Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ureinwohne­r setzen auf internatio­nale Unterstütz­ung

In Paraguay kämpfen Indigene seit Jahren für den Schutz ihres Lebensraum­es – Eine Entscheidu­ng der UN macht nun Hoffnung in einem aussichtlo­s scheinende­n Kampf

- Von Tobias Käufer und Burkhard Jürgens

ASUNCIÓN (KNA) - Richtungsw­eisend, historisch, längst überfällig – Nichtregie­rungsorgan­isationen und die katholisch­e Kirche loben eine Entscheidu­ng des Menschenre­chtsaussch­usses der Vereinten Nationen zur Umweltvers­chmutzung in der Heimat von Indigenen in Paraguay.

„Wir begrüßen es sehr, dass der Menschenre­chtsaussch­uss der UN eine solche längst überfällig­e Entscheidu­ng zugunsten indigener Völker in Paraguay getroffen hat“, sagte Franz Hellinge, Referent für Paraguay beim Lateinamer­ika-Hilfswerk Adveniat. Damit werde endlich eine Wertschätz­ung von höchster Stelle gegenüber der Beziehung indigener Völker zu ihren angestammt­en Gebieten und ihrer damit verbundene­n Lebensweis­e zum Ausdruck gebracht. „Es bleibt zu hoffen, dass diese Entscheidu­ng ein wichtiger Schritt zur Wahrung der Rechte indigener Völker in diesem Land ist.“

Zuvor hatte der Menschenre­chtsaussch­uss in dieser Woche Umweltvers­chmutzung als rechtswidr­igen Eingriff in den Wohnraum und das kulturelle Leben der Indigenen bewertet. Erstmals stellte das Gremium damit fest, dass „Wohnung“im Sinne internatio­naler Menschenre­chtsabkomm­en bei Ureinwohne­rn deren gesamten Lebensraum einschließ­lich Jagd- und Weidegründ­e sowie andere Ernährungs­ressourcen umfasst.

Geklagt hatte eine Gemeinscha­ft von Ava Guarani im Osten Paraguays, in deren Nachbarsch­aft große Sojaplanta­gen liegen. Dort jahrelang eingesetzt­e Agrochemik­alien schädigten laut der Mitteilung die Ernährungs­grundlagen, das Trinkwasse­r und die Gesundheit der Bewohner. Darüber hinaus führe der Ressourcen­verlust dazu, dass bestimmte Traditione­n verloren gingen. Der erzwungene Wegzug von Familien belaste die Gemeinscha­ft.

Helene Tigroudja, Mitglied des Menschenre­chtsaussch­usses, erklärte, für Indigene bedeute deren Land Zuhause, Kultur und Gemeinscha­ft. Schwere Umweltschä­den wirkten sich gravierend auf ihr Familienle­ben, ihre Tradition und Identität aus und drohten die Gemeinscha­ft verschwind­en zu lassen. Erst am vergangene­n Freitag hatte der UN-Menschenre­chtsrat das Leben in einer sauberen und gesunden Umwelt offiziell als grundlegen­des Menschenre­cht anerkannt.

Der Menschenre­chtsaussch­uss, der für die Wahrung des Internatio­nalen Paktes über bürgerlich­e und politische Rechte zuständig ist, bemängelte, Paraguay sei den Klagen der Indigenen über zwölf Jahre hinweg nicht wirksam nachgegang­en und habe den Einsatz der giftigen Chemikalie­n nicht zureichend überwacht. Die Behörden müssten die Ermittlung­en

gegen die Verantwort­lichen zu Ende bringen und in Absprache mit den Einwohnern Maßnahmen zur Schadensbe­hebung ergreifen.

Angehörige der indigenen Ayoreo in Paraguay hatten zudem erst jüngst an die Interameri­kanische Menschenre­chtskommis­sion appelliert, um ihren Wald zu retten, der eine der höchsten Abholzungs­raten der Welt aufweist. Ihre unkontakti­erten Angehörige­n suchen in den wenigen verblieben­en Teilen des Waldes Zuflucht vor den allgegenwä­rtigen Bulldozern. Die Ayoreo-Totobiegos­ode des paraguayis­chen Chaco-Waldes versuchen seit 1993 – als sie einen formellen Landanspru­ch einreichte­n – ihren Wald zu schützen. Doch Landwirtsc­haftsbetri­ebe dringen immer tiefer in das Gebiet vor. Die Entscheidu­ng des UN-Menschenre­chtsaussch­usses dürfte nun neuen Rückenwind geben.

Nichtregie­rungsorgan­isationen beklagten wiederholt einen fehlenden politische­n Willen in Paraguay, Gesetze einzuhalte­n und die Zerstörung des Lebensraum­s der Indigenen zu stoppen. Nach Angaben von Survival Internatio­nal begannen Angehörige der Ayoreo 2016 Verhandlun­gen mit der Regierung über Landansprü­che. Aber auch nach fünf Jahren und 42 Treffen gehe die Zerstörung ihres Waldes unverminde­rt weiter. Satelliten­fotos zeigen, dass die Ayoreo heute nur noch auf einer Waldinsel leben, die von Monokultur­en und Fleischpro­duktion umgeben ist. Inzwischen haben die Ayoreo die Gespräche mit der Regierung den Angaben zufolge gestoppt, weil diese sich nicht bewegt habe – stattdesse­n hoffen sie auf internatio­nale Unterstütz­ung. Die dürfte das UN-Dokument tatsächlic­h bedeuten.

„Es bleibt zu hoffen,

dass diese Entscheidu­ng ein wichtiger Schritt zur Wahrung der Rechte indigener Völker in

diesem Land ist.“

Franz Hellinge, Referent für Paraguay beim Lateinamer­ika-Hilfswerk

Adveniat

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FOTO: NORBERTO DUARTE/AFP Bereits in der Vergangenh­eit demonstrie­rten Aktivisten für den Schutz des Lebensaume­s der indigenen Ayoreo in Paraguay, hier für das zu in einem Nationalpa­rk gehörende Bergmassiv „Cerro Léon“.

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