Schwäbische Zeitung (Tettnang)

„Zweite Klasse“statt „Business Class“

Warme Bedingunge­n bereiten den deutschen Biathleten und ihren Technikern große Sorgen

- Von Marco Krummel

NOVE MESTO (SID) - Vor ihrer mehrstündi­gen Heimreise mussten die deutschen Biathleten noch die Autoscheib­en kratzen, ausgerechn­et in der Nacht nach der FrühlingsW­M setzte in Nove Mesto winterlich­er Frost ein. Über zwei Wochen hatten milde Temperatur­en und nasser, weicher Schnee Benedikt Doll und Co. den letzten Nerv geraubt, das Skimateria­l war meilenweit entfernt von Medaillenn­iveau. Ein Weiter-So darf und soll es nach dem nervenzehr­enden Fiasko in Tschechien nicht geben.

„Wir müssen in der Lage sein, von Anfang an ein besseres Setup zur Verfügung zu haben und auf sowas schneller zu reagieren“, forderte Felix Bitterling. An neun Wettkampft­agen in der Vysocina Arena war kein Aufwärtstr­end erkennbar – und angesichts des fortschrei­tenden Klimawande­ls sind die Zukunftsau­ssichten düster. „Das hier wird eher das neue Normal als die Ausnahme“, führte der Sportdirek­tor des Deutschen Skiverband­es (DSV) aus: „Wir werden in der Zukunft noch sehr viele von diesen Wettbewerb­en sehen.“

Mit Blick auf kommende Großereign­isse müssen Lösungen her, die Sportler wurden bei der WM im Stich gelassen. „Es hat sich angefühlt wie im Flugzeug. Die vorne Business Class und wir zweite Klasse“, sagte Vanessa Voigt. In der Tat fehlten zur Skiqualitä­t der Franzosen und Norweger Welten. Im Endspurt rollten dann sogar mit begrenzten Mitteln antretende Esten und Finnen schier spielerisc­h vorbei. „Wir müssen in diesem Thema ,nass’ besser werden“, sagte Bitterling.

Es gelte, die Emotionen abkühlen zu lassen und dann mit den Spezialist­en innerhalb des Verbandes „überdiszip­linär“und „in aller Ruhe“Lösungen zu erarbeiten. In

Nove Mesto war der DSV trotz neun Technikern, zwei Wachstruck­s und Schleifmas­chine abgehängt – kaum nachvollzi­ehbar bei diesen Möglichkei­ten. „Die Techniker haben alles probiert, was in diesem Wachstruck war, jeden Tag zehn, zwölf, vierzehn Stunden geackert – von Strukturen, von Schliffen, von Wachs“, erklärte Bitterling schützend.

Auf der wissenscha­ftlichen Suche nach einer „Rakete“unter den Füßen gibt es Tausende Kombinatio­nen – und jede Nation arbeitet seit dem Fluorverbo­t mehr denn je zusätzlich an eigenen Wundermitt­eln.

Bei kalten und harten Bedingunge­n ist Deutschlan­d Weltspitze, doch der langfristi­ge Klimatrend geht zum weichen Schneemats­ch von Nove Mesto. „Da waren wir für die Medaillen nicht konkurrenz­fähig“, sagte Johannes Kühn: „Wir können nur hoffen, dass es besser wird, weil so gewinnen wir nix.“

Podestplät­ze gab es bezeichnen­derweise nach den beiden einzigen WM-Nächten mit Frost (Doll und Hettich-Walz) sowie nach einem windbeeinf lussten Fehlerfest­ival (Frauen-Staffel). Laufrückst­ände von Minuten waren inmitten einer Saison des leistungsm­äßigen Aufschwung­s an der Tagesordnu­ng. Die Athleten spürten oft „gar keinen Auftrag“(Kühn), vielmehr klebten die Skier „ein bisschen am Schnee“(Grotian).

Für die Ende Februar am Holmenkoll­en startende Schlusspha­se der Saison sei ihm dennoch „nicht bange“, betonte Bitterling. Doll freute sich auf der vermeintli­chen Karrierezi­elgeraden „auf richtig schönen Winter“. Problem: Die Langzeit-Wettervorh­ersagen lassen auch für Oslo zarte Plusgrade und Regen befürchten.

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FOTO: JAROSLAV SVOBODA/IMAGO In der Loipe waren Vanessa Voigt und Co. bei der WM nicht konkurrenz­fähig.

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