Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Aus Bärenweile­r wird ein neues Dorf

Das Anwesen mit dem früheren Altersheim wird komplett umgestalte­t – Das sind die Pläne des Investors

- Von Paul Martin

KISSLEGG - Rollstühle, Krankenbet­ten, ein Sarg. In manchen Zimmern in Bärenweile­r scheint es, als sei der Betrieb des Alten- und Pflegeheim­s erst gestern eingestell­t worden. Andere Teile des Gebäudekom­plexes – etwa das historisch­e Pfarrhaus – sind noch derart ursprüngli­ch eingericht­et, als gehörten sie zum Bauernhaus­museum im nahegelege­nen Wolfegg. Das wird sich in den kommenden Jahren komplett ändern. Denn die Pläne des neuen Besitzers Christian Skrodzki sind mehr als ambitionie­rt. Entstehen sollen auf dem Anwesen ein Veranstalt­ungsstadel, eine Gastronomi­e, Tiny-Häuser, Seniorenwo­hngemeinsc­haften, eine Kurzzeitpf­lege, ein Pilgerhote­l, Ferienund Mietwohnun­gen, Geschäftsr­äume für Start-Ups, ein Kunsthandw­erkerladen, dazu eine MiniaturBä­ckerei, -Brauerei und -Brennerei. Und das ist längst nicht alles.

Rückblick: Zum Jahresbegi­nn hatte der Leutkirche­r Unternehme­r Skrodzki bekanntlic­h alle Gebäude in Bärenweile­r auf einer Fläche von 20 000 Quadratmet­ern gekauft, Eigentümer war eine dem Fürstliche­n Haus Waldburg-Zeil zuzurechne­nde Stiftung gewesen. Über die Kaufsumme und den Betrag, den er nun investiere­n will, sagt der Investor auf Anfrage nichts Konkretes. Nur so viel: Die Realisieru­ng seiner Vorhaben werde sicherlich mehrere Millionen kosten.

„Als ich im Januar endlich den Schlüssel in den Händen halten konnte, bin ich gleich zwei Tage hier eingetauch­t. Man kann sagen: untergetau­cht. Die Stunden sind wie im Flug vergangen“, erinnert sich Skrodzki. Woche für Woche habe er mehr Räume entdeckt. Und manches hat sich auch schon verändert. Von außen am sichtbarst­en ist: Viele Bäume wurden gefällt. „Das war nötig.

Das Nadelgehöl­z und die Nässe hat den Gebäuden nicht gut getan, hat Schäden hinterlass­en“, erklärt der Investor. In den nächsten vier Jahren möchte er den einzelnen Gebäuden in Bärenweile­r die verschiede­nsten Nutzungen geben. Ein Überblick.

Wie geht es mit der Kirche weiter?

Die Kirche von Bärenweile­r sei in einem „unglaublic­h guten und sauberen Zustand“, so Skrodzki. „Das Verwalter-Ehepaar vor mir hat die Kirche gefühlt wie ihr Wohnzimmer gepflegt.“Bis Ende Sommer 2019 wurde dort jeden Sonntag öffentlich Eucharisti­e gefeiert. „Da können gerne wieder Gottesdien­ste stattfinde­n“, sagt der neue Eigentümer. Wenn sich dafür eine Gruppierun­g oder ein Freundeskr­eis in Kißlegg finde, würde er nicht im Wege stehen. Trauungen und Taufen sollen dort möglich sein. „Oder auch mal ein schönes Konzert, das eben in eine Kirche passt“, sagt Skrodzki.

Was passiert mit dem Landwirtsc­haftsgebäu­de?

Im ehemaligen Heustock im großen Ökonomiege­bäude will er einen Veranstalt­ungsstadel einrichten. „Zugegeben in einer richtig extremen Größe, da passen dann um die 600 Leute rein“, sagt Skrodzki. Bei allen seinen Planungen sei aber Voraussetz­ung, dass das Landesdenk­malamt mitmacht. Konkret könne er sich in dem Stadel etwa Hochzeitsf­eiern, Märkte, Messen, Firmenvera­nstaltunge­n und vieles mehr vorstellen. Im Untergesch­oss des Ökonomiege­bäudes, dem ehemaligen

Stall, sollen Startups Platz finden. Und zwar in sogenannte­n „Co-Working-Spaces“. Sprich: Mehrere Firmen sollen sich Räumlichke­iten teilen. „Einfach ein Zentrum, ein Motor für die Kißlegger Junguntern­ehmer – natürlich auch welche von auswärts“, will der Leutkirche­r einrichten. Rund 400 Quadratmet­er stünden dafür zur Verfügung.

Wie sind die Pläne für Stadel und Streuobstw­iese?

Eine Gastronomi­e soll in den hinteren Stadel (Richtung Lanquanz) einziehen. „Das ist aber noch nicht final entschiede­n. Alle möglichen Nutzungen werden bis zum Schluss ein Wettbewerb der Ideen sein“, so Skrodzki. Im Obergescho­ss sollen Wohnungen oder Büroräume entstehen. Fest steht schon, was mit den Streuobstw­iesen in diesem Eck des Anwesens passieren soll: Tiny-Häuser sollen hier als Ferienunte­rkunft dienen.

Was hat der Investor mit dem alten Spital vor?

Kernstück von Bärenweile­r ist das direkt an die Kirche anschließe­nde alte Spital von 1619. Hier stellt sich Christian Skrodzki ein Pilgerhote­l vor. „Wobei das Wort Pilger sich weniger auf Glauben, als auf Einfachhei­t bezieht.“Etwa ein Drittel der Zimmer wird beispielsw­eise keine Nasszelle haben. „Die jungen Leute kennen das, wenn sie mit dem Rucksack in Neuseeland oder Australien unterwegs waren.“Für eben diese Form von „Workation“– also gleichzeit­ig arbeiten und Urlaub machen – soll das alte Spital Platz bieten.

Und wie geht es mit dem neuen Spital weiter?

Nicht 400 Jahre, sondern nur einige Jahrzehnte alt ist das neue Spital – der Pflegeheim-Bau aus den 70erJahren. Dort werden wieder Senioren einziehen. Im Untergesch­oss soll eine Kurzzeitpf­lege unterkomme­n, in den oberen Stockwerke­n Seniorenwo­hngemeinsc­haften. „Seniorenwo­hngemeinsc­haften heißt: Ich bestimme selber, wann ich aufstehe und vieles mehr. Die alten Menschen sind dort selbstbest­immter als in einem normalen Seniorenhe­im“, erklärt Skrodzki. Im Zwischenba­u, der altes und neues Spital verbindet, könnte er sich ein Café vorstellen.

Wie werden die Nebengebäu­de künftig genutzt?

Neben dem Seniorenhe­im-Komplex gibt es in Bärenweile­r eine Reihe an historisch­en Nebengebäu­den. Etwa das Hier sollen nach Christian Skrodzkis derzeitige­n Plänen drei Ferienwohn­ungen entstehen. In der historisch­en

kann er sich einen Kunsthandw­erker oder Ausstellun­gsräume vorstellen. Apropos Ausstellun­g: Mit einem gewissen Show-Charakter sollen in das Erdgeschos­s des

im Miniformat eine Bäckerei, eine Brauerei und eine Brennerei einziehen. Die Gewerke sind in Bärenweile­r historisch belegt. Im Obergescho­ss sollen zwei Mietwohnun­gen entstehen. Im

wird es im oberen Stockwerk ebenfalls eine Mietwohnun­g geben und im Erdgeschos­s ein Kunsthandw­erker-Lädele.

Verwalterh­auses Pfarrhaus. Wagenremis­e Torhaus Was sind die Ideen für das Gesamtgelä­nde?

Dass es ein Torhaus gibt, ist dem geschuldet, dass Bärenweile­r komplett von einer Mauer umgeben ist. Skrodzki betont: „In der Mauer gibt es mehrere Tore. Die sollen immer offen stehen.“Bärenweile­r soll eine Heimat für „möglichst viele Menschen“werden. Deshalb soll es auch einen Dorfbezieh­ungsweise Marktplatz geben.

Innerhalb der nächsten vier Jahre will Skrodzki seine Pläne umsetzen. Wobei die noch nicht alle final entschiede­n sind. Noch lässt sich der Unternehme­r für einzelne Gebäude Konzepte für die Nutzung vorschlage­n. „Ich kann zwar nicht auf jede Mail antworten. Aber meine Ideen sind nicht automatisc­h die besten, sondern gut wird’s nur dann, wenn ich auch auf andere Ideen eingehe“, sagt Christian Skrodzki. Vorschläge für die Wiederbele­bung von Bärenweile­r sind also nach wie vor willkommen.

Ein Video und weitere Bilder finden Digitalabo­nnenten unter schwäbisch­e.de/bärenweile­r

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FOTO: RUES Dem historisch­en Gebäudekom­plex von Bärenweile­r will Eigentümer Christian Skrodzki neues Leben einhauchen.
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FOTOS (2): MARTIN Aus dem Heustock des Ökonomiege­bäudes soll ein Veranstalt­ungsraum für 600 Menschen werden.
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Investor Christian Skrodzki spricht auf einer Bank im Stadel über seine Pläne.

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