Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Die Baukosten müssen runter
Baden-Württembergs Sparkassenpräsident Peter Schneider über die Malaise am Bau und wie sie überwunden werden kann
STUTTGART - Als ein „Jahr der enttäuschten Hoffnungen" hat Baden-Württembergs Sparkassenpräsident Peter Schneider den Geschäftsverlauf der 50 Sparkassen im Südwesten 2023 charakterisiert. Größtes Sorgenkind des Bankers: der Immobiliensektor. Es sei eine „hausgemachte Krise", sagte Schneider und beklagte angesichts der Verwerfungen auf dem Immobilienmarkt einen „mangelnden politischen Gestaltungswillen".
Dazu muss man wissen, dass sich die Sparkassen in BadenWürttemberg als Hauptfinanzierer der Immobilienwirtschaft verstehen. Sowohl die vielen Tausend Bauunternehmen landauf, landab als auch die noch viel größere Gruppe der Bauherren und Immobilienkäufer finanzieren ihre Unternehmen und ihre Wohnträume häufig mit Krediten der Sparkassen.
Doch dieses Geschäft ist 2023, nach Jahren mit ordentlichen Wachstumsraten, in schwieriges Fahrwasser geraten. Die Darlehenszusagen für neue Immobilienkredite, ein in der Finanzbranche üblicher Frühindikator für das Kreditgeschäft, sind um 45 Prozent auf nur noch 9,2 Milliarden Euro eingebrochen. Damit gemeint sind Verträge, bei denen die Unterschriften der Vertragspartner geleistet worden sind, das Geld aber noch nicht abgerufen wurde.
Dabei ist der Bedarf an Wohnraum riesig. Allein in BadenWürttemberg fehlen nach Schätzungen des Branchenverbandes der Bauwirtschaft rund 70.000 Wohnungen. Doch die Zahl der Baugenehmigungen kennt aktuell nur eine Richtung: nach unten. Dem Statistischen Landesamt zufolge lag diese von Januar bis Ende November 2023 bei nur noch 26.500 – im Vergleich zur entsprechenden Vorjahresperiode ein Einbruch um 30 Prozent.
Schneider führt die Malaise vor allem auf Unsicherheiten zurück, die Bauherren von der Umsetzung ihrer Vorhaben zurückschrecken lassen – und gar nicht einmal auf das gestiegene Zinsniveau, das im historischen Vergleich „immer noch günstig" sei. Namentlich nannte er das misslungene Heizungsgesetz, Verschärfungen im Mietrecht sowie die Fülle an Vorschriften und Normen, die das Bauen teurer machten. In diese Gemengelange mischten sich dann noch Vorschriften wie die von der Bundesregierung erwogenen einkommensabhängigen Grenzen für die
Vergabe von Hauskrediten. Ein „Unding", so Schneider.
Angesichts der schwierigen Lage forderte Schneider ein Bündel an Maßnahmen, um wieder Schwung in die volkswirtschaftlich wichtige Branche zu bringen. „Tatsache ist, dass allein die Baunebenkosten den Eigenanteil von potenziellen Bauherren auffressen", sagte der Verbandspräsident. Das ließe sich mit etwas politischem Willen ändern – sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene.
Schneider zufolge ist die Grunderwerbsteuer in BadenWürttemberg zu hoch, auch die
Notarkosten. Das seien Dinge, die in der Verantwortung der Landesregierung lägen. Auch die Wiedereinführung des privaten Schuldzinsenabzugs – also der Möglichkeit, die Bauzinsen von der Steuer abzusetzen – könne Impulse bringen. „Sowohl der Bedarf als auch das Geld sind da. Es liegt einzig an der politischen Weichenstellung", so Schneider.
Nichtstun sei hingegen keine Option, denn die Steuerausfälle aus der Krise im Baubereich würden die Kosten für diese Maßnahmen übersteigen, glaubt Schneider. Entschlossenes Handeln der Politik könne sich somit in jeder
Hinsicht auszahlen. Doch diese agiere viel zu zaghaft und teilweise fehle den Handelnden das wirtschaftliche Grundverständnis. „Es sitzen zu viele Leute an wichtigen Stellen, die wenig Ahnung haben“, so Schneiders Beobachtung.
In diesem Zusammenhang wiederholte der Sparkassenpräsident noch einmal seine Warnung vor einem Kapazitätseinbruch im Bausektor, der in Baden-Württemberg rund 350.000 Menschen beschäftigt. Es gebe erste Insolvenzen. Und je länger diese Situation anhalte, desto mehr würden folgen. Dieser Kapazitätsabbau
werde – wie in der Gastronomie während der Corona-Pandemie – dazu führen, dass sich viele Menschen dauerhaft einen anderen Arbeitsplatz suchen würden. „Wenn wir dann irgendwann mal wieder in eine starke Bautätigkeit kommen, sind die Kapazitäten nicht mehr da. Das geht dann sofort in den Preis", so Schneider.
In den Ergebnissen des Sparkassenverbands haben sich die Probleme am Bau noch nicht bemerkbar gemacht – weil die Zahlungsmoral privater Kreditnehmer traditionell hoch ist und die Sparkassen bei der Kreditvergabe in den Zeiten eines heiß gelaufenen Immobilienmarktes vorsichtig agierten. Im Gegenteil: Mit 1,58 Milliarden Euro haben die 50 Institute im Südwesten ihr Jahresergebnis 2023 im Vergleich zum Vorjahr knapp verdreifacht. Man habe wieder „Wind unter den Flügeln", resümierte Schneider. Man sei in Relation zum Geschäftsvolumen, aber noch nicht wieder bei den Spitzenergebnissen der Vergangenheit.
Profitiert haben die Sparkassen dabei vor allem von der Zinswende der Europäischen Zentralbank, in deren Folge der Zinsüberschuss, traditionell die wichtigste Ertragssäule, kräftig gestiegen war. Für das laufende Jahr werde der Rückenwind beim Zinsergebnis jedoch nachlassen, prognostizierte Schneider. Zum einen, weil sich die Sparkassen dem härter werdenden Wettbewerb um Einlagen stellen und tendenziell höhere Zinsen bieten müssen. Zum anderen, weil in der zweiten Jahreshälfte die EZB mit Zinssenkungen beginnen dürfte, so es die Inf lationsdaten zulassen. Die Differenz zwischen Kredit- und Einlagenzins wird dadurch kleiner. Einen steilen Zinsabfall sieht Schneider, der Ende April nach 18 Jahren als Präsident des baden-württembergischen Sparkassenverbands in den Ruhestand geht, gleichwohl nicht.