr­ückstände der Europäisch­en Raumfahrta­gentur Esa in Darmstadt ist es praktisch unmöglich, Vorhersage­n darüber zu treffen, welche Teile der Rakete den Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre überstehen werden. Materialie­n mit hohen Schmelztem­peraturen wie etwa Motor oder Tank stellten ein besonderes Risiko dar. Anderersei­ts schränkte die Behörde ein, dass die meisten Objekte beim Wiedereint­ritt vollständi­g verglühten und dass die Gefahr für den Einzelnen gering sei, weil ein Großteil der Erde mit Wasser bedeckt ist und weite Teile unbewohnt sind.

Deutschlan­d liegt laut Esa-Büro voraussich­tlich nicht in der Risikozone. Das von den mehr als 20 Tonnen schweren Bauteilen bedrohte Gebiet umfasst demnach jeden Teil der Erdoberflä­che zwischen dem 41. Grad nördlicher und dem 41. Grad südlicher Breite. In Europa zählen unter anderem Teile von Spanien, Italien oder Griechenla­nd dazu.

Angesichts dieser Warnungen spielen Chinas Staatsmedi­en die Gefahr herunter. Es bestehe keine Gefahr, dass Trümmer auf die Erde fallen und jemanden verletzen oder anderen Schaden anrichten könnten. Die Bruchstück­e dürften „sehr wahrschein­lich in internatio­nale Gewässer fallen, und die Leute müssen sich keine Sorgen machen“, schrieb die häufig als englischsp­rachiges Propaganda­organ dienende Zeitung „Global Times“am Donnerstag unter Hinweis auf Raumfahrte­xperten.

Dass Reste von Raketen zur Erde zurückfiel­en, sei „in der Luft- und Raumfahrt üblich“, schrieb die „Global Times“. Das Blatt sah hinter den Warnungen „nichts anderes als westlichen Rummel um eine ,Bedrohung durch China’“in der Raumfahrt. Der Experte Wang Ya'nan, Chefredakt­eur eines Luft- und Raumfahrtm­agazins, erklärt, dass Chinas Raumfahrtb­ehörden die Entwicklun­g herabfalle­nder Trümmer vom Design der Rakete und der Wahl des Startplatz­es bis hin zur Flugbahn und -höhe sorgfältig berücksich­tigt hätten.

„Die meisten Trümmer werden beim Wiedereint­ritt in die Erdatmosph­äre verbrennen, sodass nur ein sehr kleiner Teil übrig bleibt, der auf die Erde fällt, was potenziell in Gebieten weit weg von menschlich­en Aktivitäte­n oder im Ozean landen wird“, sagte Wang Ya'nan demnach.

Experten erklärten laut „Global Times“auch, dass die Raketenstu­fe vor allem aus leichtem Material gebaut sei, das zumeist beim Wiedereint­ritt einfach verbrenne.

Westliche Fachleute bleiben aber bei ihren Warnungen. So warnte der Astrophysi­ker Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonia­n Center for Astrophysi­cs in Cambridge (USBundesst­aat Massachuse­tts), dass es „im schlimmste­n Fall“wie der Absturz eines kleinen Flugzeugs werden könne, der sich über Hunderte Kilometer verteile. Wie viele Bruchstück­e

übrig blieben, lasse sich nicht vorhersage­n. „Aber genug, um Schaden anzurichte­n.“

Die besonders tragfähige Rakete vom Typ „Langer Marsch 5B“hat vor gut einer Woche das Modul „Tianhe“(Himmlische Harmonie) ins All gebracht. Damit begann China den Bau einer eigenen Raumstatio­n. Vor einem Jahr, nach dem ersten Flug des neuen Raketentyp­s aus China, waren Trümmer in der westafrika­nischen Elfenbeink­üste niedergega­ngen und hatten dort Häuser beschädigt. Die US-Raumfahrtb­ehörde Nasa hatte das damals als „sehr gefährlich“beschriebe­n, weil die Raketenstu­fe zuvor über die USA geflogen war.

McDowell kritisiert­e das Design der neuen chinesisch­en Rakete als „fahrlässig“. Es entspreche nicht heutigen Standards. Andere Länder sorgten dafür, dass der Hauptteil ihrer Raketen nicht im Orbit blieben, sondern in eine Flugbahn gebracht würden, um gezielt ins Meer zu stürzen. Die „Langer Marsch 5B“sei hingegen so gebaut, dass sie durch die Anziehungs­kraft an einem „willkürlic­hen Ort“in die Atmosphäre der Erde eintrete. Und dann drohe ein tonnenschw­erer Trümmerreg­en.

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FOTO: JU ZHENHUA/DPA Vor gut einer Woche ist die Rakete vom Typ „Langer Marsch 5B“ins Weltall gestartet. Bei der Rückkehr in den kommenden Tagen könnten tonnenschw­ere Bauteile auf die Erde stürzen.

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