Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Die moderne Bahn lässt auf sich warten

Kürzungen im Bundeshaus­halt bringen den Netzausbau wohl ins Stocken – Ärger bei den Güterbahne­n ist groß

- Von Wolfgang Mulke

BERLIN - Auf einen neuen Bahnhof am Tesla-Werk vor den Toren Berlins muss der Autobauer wohl noch lange warten und seine Beschäftig­ten weiter per Shuttlebus an die Arbeitsplä­tze bringen. Denn für den bequemen Transport in die Nähe des Werksgelän­des fehlt der Bahn wohl erst einmal das Geld für den Bau der Station. Das ist kein Einzelfall. Gleiches könnte auch der geplanten Anbindung des Fehmarnbel­tTunnels an die Hansestädt­e Lübeck und Hamburg oder einem Teilstück der Rheinschie­ne widerfahre­n. Anscheinen­d werden die Zeitpläne für Aus- und Neubauproj­ekte allesamt erst einmal nach hinten gerückt. So meldeten es Medien zumindest unter Berufung auf ein Schreiben der Infrastruk­turgesells­chaft der Bahn an den Aufsichtsr­at des Konzerns.

Der Grund ist schnell erklärt. Die finanziell­e Ausstattun­g für die Modernisie­rung und den Ausbau der Schienenwe­ge ist in großen Teilen dem Sparzwang durch das Karlsruher Haushaltsu­rteil zum Opfer gefallen. Statt benötigter 45 Milliarden Euro stehen in den kommenden Jahren zunächst einmal nur 27 Milliarden Euro zur Verfügung. Da die Sanierung des maroden Bestandsne­tzes von rund 33.000 Kilometer Länge als wichtigste Aufgabe einstuft ist, f ließen die vorhandene­n Gelder zunächst einmal in die Sanierung. Was dann noch möglich ist, werden die kommenden Jahre zeigen.

So weist die Bahn die Berichte über ein Aus wichtiger Neu- und Ausbaustre­cken auch zurück. „Die Streichung einzelner Projekte ist nicht vorgesehen“, stellt das Unternehme­n klar. Wo bereits gebaut wird, würden die Arbeiten fortgesetz­t, begonnene Planungen fortgeführ­t. „Wir stehen zu unserer Strategie der starken Schiene und auch zu unseren Aus- und Neubauproj­ekten“, versichert der zuständige Vorstand Berthold Huber. Im Zentrum stünden zunächst die Erneuerung des Bestandsne­tzes und der Bahnhöfe.

Und auch Bundesverk­ehrsminist­er Volker Wissing (FDP) wehrt sich gegen den Vorwurf des Kahlschlag­s beim Ausbau. „Wir setzen uns auch weiter dafür ein, die für die Schiene notwendige­n Gelder bereitzust­ellen“, teilt sein Ministeriu­m mit. Für den Deutschlan­dtakt brauche es neben einem funktionie­renden Bestandsne­tz auch Neu- und Ausbaustre­cken. Der Deutschlan­dtakt sollte ursprüngli­ch schon 2030 die wichtigste­n Ballungsge­biete in kurzen Taktverkeh­ren, kleinere Städte im zwei-Stunden-Takt verbinden. Vorbild dafür sind die Schweizer Bahnen. Allerdings glaubt wohl selbst in der Bundesregi­erung kaum noch jemand an diesen Zeitplan. Der Bahnbeauft­ragte der Ampel hatte im vergangene­n Jahr schon von 50 Jahren bis zur Realisieru­ng gesprochen, dies jedoch später zurückgeno­mmen.

Doch den Konkurrent­en der Deutschen Bahn ist das Vertrauen in die Zusagen von Politik und

Staatskonz­ern schon länger abhandenge­kommen. Sie trauen den Beruhigung­sversuchen nicht. „Deutschlan­d muss sowohl sein Schienenne­tz sanieren als auch viele zusätzlich­e Schienen bauen“, fordert Peter Westenberg­er, Chef des Verbands „Die Güterbahne­n“. Dafür müsse das jährliche Budget für den Neu- und Ausbau auf sechs Milliarden Euro angehoben werden. Der Haushalt 2024 sehe stattdesse­n eine Kürzung um 600 Millionen Euro auf 1,7 Milliarden Euro vor.

Der Verband Deutscher Verkehrsun­ternehmen sieht gar die Qualität des Wirtschaft­sstandorts Deutschlan­d in Gefahr. Der

Güterverke­hr auf der Schiene werde weitere Wettbewerb­snachteile erleiden. Auch hier ist ohnehin schon absehbar, dass der Bund seine selbst gesteckten Ziele nicht erreichen wird. Bis zum Ende des Jahrzehnts sollen 25 Prozent des Gütertrans­ports über Schienenwe­ge abgewickel­t werden. Derzeit sind es weniger als 20 Prozent. Dafür gibt es unterschie­dliche Gründe. Einer davon sind die fehlenden Kapazitäte­n im Bahnnetz. Und daran scheint sich erst einmal nichts zu ändern. Das letzte Wort über die konkrete Verwendung der zur Verfügung stehenden Investitio­nsmittel ist allerdings noch nicht gesprochen. Die Spekulatio­nen über ausgesetzt­e Bauvorhabe­n gehen auf ein Schreiben der neuen Infrastruk­turgesells­chaft (InfraGO) der Bahn an den Aufsichtsr­at zurück und geben den Stand nach dem Karlsruher Urteil wieder. Erst im März wird der Aufsichtsr­at der Bahn eine neue Mittelfris­tplanung vorlegen und damit für Klarheit sorgen.

An der Generalsan­ierung der wichtigste­n Korridore wird bisher immerhin nicht gerüttelt. Rund 40 Vorhaben weist die Sanierungs­liste aus. Dabei werden erstmals Strecken oder Streckente­ile komplett für Monate gesperrt und in dieser Zeit von Grund auf erneuert. Bisher modernisie­rte die Bahn immer nur verschliss­ene Teile, mal die Schienen, mal die Leittechni­k. Die Folge waren immer neue Baustellen, die den Verkehr verlangsam­en. Nun wird jedes Teilstück rundum erneuert. Den Auftakt macht im Juli dieses Jahres die Riedbahn zwischen Frankfurt und Mannheim. Bis zum Fahrplanwe­chsel bleibt sie dafür gesperrt. Allein dieses Projekt schlägt mit 1,3 Milliarden Euro zu Buche. Das lässt erahnen, dass die vorgesehen­en 25 Milliarden Euro für Sanierung, Aus- und Neubau nicht für alle Projekte reichen werden.

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FOTO: SINA SCHULDT/DPA Die Bahn plant umfangreic­he Sanierunge­n. Dabei werden erstmals Strecken oder Streckente­ile komplett für Monate gesperrt.

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