Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Blässhuhn greift bei Entendrama am Bodensee ein

Verhaltens­biologe Wolfgang Fiedler aus Radolfszel­l hat eine Erklärung für die Rettung und das Benehmen der Tiere

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REGION (mag) - Es ist eine dramatisch­e Szene, die Rony Elimelech in Konstanz am Ufer filmt: Zwei Erpel greifen eine Entendame an und wollen sie beide begatten. Ihr Partner versucht, sie zu beschützen. Der Kampf dauert einige Minuten, an Land und auch im Wasser. Bis ein Blässhuhn eingreift. Ein Verhaltens­biologe vom Max-Planck-Institut Radolfzell hat eine Erklärung für das Verhalten.

„Manchmal kann die Natur auch grausam sein“, schreibt Elimelech zu seinem Video, das er in der FacebookGr­uppe „Du bist aus Konstanz, wenn...“teilt. Durch Zufall habe er die Szene von zwei Entenmänne­rn, die versuchten, eine Ente zu „unterwerfe­n“, beobachtet. „Zum Glück kam ihnen ein Blässhuhn zu Hilfe, und es schaffte es, eine Ente loszuwerde­n, und der Ehemann schaffte es, den anderen wegzujagen. Die Ente blieb am Ende intakt, aber erschöpft“, schreibt er zu seinem Video.

In dem kurzen Film sieht man, wie die insgesamt vier Stockenten miteinande­r ringen, aufeinande­r einpicken, und die beiden fremden Erpel immer wieder auf die Entendame springen. Diese versucht ins Wasser zu fliehen, die Erpel gehen hinterher. Bis ein Blässhuhn angeschwom­men kommt und nach den fremden Erpeln pickt, die dann wegschwimm­en. Dann geht das Entenpaar zusammen ans Ufer.

Unter dem Video in der Facebook-Gruppe wird das Verhalten des Blässhuhns in den Kommentare­n gelobt, als „mutig“oder als „Zivilcoura­ge bei Tieren“.

Wolfgang Fiedler ist Verhaltens­biologe beim Max-Planck-Institut Radolfzell. Er hat eine Erklärung für die Beobachtun­g: „Solches ,zu Hilfe’-Eilen dürfte in den allermeist­en Fällen nur durch unsere menschlich­e Interpreta­tion der Beobachtun­g zustande kommen. Stockenten haben die nach unserer Interpreta­tion sehr rüde Eigenschaf­t, Fremdvater­schaften durch überfallar­tige Paarungen mit Weibchen in der Legephase zu erzwingen.“

Beim Menschen würde man von Vergewalti­gung sprechen, bei Stockenten gehört dies zur Fortpflanz­ungsstrate­gie, erklärt Fiedler. Der eigentlich­e Partner der Ente sei natürlich um seine eigene Vaterschaf­t möglichst aller Eier des Geleges bemüht und greife bei solchen Überfällen daher auch ein.

Das Eingreifen des Blässhuhns erklärt er mit dem Schutz des eigenen Territoriu­ms vor den kämpfenden Enten. Blesshühne­r seien zur Brutzeit sehr territoria­l und reagieren nicht nur auf Eindringli­nge der eigenen Art sehr aggressiv, sondern oft auch auf andere eindringen­de Wasservöge­l in ihrem Revier. „Ein gewisses Ausmaß an Duldung einer ebenfalls in diesem Gebiet anwesenden und schon bekannten Stockente kann es da geben, aber wenn dann ein ganzer Pulk anderer Wasservöge­l ins Revier einfällt und sich auch noch auffällig verhält, kann das die Blässhühne­r in der heißen Phase der Revierbeha­uptung durchaus zum Angriff reizen“, sagt Fiedler. Da sie in Paaren leben, unterstütz­en sich die beiden Paarpartne­r in aller Regel auch gegenseiti­g.

 ?? SCREENSHOT­S: AUS DEM VIDEO VON RONY ELIMELECH ?? Zwei Erpel versuchen, an eine Ente heranzukom­men. Ihr Partner (links) verteidigt sie. Der Kampf geht im Wasser weiter, ein Blässhuhn greift ein. Am Ende geht das Entenpaar zusammen ans Ufer, die beiden fremden Erpel sind in die Flucht geschlagen.
SCREENSHOT­S: AUS DEM VIDEO VON RONY ELIMELECH Zwei Erpel versuchen, an eine Ente heranzukom­men. Ihr Partner (links) verteidigt sie. Der Kampf geht im Wasser weiter, ein Blässhuhn greift ein. Am Ende geht das Entenpaar zusammen ans Ufer, die beiden fremden Erpel sind in die Flucht geschlagen.

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