Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Rat lehnt weitere Tempolimits in Gänze ab
Elf Maßnahmen hatte ein Fachbüro aufgezählt, unter anderem weitere Tempo-30-Bereiche
TETTNANG - Alle Maßnahmen-Vorschläge des Lärmaktionsplans hat der Tettnanger Gemeinderat in seiner Sitzung am Mittwoch in Summe abgelehnt. Heißt: keine zusätzlichen Temporeduzierungen im Stadtgebiet. Ein Planungsbüro hatte elf Maßnahmen ausgearbeitet.
Die Entscheidung fiel mit zwölf zu elf Stimmen denkbar knapp dagegen aus. Eine einzelne Abwägung der Vorschläge fiel so flach. Jetzt können sich Behörden und Bürger im Rahmen der Öffentlichkeitsbeteiligung äußern, bevor das Ganze wieder in die Gremien geht.
In der Sitzung wurde mitunter auch Kritik an gesetzlichen Vorgaben laut. Und zwischendrin kam auch die Frage auf, ob man das Verfahren nicht überhaupt ganz beenden solle. Hinweis der Verwaltung: Klar gehe das. Aber dann müsse man prüfen, ob das rechtliche Konsequenzen habe.
Das Büro BS Ingenieure schlägt in seinem Konzept zusätzliche Tempo-30-Strecken in der Ravensburger Straße, Kirchstraße, Lindauer Straße, Loretostraße, Martin-LutherStraße, Wagener Straße, Bachstraße/ Bahnhofstraße, Moosstraße und bei Bechlingen vor.
Außerdem: eine Reduzierung auf Tempo 50 Richtung Missenhardt und eine Ausdehnung der Tempo-50Strecke an Kaus Ortsrand (was teils aber auch schon so passiert ist).
Auf der einen Seite standen die Grünen, die auf die Grenzwerte hinwiesen und dass sie im Widerstreit zwischen Zeitersparnis sowie Wohn- und Lebensqualität den Schwerpunkt auf Letzteres legen würden.
Entgegengesetzt war die Position der CDU. Deren Vertreter zogen das Verfahren in Gänze in Zweifel: weil eben nicht gemessen, sondern nur berechnet werde. Hubertus von Dewitz (CDU): „Die Berechnung kommt uns sehr seltsam vor.“
Karl Welte (FW) wies noch darauf hin, dass betroffene Immobilienbesitzer beim Bau der innerörtlichen Entlastungsstraße hohe Förderbetrage für Lärmschutz erhalten hatten. Das hatte auch Stefan Amann vom Fachbereich Bauordnung im Sachvortrag aufgezeigt. Man könne den Lärmaktionsplan nicht vom Tisch wehen, sondern müsse über die Maßnahmen einzeln abstimmen, so Welte: „Wenn wir nichts machen, müssen wir auch das Echo ertragen.“Martin Bentele (FW) sagte später noch, dass man keine Verpflichtung ohne richtige Gründe umgehen könne. Mit „Bausch und Bogen ablehnen“sei ein Bumerang.
Schöpf stimmte Weltes Wunsch nach Einzelabstimmung zu. Hermann König (SPD) hatte zuvor als Kompromiss noch ein mögliches Tempolimit nur nachts vorgeschlagen.
Beim Lärmaktionsplan sind die Kommunen zuständig. Dass es überhaupt solche Pläne gibt, hängt mit einem Vertragsverletzungsverfahren der EU-Kommission gegen Deutschland zusammen. Hier kam es in Baden-Württemberg als Reaktion im Jahr 2018 zum Kooperationserlass.
Alle fünf Jahre müssen die Lämaktionspläne fortgeschrieben werden. Um dieses Verfahren geht es in Tettnang, das nach Aussage von Stefan Amann damit auch schon „ein bisschen hinten dran“ist. Dabei gibt es zwei Werte: Ein „Auslösewert“sind 65 und 55 dB(A) (tags/nachts). Dann gibt es noch einen „vordringlichen Handlungsbedarf“bei Pegeln von 70 und 60 dB(a) (tags/nachts).
Zu den höheren Schallpegeln steht im Erlass, dass sich hier „das Ermessen in der Regel zu einer Pflicht zum Einschreiten“verdichte. Aber es ist auch festgehalten, dass bereits vorhandener Lärmschutz berücksichtigt werden muss.
Fachbüros berechnen Lärmkarten auf Basis eines Landschafts- und Gebäudemodells. Es finden also keine Messungen statt. Zur Kritik an dieser Rechenmethode durch die CDU sagte Albert Dick (Grüne): „Messungen können auch fehlerhaft sein. Ich bin froh, dass der Gesetzgeber ein Verfahren vorgeschrieben hat.“Die Modelle basierten auf der Praxis.
Daniel Funke (CDU) sagte, dass er eine Diskrepanz zwischen Theorie und Realität feststelle. Die Durchgangsgeschwindigkeit in Kau sei sicher höher und werde in der Stadt zu Stoßzeiten überhaupt nicht erreicht.