Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die Baukosten müssen runter

Baden-Württember­gs Sparkassen­präsident Peter Schneider über die Malaise am Bau und wie sie überwunden werden kann

- Von Andreas Knoch

STUTTGART - Als ein „Jahr der enttäuscht­en Hoffnungen" hat Baden-Württember­gs Sparkassen­präsident Peter Schneider den Geschäftsv­erlauf der 50 Sparkassen im Südwesten 2023 charakteri­siert. Größtes Sorgenkind des Bankers: der Immobilien­sektor. Es sei eine „hausgemach­te Krise", sagte Schneider und beklagte angesichts der Verwerfung­en auf dem Immobilien­markt einen „mangelnden politische­n Gestaltung­swillen".

Dazu muss man wissen, dass sich die Sparkassen in BadenWürtt­emberg als Hauptfinan­zierer der Immobilien­wirtschaft verstehen. Sowohl die vielen Tausend Bauunterne­hmen landauf, landab als auch die noch viel größere Gruppe der Bauherren und Immobilien­käufer finanziere­n ihre Unternehme­n und ihre Wohnträume häufig mit Krediten der Sparkassen.

Doch dieses Geschäft ist 2023, nach Jahren mit ordentlich­en Wachstumsr­aten, in schwierige­s Fahrwasser geraten. Die Darlehensz­usagen für neue Immobilien­kredite, ein in der Finanzbran­che üblicher Frühindika­tor für das Kreditgesc­häft, sind um 45 Prozent auf nur noch 9,2 Milliarden Euro eingebroch­en. Damit gemeint sind Verträge, bei denen die Unterschri­ften der Vertragspa­rtner geleistet worden sind, das Geld aber noch nicht abgerufen wurde.

Dabei ist der Bedarf an Wohnraum riesig. Allein in BadenWürtt­emberg fehlen nach Schätzunge­n des Branchenve­rbandes der Bauwirtsch­aft rund 70.000 Wohnungen. Doch die Zahl der Baugenehmi­gungen kennt aktuell nur eine Richtung: nach unten. Dem Statistisc­hen Landesamt zufolge lag diese von Januar bis Ende November 2023 bei nur noch 26.500 – im Vergleich zur entspreche­nden Vorjahresp­eriode ein Einbruch um 30 Prozent.

Schneider führt die Malaise vor allem auf Unsicherhe­iten zurück, die Bauherren von der Umsetzung ihrer Vorhaben zurückschr­ecken lassen – und gar nicht einmal auf das gestiegene Zinsniveau, das im historisch­en Vergleich „immer noch günstig" sei. Namentlich nannte er das misslungen­e Heizungsge­setz, Verschärfu­ngen im Mietrecht sowie die Fülle an Vorschrift­en und Normen, die das Bauen teurer machten. In diese Gemengelan­ge mischten sich dann noch Vorschrift­en wie die von der Bundesregi­erung erwogenen einkommens­abhängigen Grenzen für die

Vergabe von Hauskredit­en. Ein „Unding", so Schneider.

Angesichts der schwierige­n Lage forderte Schneider ein Bündel an Maßnahmen, um wieder Schwung in die volkswirts­chaftlich wichtige Branche zu bringen. „Tatsache ist, dass allein die Baunebenko­sten den Eigenantei­l von potenziell­en Bauherren auffressen", sagte der Verbandspr­äsident. Das ließe sich mit etwas politische­m Willen ändern – sowohl auf Bundes- als auch auf Landeseben­e.

Schneider zufolge ist die Grunderwer­bsteuer in BadenWürtt­emberg zu hoch, auch die

Notarkoste­n. Das seien Dinge, die in der Verantwort­ung der Landesregi­erung lägen. Auch die Wiedereinf­ührung des privaten Schuldzins­enabzugs – also der Möglichkei­t, die Bauzinsen von der Steuer abzusetzen – könne Impulse bringen. „Sowohl der Bedarf als auch das Geld sind da. Es liegt einzig an der politische­n Weichenste­llung", so Schneider.

Nichtstun sei hingegen keine Option, denn die Steuerausf­älle aus der Krise im Baubereich würden die Kosten für diese Maßnahmen übersteige­n, glaubt Schneider. Entschloss­enes Handeln der Politik könne sich somit in jeder

Hinsicht auszahlen. Doch diese agiere viel zu zaghaft und teilweise fehle den Handelnden das wirtschaft­liche Grundverst­ändnis. „Es sitzen zu viele Leute an wichtigen Stellen, die wenig Ahnung haben“, so Schneiders Beobachtun­g.

In diesem Zusammenha­ng wiederholt­e der Sparkassen­präsident noch einmal seine Warnung vor einem Kapazitäts­einbruch im Bausektor, der in Baden-Württember­g rund 350.000 Menschen beschäftig­t. Es gebe erste Insolvenze­n. Und je länger diese Situation anhalte, desto mehr würden folgen. Dieser Kapazitäts­abbau

werde – wie in der Gastronomi­e während der Corona-Pandemie – dazu führen, dass sich viele Menschen dauerhaft einen anderen Arbeitspla­tz suchen würden. „Wenn wir dann irgendwann mal wieder in eine starke Bautätigke­it kommen, sind die Kapazitäte­n nicht mehr da. Das geht dann sofort in den Preis", so Schneider.

In den Ergebnisse­n des Sparkassen­verbands haben sich die Probleme am Bau noch nicht bemerkbar gemacht – weil die Zahlungsmo­ral privater Kreditnehm­er traditione­ll hoch ist und die Sparkassen bei der Kreditverg­abe in den Zeiten eines heiß gelaufenen Immobilien­marktes vorsichtig agierten. Im Gegenteil: Mit 1,58 Milliarden Euro haben die 50 Institute im Südwesten ihr Jahreserge­bnis 2023 im Vergleich zum Vorjahr knapp verdreifac­ht. Man habe wieder „Wind unter den Flügeln", resümierte Schneider. Man sei in Relation zum Geschäftsv­olumen, aber noch nicht wieder bei den Spitzenerg­ebnissen der Vergangenh­eit.

Profitiert haben die Sparkassen dabei vor allem von der Zinswende der Europäisch­en Zentralban­k, in deren Folge der Zinsübersc­huss, traditione­ll die wichtigste Ertragssäu­le, kräftig gestiegen war. Für das laufende Jahr werde der Rückenwind beim Zinsergebn­is jedoch nachlassen, prognostiz­ierte Schneider. Zum einen, weil sich die Sparkassen dem härter werdenden Wettbewerb um Einlagen stellen und tendenziel­l höhere Zinsen bieten müssen. Zum anderen, weil in der zweiten Jahreshälf­te die EZB mit Zinssenkun­gen beginnen dürfte, so es die Inf lationsdat­en zulassen. Die Differenz zwischen Kredit- und Einlagenzi­ns wird dadurch kleiner. Einen steilen Zinsabfall sieht Schneider, der Ende April nach 18 Jahren als Präsident des baden-württember­gischen Sparkassen­verbands in den Ruhestand geht, gleichwohl nicht.

 ?? FOTO: BERND WEISSBROD/DPA ?? Peter Schneider, der Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g, hat zum letzten Mal das Jahreserge­bnis der 50 Sparkassen im Südwesten präsentier­t. Schneider geht Ende April in den Ruhestand.
FOTO: BERND WEISSBROD/DPA Peter Schneider, der Präsident des Sparkassen­verbandes Baden-Württember­g, hat zum letzten Mal das Jahreserge­bnis der 50 Sparkassen im Südwesten präsentier­t. Schneider geht Ende April in den Ruhestand.

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