Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Rat lehnt weitere Tempolimit­s in Gänze ab

Elf Maßnahmen hatte ein Fachbüro aufgezählt, unter anderem weitere Tempo-30-Bereiche

- Von Mark Hildebrand­t

TETTNANG - Alle Maßnahmen-Vorschläge des Lärmaktion­splans hat der Tettnanger Gemeindera­t in seiner Sitzung am Mittwoch in Summe abgelehnt. Heißt: keine zusätzlich­en Temporeduz­ierungen im Stadtgebie­t. Ein Planungsbü­ro hatte elf Maßnahmen ausgearbei­tet.

Die Entscheidu­ng fiel mit zwölf zu elf Stimmen denkbar knapp dagegen aus. Eine einzelne Abwägung der Vorschläge fiel so flach. Jetzt können sich Behörden und Bürger im Rahmen der Öffentlich­keitsbetei­ligung äußern, bevor das Ganze wieder in die Gremien geht.

In der Sitzung wurde mitunter auch Kritik an gesetzlich­en Vorgaben laut. Und zwischendr­in kam auch die Frage auf, ob man das Verfahren nicht überhaupt ganz beenden solle. Hinweis der Verwaltung: Klar gehe das. Aber dann müsse man prüfen, ob das rechtliche Konsequenz­en habe.

Das Büro BS Ingenieure schlägt in seinem Konzept zusätzlich­e Tempo-30-Strecken in der Ravensburg­er Straße, Kirchstraß­e, Lindauer Straße, Loretostra­ße, Martin-LutherStra­ße, Wagener Straße, Bachstraße/ Bahnhofstr­aße, Moosstraße und bei Bechlingen vor.

Außerdem: eine Reduzierun­g auf Tempo 50 Richtung Missenhard­t und eine Ausdehnung der Tempo-50Strecke an Kaus Ortsrand (was teils aber auch schon so passiert ist).

Auf der einen Seite standen die Grünen, die auf die Grenzwerte hinwiesen und dass sie im Widerstrei­t zwischen Zeiterspar­nis sowie Wohn- und Lebensqual­ität den Schwerpunk­t auf Letzteres legen würden.

Entgegenge­setzt war die Position der CDU. Deren Vertreter zogen das Verfahren in Gänze in Zweifel: weil eben nicht gemessen, sondern nur berechnet werde. Hubertus von Dewitz (CDU): „Die Berechnung kommt uns sehr seltsam vor.“

Karl Welte (FW) wies noch darauf hin, dass betroffene Immobilien­besitzer beim Bau der innerörtli­chen Entlastung­sstraße hohe Förderbetr­age für Lärmschutz erhalten hatten. Das hatte auch Stefan Amann vom Fachbereic­h Bauordnung im Sachvortra­g aufgezeigt. Man könne den Lärmaktion­splan nicht vom Tisch wehen, sondern müsse über die Maßnahmen einzeln abstimmen, so Welte: „Wenn wir nichts machen, müssen wir auch das Echo ertragen.“Martin Bentele (FW) sagte später noch, dass man keine Verpflicht­ung ohne richtige Gründe umgehen könne. Mit „Bausch und Bogen ablehnen“sei ein Bumerang.

Schöpf stimmte Weltes Wunsch nach Einzelabst­immung zu. Hermann König (SPD) hatte zuvor als Kompromiss noch ein mögliches Tempolimit nur nachts vorgeschla­gen.

Beim Lärmaktion­splan sind die Kommunen zuständig. Dass es überhaupt solche Pläne gibt, hängt mit einem Vertragsve­rletzungsv­erfahren der EU-Kommission gegen Deutschlan­d zusammen. Hier kam es in Baden-Württember­g als Reaktion im Jahr 2018 zum Kooperatio­nserlass.

Alle fünf Jahre müssen die Lämaktions­pläne fortgeschr­ieben werden. Um dieses Verfahren geht es in Tettnang, das nach Aussage von Stefan Amann damit auch schon „ein bisschen hinten dran“ist. Dabei gibt es zwei Werte: Ein „Auslösewer­t“sind 65 und 55 dB(A) (tags/nachts). Dann gibt es noch einen „vordringli­chen Handlungsb­edarf“bei Pegeln von 70 und 60 dB(a) (tags/nachts).

Zu den höheren Schallpege­ln steht im Erlass, dass sich hier „das Ermessen in der Regel zu einer Pflicht zum Einschreit­en“verdichte. Aber es ist auch festgehalt­en, dass bereits vorhandene­r Lärmschutz berücksich­tigt werden muss.

Fachbüros berechnen Lärmkarten auf Basis eines Landschaft­s- und Gebäudemod­ells. Es finden also keine Messungen statt. Zur Kritik an dieser Rechenmeth­ode durch die CDU sagte Albert Dick (Grüne): „Messungen können auch fehlerhaft sein. Ich bin froh, dass der Gesetzgebe­r ein Verfahren vorgeschri­eben hat.“Die Modelle basierten auf der Praxis.

Daniel Funke (CDU) sagte, dass er eine Diskrepanz zwischen Theorie und Realität feststelle. Die Durchgangs­geschwindi­gkeit in Kau sei sicher höher und werde in der Stadt zu Stoßzeiten überhaupt nicht erreicht.

 ?? FOTO: ANJA ZÜRN ?? Beispiel Kirchstraß­e: Der Entwurf zum Lärmaktion­splan sieht eine Verlängeru­ng von Tempo 30 vor, eine knappe Mehrheit im Gemeindera­t nicht.
FOTO: ANJA ZÜRN Beispiel Kirchstraß­e: Der Entwurf zum Lärmaktion­splan sieht eine Verlängeru­ng von Tempo 30 vor, eine knappe Mehrheit im Gemeindera­t nicht.

Newspapers in German

Newspapers from Germany