Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Es droht ein Trümmerregen aus dem All
China hält Warnungen vor dem Absturz einer Trägerrakete für überzogen
PEKING (dpa) - Experten warnen vor Überresten einer chinesischen Trägerrakete, wenn diese „unkontrolliert“wieder in die Erdatmosphäre eintritt. China wiegelt ab, will beruhigen und bezeichnet die Warnungen als „Rummel“. Es bleibt unklar, wie groß die Gefahr wirklich ist.
Westliche Raumfahrtexperten warnen vor möglichen Trümmerteilen durch einen „unkontrollierten“Wiedereintritt der 20 Tonnen schweren Hauptraketenstufe in die Atmosphäre an diesem Wochenende oder Montag.
Laut dem Büro für Raumfahrtrückstände der Europäischen Raumfahrtagentur Esa in Darmstadt ist es praktisch unmöglich, Vorhersagen darüber zu treffen, welche Teile der Rakete den Wiedereintritt in die Erdatmosphäre überstehen werden. Materialien mit hohen Schmelztemperaturen wie etwa Motor oder Tank stellten ein besonderes Risiko dar. Andererseits schränkte die Behörde ein, dass die meisten Objekte beim Wiedereintritt vollständig verglühten und dass die Gefahr für den Einzelnen gering sei, weil ein Großteil der Erde mit Wasser bedeckt ist und weite Teile unbewohnt sind.
Deutschland liegt laut Esa-Büro voraussichtlich nicht in der Risikozone. Das von den mehr als 20 Tonnen schweren Bauteilen bedrohte Gebiet umfasst demnach jeden Teil der Erdoberfläche zwischen dem 41. Grad nördlicher und dem 41. Grad südlicher Breite. In Europa zählen unter anderem Teile von Spanien, Italien oder Griechenland dazu.
Angesichts dieser Warnungen spielen Chinas Staatsmedien die Gefahr herunter. Es bestehe keine Gefahr, dass Trümmer auf die Erde fallen und jemanden verletzen oder anderen Schaden anrichten könnten. Die Bruchstücke dürften „sehr wahrscheinlich in internationale Gewässer fallen, und die Leute müssen sich keine Sorgen machen“, schrieb die häufig als englischsprachiges Propagandaorgan dienende Zeitung „Global Times“am Donnerstag unter Hinweis auf Raumfahrtexperten.
Dass Reste von Raketen zur Erde zurückfielen, sei „in der Luft- und Raumfahrt üblich“, schrieb die „Global Times“. Das Blatt sah hinter den Warnungen „nichts anderes als westlichen Rummel um eine ,Bedrohung durch China’“in der Raumfahrt. Der Experte Wang Ya'nan, Chefredakteur eines Luft- und Raumfahrtmagazins, erklärt, dass Chinas Raumfahrtbehörden die Entwicklung herabfallender Trümmer vom Design der Rakete und der Wahl des Startplatzes bis hin zur Flugbahn und -höhe sorgfältig berücksichtigt hätten.
„Die meisten Trümmer werden beim Wiedereintritt in die Erdatmosphäre verbrennen, sodass nur ein sehr kleiner Teil übrig bleibt, der auf die Erde fällt, was potenziell in Gebieten weit weg von menschlichen Aktivitäten oder im Ozean landen wird“, sagte Wang Ya'nan demnach.
Experten erklärten laut „Global Times“auch, dass die Raketenstufe vor allem aus leichtem Material gebaut sei, das zumeist beim Wiedereintritt einfach verbrenne.
Westliche Fachleute bleiben aber bei ihren Warnungen. So warnte der Astrophysiker Jonathan McDowell vom Harvard-Smithsonian Center for Astrophysics in Cambridge (USBundesstaat Massachusetts), dass es „im schlimmsten Fall“wie der Absturz eines kleinen Flugzeugs werden könne, der sich über Hunderte Kilometer verteile. Wie viele Bruchstücke
übrig blieben, lasse sich nicht vorhersagen. „Aber genug, um Schaden anzurichten.“
Die besonders tragfähige Rakete vom Typ „Langer Marsch 5B“hat vor gut einer Woche das Modul „Tianhe“(Himmlische Harmonie) ins All gebracht. Damit begann China den Bau einer eigenen Raumstation. Vor einem Jahr, nach dem ersten Flug des neuen Raketentyps aus China, waren Trümmer in der westafrikanischen Elfenbeinküste niedergegangen und hatten dort Häuser beschädigt. Die US-Raumfahrtbehörde Nasa hatte das damals als „sehr gefährlich“beschrieben, weil die Raketenstufe zuvor über die USA geflogen war.
McDowell kritisierte das Design der neuen chinesischen Rakete als „fahrlässig“. Es entspreche nicht heutigen Standards. Andere Länder sorgten dafür, dass der Hauptteil ihrer Raketen nicht im Orbit blieben, sondern in eine Flugbahn gebracht würden, um gezielt ins Meer zu stürzen. Die „Langer Marsch 5B“sei hingegen so gebaut, dass sie durch die Anziehungskraft an einem „willkürlichen Ort“in die Atmosphäre der Erde eintrete. Und dann drohe ein tonnenschwerer Trümmerregen.