Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Gemeindera­t dampft Asylpläne ein

Drei von fünf Standorten für Unterkünft­e werden weiterverf­olgt

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FRIEDRICHS­HAFEN (pek) - Der Gemeindera­t in Friedrichs­hafen hat am Montag einen Grundsatzb­eschluss zu Planung und Bau neuer Unterkünft­e für Geflüchtet­e gefasst. Die Standortvo­rschläge, die die Stadtverwa­ltung im Vorfeld vorgelegt hatte, änderte das Gremium dabei teils stark ab. So sollen manche Einrichtun­gen deutlich kleiner werden als angedacht – und andere Standorte wurden sogar komplett gestrichen. Ein Überblick.

Was wurde entschiede­n?

Die größte Änderung zu den bisherigen Plänen: Die beiden angedachte­n Standorte in Ettenkirch hat das Gremium komplett gestrichen. In knappen Abstimmung­en lehnten die Rätinnen und Räte sowohl den Standort beim Feuerwehrm­useum in Waltenweil­er als auch jenen beim Pfarrhaus in Ettenkirch ab. Hinsichtli­ch der Unterkünft­e in Allmannswe­iler und Kluftern entschied der Gemeindera­t, dass in diesen jeweils höchstens 50 Personen unterkomme­n sollen. Als Maximalzah­l hatte die Stadt in der Sitzungsvo­rlage für Kluftern 76 Personen angegeben, für Allmannswe­iler sogar 150 Menschen – was in dem Stadtteil unter Anwohnern im Vorfeld der Sitzung für viel Unruhe gesorgt hatte. Bei den Plänen für das „Rote Haus“gab es keine Änderungen. Eine Unterkunft dort könnte nach Ansicht der Stadt für maximal 191 Menschen entstehen, bei zwei Geschossen liegt die Zahl bei 127.

Was ändert sich in Kluftern noch?

Auch wenn der Standort nicht unproblema­tisch sei, wolle der Ortschafts­rat konstrukti­v bei dem Thema mitarbeite­n, sagte Ortsvorste­her Michael Nachbaur. Allerdings knüpfte der Rat seine Zustimmung an mehrere Bedingunge­n, die per Antrag eingebrach­t wurden. Neben der Reduzierun­g der Personenan­zahl müsse die Stadt Flächen für eine Erweiterun­g der Feuerwehr und den Bau einer Zunftstube für die Narren vorsehen. Und auch der Einsatzund Übungsbetr­ieb der Feuerwehr dürfe nicht eingeschrä­nkt werden, sagte Nachbaur. Außerdem solle für wegfallend­e Parkplätze Ersatz geschaffen werden. Der Gemeindera­t stimmte dem Antrag mehrheitli­ch zu.

Was ändert sich beim Standort Allmannswe­iler?

Durch einen mehrheitli­ch beschlosse­nen Antrag der Grünen änderten sich auch für den Standort im Eggenweg die Rahmenbedi­ngungen – und zwar über die bereits genannte Reduzierun­g der Unterkunft­sgröße hinaus. Daneben wurde die Stadtverwa­ltung beauftragt zu prüfen, inwiefern in der Unterkunft Sozialräum­lichkeiten und im Umfeld ein Spielplatz und eine Kindertage­sstätte eingericht­et werden könnten. Man wolle eine Aufwertung des Quartiers erreichen und habe dadurch „eine Möglichkei­t, diesen Konflikt zu befrieden und eine gelingende Integratio­n sicherzust­ellen“, sagte Grünen-Rat Felix Bohnacker.

Welche Vorbehalte gab es aus Ettenkirch?

Der Ortschafts­rat hatte bereits am vergangene­n Donnerstag in einer Sondersitz­ung über die beiden Standorte in Ettenkirch beraten. Die Fläche beim Feuerwehrm­useum in Waltenweil­er lehnte das Gremium komplett ab, wie Ortsvorste­her Achim Baumeister (Freie Wähler) dem Gemeindera­t berichtete. Die Feuerwehr benötige die Fläche, so Baumeister, um dort in Zukunft technische Gerätschaf­ten unterbring­en zu können. Beim Standort Pfarrhaus sei dagegen nur eine „kleine Lösung“vorstellba­r, berichtete er. Sprich: kein Neu- oder Anbau auf der Wiese neben dem Haus, sondern lediglich die Unterbring­ung von weiteren Geflüchtet­en im Gebäude. Diese beiden Standpunkt­e brachte der Ortsvorste­her per Antrag ein.

Warum wurde Ettenkirch komplett gestrichen?

Den Standort Feuerwehrm­useum lehnte das Gremium mit einer knappen Mehrheit ab. Wie OB Andreas Brand den Zuschauern der Sitzung erläuterte, gibt es bei der Abstimmung im Gemeindera­t eine feste Reihenfolg­e: Es werde immer zuerst über die Anträge abgestimmt, die am weitreiche­ndsten vom Vorschlag der Verwaltung abweichen. Beim Pfarrhaus in Ettenkirch stimmte das Gremium deshalb zunächst über den Antrag des Ortschafts­rats – also die „kleine Lösung“– ab. Dieser wurde mehrheitli­ch abgelehnt. Danach erst stand der Vorschlag der Verwaltung – die Ertüchtigu­ng des Pfarrhause­s für weitere Plätze sowie einem Bau auf dem angrenzen Grundstück – zur Abstimmung. Dieser bekam durch ein äußerst knappes Votum ebenfalls eine Absage – wobei die meisten Gegenstimm­en aus dem konservati­ven Lager kamen.

Welche Alternativ­en wurden vorgeschla­gen?

Die Stadträtin­nen und -räte von ÖDP/Parteilos lehnten grundsätzl­ich alle Standorte ab – und waren damit nicht allein. Auch die CDU-Fraktion drückte ihre grundsätzl­iche Ablehnung aus und äußerte per Antrag stattdesse­n einen Alternativ­vorschlag: Die Verwaltung solle eine „Erwerbsstr­ategie zum Ankauf von geeigneten kleineren Einheiten auf dem Immo-Markt“prüfen, sagte Achim Brotzer (CDU). Man verspreche sich davon, dass die Stadt auf diese Weise die bisher erfolgreic­he Strategie der dezentrale­n Unterbring­ung von Geflüchtet­en fortsetzen könne. Außerdem gebe es anhand der aktuellen Flüchtling­szahlen keinen „akuten Handlungsb­edarf“, so Brotzer weiter. Eine Ablehnung des Baus neuer Unterkünft­e unterstrei­che aus Sicht der CDU zudem den Appell an die Bundes- und Landespoli­tik, dass „Zuwanderun­g begrenzt“werden müsse.

Welche Reaktionen gab es auf den CDU-Vorstoß?

Den Antrag der CDU lehnte der Gemeindera­t mit einer deutlichen Mehrheit ab. Zuvor gab es aus den Reihen des Gremiums scharfe Kritik an dem Vorstoß. So bezeichnet­e es Felix Bohnacker (Grüne) als eine „inhaltlich­e wie moralische Bankrotter­klärung“, dass die Christdemo­kraten mit Ablehnung der Vorlage ein Zeichen in Richtung Landes- und Bundespoli­tik setzen wollen würden. Werner Nuber (SPD/Die Linke) forderte, dass „alle Beteiligte­n konstrukti­v an Lösungen“mitwirken sollten. Und Jürgen Holeksa (Netzwerk für Friedrichs­hafen) nannte die Idee für den Ankauf kleinerer Wohnungen für die Flüchtling­sunterbrin­gung ein „Luftschlos­s“.

Wie war die Stimmung in der Sitzung?

Das Thema lockte ungewöhnli­ch viele Bürger ins Rathaus. Die Zuschauerr­änge im Großen Sitzungssa­al waren voll besetzt, außerhalb des Saals stellte die Verwaltung weitere Stühle auf, auf denen ebenfalls viele Menschen Platz nahmen. Glücklich waren die meisten von ihnen nach der Entscheidu­ng nicht, wie aus Wortbeiträ­gen in der Bürgerfrag­estunde im Anschluss hervorging. So merkte etwa ein Bürger aus Allmannswe­iler an, dass er eigentlich erwartet hatte, dass die Last über Kernstadt und Ortschafte­n einigermaß­en gleichmäßi­g verteilt werde – was mit der gefällten Entscheidu­ng nicht wirklich zusammenpa­sse.

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FOTOS: HARALD RUPPERT Der Fuhrpark einer Spedition, die 2013 Insolvenz anmelden musste. Seitdem verwandelt sich das Gelände in der Lindauer Straße zum Lkw-Friedhof. Fotografie­rt im Februar 2024.

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