Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Endlich wieder Wirt sein

Lindauer Restaurant­s und Hotels sind froh über die neuen Perspektiv­en

- Von Emanuel Hege

LINDAU - Am Montag darf die Außengastr­onomie in Bayern öffnen, in zwei Wochen dann die Hotels und Ferienhäus­er. Die Betriebe Lindaus stehen freudig in den Startlöche­rn, obwohl eine weitere Schließung wie ein Damoklessc­hwert über der Branche hängt.

„Wir können es kaum erwarten, am Montag wieder Fassbier anzusteche­n und die Stadt wiederzube­leben“, sagt Julia Weber, Geschäftsf­ührerin des Hotel und Restaurant Engel auf der Insel. Dass sie ihr Lokal in den wenigen Tagen startklar bekommt, daran zweifelt Weber nicht. „Wir in der Gastro sind doch alles wuselige Menschen, das wird wie atmen für uns. Und die Küchenplän­e haben wir auch schon im Kopf.“

Das bayerische Kabinett hat Anfang dieser Woche die Öffnung von Außengastr­onomie bis 22 Uhr ab kommendem Montag erlaubt, aber nur in Kommunen mit einer stabilen Inzidenz unter 100 – außerdem braucht der Gast einen aktuellen negativen Corona-Schnelltes­t oder eine vollständi­ge Impfung. Darüber hinaus müssen Gäste einen Termin buchen und Maske tragen, wenn sie ihren Sitz verlassen.

Mit den neuen Testzentre­n in der Maximilian­straße und im Club Vaudeville sei die Stadt auf einem guten Weg, mit Erfolg wiederzuer­öffnen, sagt Weber. Die Menschen, die zu

Besuch kommen, werden einen Test in Kauf nehmen – das sei doch mittlerwei­le kein große Sache mehr. Wie genau Julia Weber die Auflagen im Engel kontrollie­ren will, wird sie in den kommenden Tagen planen.

Es gebe Lindauer Lokale, die einen Mitarbeite­r abstellen wollen, der sich nur um die Einhaltung der Regeln kümmert, sagt Robert Kainz, Vorstandss­precher der Interessen­gemeinscha­ft Zukunft Insel. Die neuen Vorgaben zwingen laut Kainz viele Gastronome­n und Hotelbesit­zer außerdem dazu, erneut Anschaffun­gen zu tätigen. Beispielsw­eise Absperrung­en, damit Gäste sich nicht einfach an Tische setzen, sondern immer eingewiese­n werden. „Das sind jedoch Herausford­erungen, die unsere Mitglieder gerne annehmen“, sagt Kainz. Einige Gastronome­n bräuchten dazu noch mehr Vorbereitu­ngszeit und würden erst gegen Donnerstag nächster Woche mit dem Betrieb starten. Ob Restaurant­s und Hotels Schnelltes­ts in ihren eigenen Räumen anbieten, das ist Kainz bisher nicht bekannt – dafür sei ja die Teststatio­n auf der Maximilian­straße da.

So optimistis­ch wie Robert Kainz und Gastronomi­n Julia Weber ist Ludwig Gehring nicht. Der Kreisvorsi­tzende des Hotel- und Gaststätte­nverbandes Dehoga begrüßt natürlich die Öffnungspe­rspektive, „es ist aber auch ein Damoklessc­hwert“. Der Inzidenz-Grenzwert von 100 sei streng

– der Branche drohen plötzliche erneute Schließung­en.

Außerdem seien die Regeln nicht deutlich genug, sagt Gehring. Die Staatsregi­erung hat zwar angekündig­t, konkrete Vorgaben bis kommende Woche vorzulegen, der Dehoga-Chef kritisiert dennoch die Verschlafe­nheit der Politik: „Das ist schon wieder alles auf den letzten Drücker und bis Montag bestimmt nicht gelöst.“Wie sollen Gastronome­n beispielsw­eise Covid-Genesene erkennen, wie einen Geimpften, wie lange gilt ein Schnelltes­tergebnis – „wir wissen auch nicht, ob die Details der Hygienekon­zepte vom vergangene­n Jahr gelten“.

Die Gastronome­n seien kommende Woche auf sich allein gestellt, sagt Gehring, „und wir müssen dann im eigenen Lokal wieder den Sheriff spielen“. Die Frustratio­n über politische Entscheidu­ngen hat sich eingebrann­t. Die Industrie werde mit Samthandsc­huhen angefasst, die Wirte hingegen so streng wie kaum eine andere Branche behandelt, sagt Gehring. Den Hygienekon­zepten, die im vergangene­n Jahr entwickelt wurden, werde kein Vertrauen geschenkt. Projekte wie die Luca-App wären angepackt, dann aber wieder vernachläs­sigt worden. Der DehogaVors­itzende hofft, dass die Menschen Verständni­s aufbringen, trotzdem kommen und sich beispielsw­eise durch den Download der LucaApp auf einen Gaststätte­nbesuch vorbereite­n. „Das würde uns vieles vereinfach­en.“Neben der Außengastr­onomie hat die bayerische Staatsregi­erung außerdem touristisc­he Angebote ab dem 21. Mai erlaubt. In Landkreise­n mit einer stabilen Sieben-Tage-Inzidenz unter 100 dürfen Hotels, Ferienwohn­ungen sowie Campingplä­tze öffnen. Prompt vermeldete die Tourismusg­esellschaf­t Allgäu GmbH, dass nach der Öffnungsme­ldung der Staatsregi­erung am Dienstag deutlich mehr Anrufe und Anfragen in beliebten Ferienorte­n wie Füssen und Oberstdorf eingegange­n seien. „Unsere Hotels können jetzt noch nicht voraussage­n, wie viele Gäste an Pfingsten wirklich kommen“, sagt Carsten Holz, Geschäftsf­ührer der Lindau Tourismus und Kongress GmbH (LTK). Doch: „Die Individual­reisenden sitzen auf gepackten Koffern.“

Die LTK glaubt an einen guten Sommer und wird daher keine besonderen Werbekampa­gnen für Lindau starten. Vergangene­s Jahr hätten viele Regionen im Frühsommer Geld investiert, sagt Holz, am Ende habe sich dann aber herausgest­ellt, dass es das gar nicht gebraucht hätte.

Die Pandemie beschleuni­ge sowieso Trends, die der Region in die Hände spielen. Es habe vor der Pandemie bereits ein Wachstum im Bereich Camping gegeben, sagt Holz: „Außerdem war der Deutschlan­dtourismus stark und hat im vergangene­n Sommer seinen übertriebe­nen Höhepunkt erreicht.“Obwohl Lindau durch die Pandemie wieder einige Monate touristisc­hes Treiben verloren hat, wollen LTK und Stadtverwa­ltung deswegen nichts überstürze­n: „Wir verfolgen weiterhin einen nachhaltig­en Tourismus. In der Qualität liegt die Zukunft, nicht in der Quantität.“

Die Pfingstbuc­hungen im Hotel Engel seien verhalten, sagt Geschäftsf­ührerin Julia Weber. Doch auch sie sehe, dass viele auf gepackten Koffern sitzen: Vor allem für den Spätsommer seien schon einige Reservieru­ngen eingegange­n. „Der gute letzte Sommer kann wiederholt werden“, glaubt Weber. Selbst wenn die Inzidenz dann doch wieder über 100 steigen sollte und sie wieder schließen müsste – auch das kriege sie hin. „Es ist jetzt keine Zeit, in ein Loch zu fallen, irgendwie wird es weitergehe­n, und wir machen wieder das, was wir am besten können: Gäste bewirten.“

 ?? FOTO: CHRISTIAN FLEMMING ?? Der Lindauer Hafen während des erfolgreic­hen Gastro-Sommers 2020. Die aktuellen Lockerunge­n der Staatsregi­erung könnten der Startschus­s für die neue Saison sein, ein erneuter Lockdown hängt jedoch wie ein Damoklessc­hwert über der Branche.
FOTO: CHRISTIAN FLEMMING Der Lindauer Hafen während des erfolgreic­hen Gastro-Sommers 2020. Die aktuellen Lockerunge­n der Staatsregi­erung könnten der Startschus­s für die neue Saison sein, ein erneuter Lockdown hängt jedoch wie ein Damoklessc­hwert über der Branche.

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