Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Endlich wieder Wirt sein
Lindauer Restaurants und Hotels sind froh über die neuen Perspektiven
LINDAU - Am Montag darf die Außengastronomie in Bayern öffnen, in zwei Wochen dann die Hotels und Ferienhäuser. Die Betriebe Lindaus stehen freudig in den Startlöchern, obwohl eine weitere Schließung wie ein Damoklesschwert über der Branche hängt.
„Wir können es kaum erwarten, am Montag wieder Fassbier anzustechen und die Stadt wiederzubeleben“, sagt Julia Weber, Geschäftsführerin des Hotel und Restaurant Engel auf der Insel. Dass sie ihr Lokal in den wenigen Tagen startklar bekommt, daran zweifelt Weber nicht. „Wir in der Gastro sind doch alles wuselige Menschen, das wird wie atmen für uns. Und die Küchenpläne haben wir auch schon im Kopf.“
Das bayerische Kabinett hat Anfang dieser Woche die Öffnung von Außengastronomie bis 22 Uhr ab kommendem Montag erlaubt, aber nur in Kommunen mit einer stabilen Inzidenz unter 100 – außerdem braucht der Gast einen aktuellen negativen Corona-Schnelltest oder eine vollständige Impfung. Darüber hinaus müssen Gäste einen Termin buchen und Maske tragen, wenn sie ihren Sitz verlassen.
Mit den neuen Testzentren in der Maximilianstraße und im Club Vaudeville sei die Stadt auf einem guten Weg, mit Erfolg wiederzueröffnen, sagt Weber. Die Menschen, die zu
Besuch kommen, werden einen Test in Kauf nehmen – das sei doch mittlerweile kein große Sache mehr. Wie genau Julia Weber die Auflagen im Engel kontrollieren will, wird sie in den kommenden Tagen planen.
Es gebe Lindauer Lokale, die einen Mitarbeiter abstellen wollen, der sich nur um die Einhaltung der Regeln kümmert, sagt Robert Kainz, Vorstandssprecher der Interessengemeinschaft Zukunft Insel. Die neuen Vorgaben zwingen laut Kainz viele Gastronomen und Hotelbesitzer außerdem dazu, erneut Anschaffungen zu tätigen. Beispielsweise Absperrungen, damit Gäste sich nicht einfach an Tische setzen, sondern immer eingewiesen werden. „Das sind jedoch Herausforderungen, die unsere Mitglieder gerne annehmen“, sagt Kainz. Einige Gastronomen bräuchten dazu noch mehr Vorbereitungszeit und würden erst gegen Donnerstag nächster Woche mit dem Betrieb starten. Ob Restaurants und Hotels Schnelltests in ihren eigenen Räumen anbieten, das ist Kainz bisher nicht bekannt – dafür sei ja die Teststation auf der Maximilianstraße da.
So optimistisch wie Robert Kainz und Gastronomin Julia Weber ist Ludwig Gehring nicht. Der Kreisvorsitzende des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga begrüßt natürlich die Öffnungsperspektive, „es ist aber auch ein Damoklesschwert“. Der Inzidenz-Grenzwert von 100 sei streng
– der Branche drohen plötzliche erneute Schließungen.
Außerdem seien die Regeln nicht deutlich genug, sagt Gehring. Die Staatsregierung hat zwar angekündigt, konkrete Vorgaben bis kommende Woche vorzulegen, der Dehoga-Chef kritisiert dennoch die Verschlafenheit der Politik: „Das ist schon wieder alles auf den letzten Drücker und bis Montag bestimmt nicht gelöst.“Wie sollen Gastronomen beispielsweise Covid-Genesene erkennen, wie einen Geimpften, wie lange gilt ein Schnelltestergebnis – „wir wissen auch nicht, ob die Details der Hygienekonzepte vom vergangenen Jahr gelten“.
Die Gastronomen seien kommende Woche auf sich allein gestellt, sagt Gehring, „und wir müssen dann im eigenen Lokal wieder den Sheriff spielen“. Die Frustration über politische Entscheidungen hat sich eingebrannt. Die Industrie werde mit Samthandschuhen angefasst, die Wirte hingegen so streng wie kaum eine andere Branche behandelt, sagt Gehring. Den Hygienekonzepten, die im vergangenen Jahr entwickelt wurden, werde kein Vertrauen geschenkt. Projekte wie die Luca-App wären angepackt, dann aber wieder vernachlässigt worden. Der DehogaVorsitzende hofft, dass die Menschen Verständnis aufbringen, trotzdem kommen und sich beispielsweise durch den Download der LucaApp auf einen Gaststättenbesuch vorbereiten. „Das würde uns vieles vereinfachen.“Neben der Außengastronomie hat die bayerische Staatsregierung außerdem touristische Angebote ab dem 21. Mai erlaubt. In Landkreisen mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 dürfen Hotels, Ferienwohnungen sowie Campingplätze öffnen. Prompt vermeldete die Tourismusgesellschaft Allgäu GmbH, dass nach der Öffnungsmeldung der Staatsregierung am Dienstag deutlich mehr Anrufe und Anfragen in beliebten Ferienorten wie Füssen und Oberstdorf eingegangen seien. „Unsere Hotels können jetzt noch nicht voraussagen, wie viele Gäste an Pfingsten wirklich kommen“, sagt Carsten Holz, Geschäftsführer der Lindau Tourismus und Kongress GmbH (LTK). Doch: „Die Individualreisenden sitzen auf gepackten Koffern.“
Die LTK glaubt an einen guten Sommer und wird daher keine besonderen Werbekampagnen für Lindau starten. Vergangenes Jahr hätten viele Regionen im Frühsommer Geld investiert, sagt Holz, am Ende habe sich dann aber herausgestellt, dass es das gar nicht gebraucht hätte.
Die Pandemie beschleunige sowieso Trends, die der Region in die Hände spielen. Es habe vor der Pandemie bereits ein Wachstum im Bereich Camping gegeben, sagt Holz: „Außerdem war der Deutschlandtourismus stark und hat im vergangenen Sommer seinen übertriebenen Höhepunkt erreicht.“Obwohl Lindau durch die Pandemie wieder einige Monate touristisches Treiben verloren hat, wollen LTK und Stadtverwaltung deswegen nichts überstürzen: „Wir verfolgen weiterhin einen nachhaltigen Tourismus. In der Qualität liegt die Zukunft, nicht in der Quantität.“
Die Pfingstbuchungen im Hotel Engel seien verhalten, sagt Geschäftsführerin Julia Weber. Doch auch sie sehe, dass viele auf gepackten Koffern sitzen: Vor allem für den Spätsommer seien schon einige Reservierungen eingegangen. „Der gute letzte Sommer kann wiederholt werden“, glaubt Weber. Selbst wenn die Inzidenz dann doch wieder über 100 steigen sollte und sie wieder schließen müsste – auch das kriege sie hin. „Es ist jetzt keine Zeit, in ein Loch zu fallen, irgendwie wird es weitergehen, und wir machen wieder das, was wir am besten können: Gäste bewirten.“