Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Das ist eine kleine Minderheit, die das System bewusst ausnutzt“
Verena Bentele, Präsidentin des Sozialverbands VdK, erklärt, warum sie die Debatte über Arbeitsverweigerer für überzogen hält
Die Ausgaben für Soziales und gesetzliche Leistungen sind seit Jahrzehnten kontinuierlich gewachsen, auch unter unionsgeführten Regierungen. Ist die Belastungsgrenze für diejenigen, die das finanzieren müssen, erreicht – oder ist das Gejammer auf hohem Niveau?
Die meisten Menschen in Deutschland verdienen nicht sehr viel, es reicht für die Miete, fürs Essen und hin und wieder Urlaub. Aber der Kauf eines Eigenheims beispielsweise ist heutzutage für viele unerschwinglich. Wenn Erwerbstätige sagen, dass die Sozialversicherungsbeiträge zu hoch sind beziehungsweise eine Grenze erreicht ist, kann ich das für „Normalverdiener“nachvollziehen. Ich erwidehohe re darauf, dass der Staat dringend an die Einnahmeseite ranmuss.
Was fordern Sie konkret?
Einen höheren Spitzensteuersatz für Menschen, die sehr viel verdienen, und eine höhere Kapitalertragsteuer, damit diejenigen, die über Geldanlagen reich werden, mehr beitragen. Auch sehr Erbschaften und hohe Vermögen sollten höher besteuert werden. Darüber hinaus gibt es Handlungsbedarf bei der Bekämpfung von Steuerhinterziehung. Dadurch entgehen dem Staat 150 Milliarden Euro pro Jahr. Und ich wäre eben dafür, dass auch Beamte, Selbstständige und Abgeordnete in die Solidarsysteme
einzahlen. Dann hat der Staat genügend Geld für Sozialausgaben.
Deutlich mehr als ein Drittel des Gesamtbudgets fließt bereits in den Haushalt von Bundessozialminister Hubertus Heil, auch in das Bürgergeld, das zu Beginn des Jahres um zwölf Prozent erhöht wur
Vonseiten der Union wird gefordert, Ukraine-Flüchtlinge künftig nicht mehr mit Bürgergeld, sondern mit den geringeren Leistungen für Asylbewerber zu unterstützen. Wie stehen Sie dazu?
Politik für Geflüchtete ist nicht das Kerngebiet des VdK. Aber ich halte es nicht für zielführend, Bedürftige, die aus unterschiedlichen Gründen nicht arbeiten können, in verschiedene Gruppen einzusortieren. Ein Ziel des Bürgergeldes ist es ja, Menschen zu integrieren, zu qualifizieren und in Arbeit zu bringen. Darauf sollten wir unseren Fokus legen. Ukraine-Geflüchtete sollten die Unterstützung bekommen, die
Noch ein Wort zur Kindergrundsicherung: Sie haben sich dafür eingesetzt, Kinder aus ärmeren Familien besser zu unterstützen. Herausgekommen ist eine Reform, die vor allem einen teuren Bürokratie-Aufbau zur Folge hat. Wäre es nicht besser, am bisherigen System festzuhalten?
Noch kämpfe ich auch als Sprecherin eines Bündnis Kindergrundsicherung für eine gute Kindergrundsicherung. Aber wir haben eine klare Linie: Wenn es für die Familien nicht deutlich einfacher wird, die Leistungen zu bekommen, und sie nicht mehr Möglichkeiten haben, Teilhabe, Bildung und Grundversorgung für ihre Kinder zu realisieren, dann werden wir uns gegen die Kindergrundsicherung stellen.