Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Ende der englischen Erfolgsges­chichte

Trainer Jürgen Klopp wird den FC Liverpool im Sommer nach neun Jahren verlassen

- Von Thomas Nowag

3. Liga (23. Spieltag)

Hallescher FC – Waldh. Mannheim 1:4 (0:1) Bundesliga der Frauen (11. Spieltag) Werder Bremen – B. Leverkusen 2:1 (0:1)

LIVERPOOL (SID) - Die TV-Kamera läuft, aber nach diesem wilden Ritt von bald neun Jahren braucht Jürgen Klopp noch ein paar Sekunden. Ein unsicheres Lächeln, ein Blick nach unten, dann schafft er es, den Fans des FC Liverpool zu sagen, was ihm seit Monaten die Seele einschnürt. „Ich verlasse den Verein am Ende dieser Saison“, bringt er heraus – und eine Schockwell­e rast durch den englischen Fußball.

Jürgen Klopp ist zutiefst erschöpft, daran lässt er keinerlei Zweifel. Er fühle sich ausgebrann­t, habe „schon zu lange kein normales Leben“, er gießt seine Gefühle in ein starkes Bild. „So habe ich versucht, das meiner Ulla zu erklären“, sagt er: „Ich bin immer noch ein gepflegter Sportwagen, nicht der beste, aber ein guter. Ich kann immer noch 160, 170, 180 Meilen pro Stunde fahren – aber ich bin der Einzige, der sieht, wie die Tanknadel abstürzt.“Deshalb sei es Zeit, die Bremse zu treten.

Der 56-Jährige ist noch nie mit Halbgas gefahren. Schon in sieben Jahren beim FSV Mainz 05 und weiteren sieben bei Borussia Dortmund peitschte der Meistertra­iner seine Spieler und sich selbst an alle Grenzen, mit hohem Einsatz und maximaler Leidenscha­ft. „Ich habe ganz hohen Respekt vor dieser Entscheidu­ng“, sagte BVB-Chef HansJoachi­m Watzke. „Das zeigt einmal mehr, dass Jürgen außergewöh­nlich ist.“Auch Bayern-Trainer Thomas Tuchel, der Klopp einst in Mainz und Dortmund nachfolgte und der ihn später auch als Coach des FC Chelsea herausford­erte, zeigte sich beeindruck­t. „Das muss ich erst mal verdauen. Kloppo ist einer der alleraller­allerbeste­n Trainer auf der Welt.“

2015 hatte sich Klopp als „The Normal One“bei den Reds vorgestell­t, quasi als Gegenentwu­rf zum egozentris­chen José Mourinho. „Ich bin auch heute noch ein normaler Kerl“, sagte er nun, „aber ich möchte nicht warten, bis ich zu alt für ein normales Leben bin. Ich hatte noch nie eines – ich will es zumindest mal ausprobier­en.“

Die ewig blubbernde­n Spekulatio­nen über einen baldigen Wechsel ins Amt des Bundestrai­ners sollten sich erledigt haben, obwohl Julian Nagelsmann­s Vertrag vorerst nur bis zur Heim-EM im Sommer läuft. Denn alles hört sich danach an, dass Klopp eine längere Pause einlegen wird. Selbst sein Karriereen­de erscheint möglich. Er werde, betonte er, mindestens ein Jahr lang „keinen Verein und keine Nationalma­nnschaft“übernehmen.

„Mir geht die Energie aus“, betonte er. Wenn man mich fragt, ob ich jemals wieder als Trainer arbeiten werde, würde ich jetzt Nein sagen. Aber ich weiß ja nicht, wie sich das anfühlt.“Nach seiner BVBZeit hatte er bis zur Unterschri­ft in Liverpool im Oktober 2015 nur etwas mehr als vier Monate pausiert.

An der legendären Anf ield Road haben sie Klopp dann sofort ins

Herz geschlosse­n. Seine Art kam an, seine dreifache Faust nach Siegen wurde ein Markenzeic­hen, Klopp traf den Ton: auch im Umgang mit erkrankten Fans oder der schweren historisch­en Belastung der Toten der Stadionkat­astrophe von Hillsborou­gh. „Ich liebe absolut alles an diesem Verein, an dieser Stadt, und ich liebe euch Fans“– selbst bei der Ankündigun­g seines Abschieds klang Klopp genau so, als ob er dafür geboren worden sei, genau diesen Club zu trainieren.

Auch der Erfolg stimmte. Klopp führte Liverpool mit Powerfußba­ll unter anderem zum ChampionsL­eague-Triumph 2019 und zum Meistertit­el 2020, dem ersten der Reds nach 30 Jahren. Vor dieser Saison baute Klopp noch einmal ein neues Team auf. Und diese Maßnahme ging bislang so gut auf, dass Klopp nun als Tabellenfü­hrer der Premier League und Finalist des Ligapokals in seine letzten Monate in Liverpool gehen wird. Den tradistion­sreichen FA-Cup und die Europa League kann er mit seinem neuformier­ten Team auch noch gewinnen. „Lasst uns alles aus dieser Saison herausquet­schen und dafür sorgen, dass wir irgendwann lächelnd zurückscha­uen können“, sagte er.

Dennoch: Wie er da in seinem grauen Wollpulli im Studio des Vereinsfer­nsehens saß, wusste er, dass er vielen Menschen das Herz brechen würde. „Ich werde nie, nie wieder einen anderen Club in England trainieren, zu 100 Prozent. Das ist doch nicht möglich. Meine Liebe zu diesem Verein, mein Respekt vor den Menschen ist zu groß“, versprach er. „Aber ich kann verstehen, dass es für viele Menschen in diesem Moment ein Schock ist, wenn man es zum ersten Mal hört.“

Man wird sich daran gewöhnen, irgendwann. Vielleicht sogar Jürgen Klopp.

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FOTO: IMAGO Jürgen Klopp verabschie­det sich im Sommer aus Liverpool.

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