Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Zwei Bankangestellte verhindern Betrug
Kerstin Hornstein und Lisa Müller aus Immenstaad erhalten den Zivilcouragepreis
IMMENSTAAD - Betrüger versuchen mit immer raffinierteren Maschen, Menschen ihr Geld abzunehmen. Dass zwei Senioren nach Schockanrufen ihr Erspartes tatsächlich Kriminellen aushändigen wollten, haben Kerstin Hornstein und Lisa Müller von der Sparkassenfiliale in Immenstaad verhindert. Beide wurden jüngst mit dem Zivilcouragepreis des Bodenseekreises ausgezeichnet.
Kerstin Hornstein arbeitet seit mehr als 30 Jahren für die Sparkasse. Schockanrufe habe es früher nicht gegeben, erzählt Hornstein, die heute Geschäftsstellenleiterin der Sparkasse Salem-Heiligenberg in Immenstaad ist. Erst in den vergangenen Jahren sei das Phänomen aufgekommen – auch in der Gemeinde am Bodensee.
Ihre Mitarbeiterin Lisa Müller (27) stand am Schalter, als eine 90jährige Dame um eine Bargeldabhebung in Höhe von 40.000 Euro bat. Ihr liege ein günstiges Angebot für eine Küche vor, die sie in bar bezahlen wolle. „Wir haben das Geld gar nicht da“, sagte die Bankmitarbeiterin, um herauszufinden, wie die Kundin reagiert. „Sie war anders drauf als sonst, sie hat nicht so offen gesprochen“, berichtet Müller. Die beiden seien ins Büro gegangen und Müller habe hartnäckig nachgefragt, um welche Anschaffung es sich genau handele. Ein Angebot für die Küche konnte die Dame nicht vorlegen.
Müller holte ihre Chefin Kerstin Hornstein hinzu. Die 90-jährige Kundin habe oft längere Zeit nichts gesagt und überlegt, was sie erzählen soll, so Hornstein. Das sei typisch für Schockanrufe, denn die Betrüger impften ihren Opfern ein, dass vom „wirklichen“Vorgang keiner etwas erfahren dürfe. Dieser bestehe häufig darin, dass Familienmitglieder angeblich Unfälle verursacht hätten und diese nur durch eine Kautionszahlung freikämen. Und wenn jemand davon erfahre, sei die Freilassung gefährdet. Diese Geschichte hatten die Betrüger auch der 90-Jährigen erzählt.
„Kautionszahlungen gibt es in Deutschland nicht“, erinnert Müller. Aber Schockanrufe sind darauf ausgelegt, dass die Opfer nicht mehr rational denken können. Die Menschen stünden unter Schock – schließlich scheint das
Wohlergehen ihrer Familienmitglieder auf dem Spiel zu stehen.
Am Ende überwog bei der Dame dann doch das Vertrauen in die Bankmitarbeiterinnen. Diese begleiteten sie zum Polizeiposten Immenstaad, wo sie den Beamten den Fall schilderten.
Ein zweiter Fall in Immenstaad endete auch beim Polizeiposten. Ein 86-Jähriger klopfte an die Bürotür von Lisa Müller. In der einen Hand hatte er ein Handy, in der anderen sein Sparbuch, berichtet Müller. Die Betrüger hätten mitgehört, was in der Bankfiliale passiert.
60.000 Euro wollte er abheben. Der Senior sei schneller überzeugt gewesen als die Dame, dass es sich um einen Betrug handelte – auch wenn er zweifelte: „Was, wenn es wirklich ein Unfall ist?“Dagegen half ein Argument, das der Senior gelten ließ: Die Polizei könne nachschauen, ob ein Unfall passiert ist. Bei jeder größeren Bargeldabhebung fragen die Bankangestellten mittlerweile nach, worum es geht, so Hornstein. Auch bei Zahlungen ins Ausland. „Man muss sich rechtfertigen für die Frage“, sagt Hornstein. Und dabei eine Grenze zu ziehen, sei gar nicht so leicht, berichtet Müller. Sind etwa 3000 Euro schon eine verdächtige Summe?
Wenn die Kunden letztlich auf die Abhebung beharren, können die Mitarbeiterinnen ihnen das nicht verbieten. So wie ein älteres Ehepaar aus Meersburg, das Opfer eines Betrügers wurde. In mehreren Abständen hoben die beiden insgesamt rund 35.000 Euro ab, so Hornstein – Geld, das sie nie wieder gesehen haben.
„Betrug ist dauernd Thema in der Ausbildung“, sagt Müller, die ihre Lehre bei der Sparkasse absolviert hat, mittlerweile aber für ein Industrieunternehmen arbeitet.
Auch wenn die Betrüger immer neue Maschen erfinden – ob beim Onlinebanking oder bei der Telefonüberweisung. „Der erste Blick reicht oft nicht.“Etwa, als eine Überweisung per Post einging, auf der die Unterschrift draufkopiert wurde, erzählt Hornstein. Und so bleiben Müller und Hornstein auch in Zukunft wachsam – jetzt können sie sich erst einmal über den Zivilcouragepreis des Bodenseekreises freuen.