Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Weniger Patienten, erschöpftes Personal
Covid-19-Lage am Häfler Klinikum entspannt sich momentan – Covid-Station auch 2022
FRIEDRICHSHAFEN - Weniger Patienten, weniger schwere Fälle: die Covid-19-Lage entspannt sich momentan etwas im Klinikum Friedrichshafen, die dritte Corona-Welle scheint abzuebben. Dennoch warnt Prof. Dr. Christian Arnold, Chefarzt und Zentrumsdirektor beim Medizin-Campus-Bodensee (MCB), vor zu frühen Lockerungen der CoronaBeschränkungen. Weiterhin gehe es um Leben und Tod bei der Behandlung der Krankheit, das medizinische Personal sei zunehmend erschöpft und ernüchtert.
„Wir sehen erfreulicherweise, dass die Zahl der Covid-19-Patienten bei uns im Haus seit dem vergangenen Wochenende abnimmt“, sagt Christian Arnold. Aktuell werden in Friedrichshafen 23 Patienten stationär behandelt, drei davon werden auf der Intensivstation beatmet. Erst vor rund zwei Wochen musste eine weitere Covid-19-Station eröffnet werden, „weil zu diesem Zeitpunkt die Zahlen wieder stark zugenommen hatten“. Aktuell gibt es vier Corona-Stationen, davon eine intensivmedizinische. 45 bis 50 Patienten könnten hier behandelt werden. Wenn der Trend so anhalte, könne man eine Station bald wieder schließen – vielleicht schon nächste Woche.
Während der zweiten Welle mussten in der Spitze zwischen 70 und 80 Covid-Patienten in Friedrichshafen versorgt werden. Zuletzt waren es maximal zwischen 30 und 40. „Die dritte Welle hat uns in der Klinik nicht ganz so stark getroffen wie die zweite“, so Arnold. Zum einen waren ältere Menschen, die von schweren Verläufen stärker betroffen sind, schon überwiegend geimpft. Aber auch weil das Personal geimpft und besser geschult sei, „die Abläufe und die Wege waren eingespielt“, sagt Arnold, „wir konnten schneller in den Krisenmodus umschalten“.
Auch bei der Behandlung der Krankheit ist man erfahrener: Cortisontherapie, Blutverdünnung und das Medikament Remdesivir in Einzelfällen seien Optionen. Im ambulanten Bereich stehe außerdem eine Antikörpertherapie zur Verfügung. Sie helfe in einem frühen Stadium der Krankheit Menschen, die aufgrund von Vorerkrankungen einen schweren Verlauf zu befürchten haben. Es würden alle Register gezogen, „aber wir wissen, dass der Verlauf von Covid-19 immer fatal enden kann.“
Immer noch müssen planbare Eingriffe verschoben werden, weil Betten für Covid-19-Patienten vorgehalten werden müssen. „Wir versuchen, das alles wieder aufzuholen“, berichtet Arnold. Man sehe auch, dass Patienten mit schweren Erkrankungen wie Krebs spät zum Arzt gehen. „Einige zu spät“, bedauert Arnold,
man habe es vermehrt mit fortgeschrittenen Krankheiten zu tun. „Wer krank ist, sollte unbedingt zu seinem Hausarzt gehen“, appelliert der Mediziner, mit Symptomen eines Herzinfarkts oder Schlaganfalls sofort ins Krankenhaus. Andererseits stelle man auch beim MCB fest, dass aufgrund der Hygieneregeln kaum noch Erkältungs- und Durchfallkrankheiten auftreten. Für die Zeit nach Corona könne man lernen, dass man auch künftig während der Erkältungszeit mit einer Maske zum Einkaufen geht.
Arnold versteht die Sehnsucht der Menschen nach Lockerungen, man habe die jetzigen Probleme aber vielleicht auch deshalb, weil zu früh gelockert wurde. Sorgen machen ihm gerade vor allem die hohen Inzidenzzahlen in den Schulen. „Der Lockdown muss stringent sein“, sagt er deshalb, bei niedrigen Zahlen könne man dann auch wieder Lockerungen verantworten. Vor allem Geimpfte, Genesene oder tagesaktuell getestete sollten wieder Freiheiten genießen können, „aber mit Augenmaß“.
„Es besteht eine Ernüchterung und Müdigkeit“, sagt Arnold zur Stimmung beim medizinischen Personal und „ein zunehmendes Unverständnis gegenüber Leuten, die Krankheit nach wie vor nicht ernst nehmen.“Pfleger und Ärzte seien müde und freuten sich, wenn die Infektionszahlen zurückgehen. Zum Glück würden aktuell nicht mehr so viele Menschen an der Krankheit sterben. „Das hat uns hart getroffen in der zweiten Welle.“Betten seien zeitweise nur freigeworden, wenn Menschen gestorben seien.
Momentan habe man jüngere Menschen im Krankenhaus, die schwer an Covid-19 erkrankt sind, Menschen um die 60 Jahre, die nicht so häufig sterben aber oft lange behandelt werden müssten. Betroffen seien auch 30- bis 40-jährige, meistens mit Vorerkrankungen wie Asthma, Adipositas oder Diabetes. Vermehrt gehe es jetzt um Menschen mit niedrigem Bildungsstand: „das, was wir täglich in den Nachrichten hören, trifft auch auf uns zu“. Leider gebe es immer noch Menschen, die die Corona-Maßnahmen nicht einhalten und dann Infektionen verbreiten. Auch bei den jetzt jüngeren Patienten gehe es oft um Leben oder
Tod. „Sobald jemand beatmet werden muss, ist die Prognose extrem schlecht“, sagt der Mediziner, vor allem wenn Vorerkrankungen bestünden. „Das Impfen ist das Allerwichtigste“, so Arnold, der überzeugt ist, dass man die Pandemie in den Griff bekommen wird. Hygienemaßnahmen und Tests seien weitere wichtige Bausteine. Aber: „Wir werden die Covid-19-Erkrankungen nicht komplett loswerden“. Arnold glaubt, dass aufgrund der Mutationen „6- bis 12monatig Auffrischimpfungen nötig sein werden.“Auch für die Influenza bekomme man ja jährlich eine Auffrischimpfung. Unterschwellig werde das Virus immer da sein, aufgrund der Impfungen und der vielen Genesenen werde die Zahl der Erkrankten zurückgehen. Mindestens im nächsten Jahr werde man in den Krankenhäusern wie dem Klinikum Friedrichshafen weiter eine Covid-19-Station vorhalten müssen.