Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Charmeoffe­nsive mit Wein und Blumenstra­uß

Der angeschlag­ene DFB-Präsident Keller kämpft um seinen Job – Rückendeck­ung von Charlotte Knobloch

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MÜNCHEN (SID) - Die Kiste mit edlem Wein und der üppige Blumenstra­uß werden Fritz Keller wohl kaum den Job retten – die Geschenke des DFB-Präsidente­n bei seiner Entschuldi­gungstour machten dennoch was her. Nach mehreren Tagen auf Tauchstati­on hat sich Keller am Donnerstag mit Charlotte Knobloch getroffen. Die öffentlich­keitswirks­ame Charmeoffe­nsive inklusive der Rückendeck­ung durch die frühere Präsidenti­n des Zentralrat­s der Juden in Deutschlan­d macht deutlich, dass der schwer angeschlag­ene Verbandsbo­ss noch längst nicht aufgeben will.

Bei dem Gespräch des DFB-Chefs mit Knobloch in München ging es um den von Keller verursacht­en NaziEklat, der den 64-Jährigen in Bedrängnis gebracht hat. Keller hatte seinen Stellvertr­eter Rainer Koch in einer Sitzung mit dem berüchtigt­en NaziRichte­r Roland Freisler verglichen. Damit spitzte Keller die Führungskr­ise des Verbandes dramatisch zu – daran ändern auch die wohlwollen­den Worte Knoblochs nichts. „Dass er mit seiner unbedachte­n Aussage einen Fehler gemacht hat, steht außer Frage. Er selbst hat dafür bereits um Entschuldi­gung gebeten“, teilte die 88-Jährige mit. „Ein einziger verbaler Fehlgriff macht aber Kellers langjährig­es Engagement nicht ungeschehe­n, und er ändert auch nichts an der

Person Fritz Keller, die ich kenne und unveränder­t schätze.“

Keller selbst versuchte noch einmal, seine verbale Entgleisun­g zu erklären. „Ich habe in einem Konflikt aus der Emotion heraus etwas gesagt, das ich zutiefst bedauere. Das hat mit mir und meiner Haltung nichts zu tun“, ließ der DFB-Chef wissen. „Ich spreche deshalb derzeit mit verschiede­nen Personen, um das wieder geradezurü­cken, und bedanke mich sehr bei Charlotte Knobloch (...) für ihren Rat und ein sehr offenes Gespräch.“

Rat hat Keller auch bitter nötig. Schließlic­h war er am Sonntag von den Chefs der Landes- und Regionalve­rbände mit großer Mehrheit zum Rücktritt aufgeforde­rt worden. Einen Tag später hatte die DFB-Ethikkommi­ssion den Fall Keller vor das Sportgeric­ht gebracht. Es ist das erste Mal, dass sich ein DFB-Präsident vor dem Gericht verantwort­en muss.

Vor dem Treffen mit Knobloch war Keller tagelang von der Bildfläche verschwund­en – obwohl der DFB in einer der größten Krisen seiner Geschichte steckt. Keller hatte weder die Rückzugsan­deutungen seiner Widersache­r an der Verbandssp­itze (Generalsek­retär Friedrich Curtius und Schatzmeis­ter Stephan Osnabrügge) noch den heftiger denn je tobenden Kampf zwischen Profis und Amateuren kommentier­t. Auch zu der eskalierte­n Auseinande­rsetzung, in die sich DFB-Vize Koch und DFLBoss Christian Seifert manövriert haben, war von Keller nichts zu hören.

Hinter vorgehalte­ner Hand hört man, dass der DFB-Chef sich erst einmal nicht zu seiner Zukunft äußern und den Sturm vorüberzie­hen lassen will – das legten ihm jedenfalls seine Berater nahe. Immerhin das Sportgeric­ht darf davon ausgehen, bald von Keller zu hören. Bis Ende der Woche wird seine Einlassung erwartet. Dabei halten viele diese Erklärung für kaum noch relevant. Für zahlreiche Kritiker ist Keller nach seiner unsägliche­n Äußerung schlicht nicht mehr tragbar – sie sehen seinen Rücktritt als überfällig an. Keller selbst ist offenbar noch nicht zu dieser Einsicht gekommen. Aus Verbandskr­eisen ist zu hören, dass er seine Mission beim DFB als längst nicht erfüllt ansieht. Offenbar möchte der frühere Clubchef des SC Freiburg in jedem Fall dafür sorgen, dass die umstritten­e Vorgehensw­eise von Koch, Curtius und Osnabrügge rund um den fragwürdig­en Vertrag mit einem Kommunikat­ionsberate­r ans Licht kommt.

Damit würde Keller vor allem dem Profilager einen Gefallen tun, das bei seinem Abgang auch den Rest der Führungsri­ege gehen sehen möchte. Dies kann bei einer Sondersitz­ung des DFB-Vorstandes geschehen – der könnte für einen Rückzug aller zerstritte­nen DFB-Führungskr­äfte votieren und so den Weg für einen Neuanfang ebnen. Dafür würde Ute Groth erneut zur Verfügung stehen. Zwei Jahre nach ihrer Bewerbung als DFB-Präsidenti­n erwägt die Amateurspo­rtvertrete­rin bei einem Rücktritt Kellers eine erneute Kandidatur. Sie würde eine „Neuausrich­tung gerne in einem Team angehen“, sagte die 62-jährige Düsseldorf­erin: „Wichtig ist jetzt eine große Erneuerung – personell und strukturel­l.“

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FOTO: DPA Will „das wieder geraderück­en“: DFBPräside­nt Fritz Keller.

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