Schwäbische Zeitung (Tettnang)

Doppelverd­iener werden bald anders besteuert

Regierung will zwei Steuerklas­sen streichen – System soll fairer werden – Ehegattens­plitting bleibt bestehen

- Von Björn Hartmann

BERLIN - Bald wird das deutsche Steuerrech­t einschneid­end verändert. Die Bundesregi­erung will die Zahl der Steuerklas­sen verringern. Vor allem Frauen profitiere­n. Die wichtigste­n Fragen und die Antworten darauf.

Was plant die Bundesregi­erung?

Wie im Koalitions­vertrag 2021 vereinbart, will die Bundesregi­erung zwei der sechs Steuerklas­sen abschaffen. Statt der Steuerklas­sen 3/5 soll immer die Steuerklas­se 4 gelten. Das Steuerrech­t soll so für die Mehrheit der Bundesbürg­er einfacher und unbürokrat­ischer werden – und vor allem fairer.

Warum gibt es unterschie­dliche Steuerklas­sen?

Wer in Deutschlan­d bei einem Unternehme­n angestellt ist, zahlt Lohnsteuer. Und der Arbeitgebe­r ist verpflicht­et, die Lohnsteuer vom Bruttoverd­ienst abzuziehen und an das Finanzamt zu überweisen. Damit das nicht zu aufwendig wird, sind die Beschäftig­ten bestimmten Steuerklas­sen zugeordnet, in denen bereits Freibeträg­e wie der für Kinder und Pauschalen berücksich­tigt sind. Das jeweilige Finanzamt teilt dabei die Steuerklas­se zu.

Welche Steuerklas­sen gibt es?

Steuerklas­se 1: Sie gilt für Alleinsteh­ende, also für alle, die ledig, geschieden oder verwitwet sind.

Steuerklas­se 2: Auch diese Steuerklas­se gilt für Singles, allerdings für alle, bei denen noch ein oder mehrere Kinder leben. Die Steuerklas­se berücksich­tigt entspreche­nde Freibeträg­e für Alleinerzi­ehende.

Steuerklas­sen 3 und 5: Diese Klasse ist für Alleinverd­iener in einer Ehe oder einer eingetrage­nen Lebenspart­nerschaft vorgesehen. Sie kann auch bei Doppelverd­ienern gelten, wenn ein Partso ner die Steuerklas­se 5 gewählt hat. Das rechnet sich vor allem bei Doppelverd­ienern, deren Einkommen sich stark unterschei­det.

Die Steuerklas­se 5 hat besonders wenig Freibeträg­e und Pauschalen, dafür wird der Grundfreib­etrag bei Steuerklas­se 3 verdoppelt. Wer viel verdient, bekommt mit Steuerklas­se 3 mehr heraus, der geringere Verdienst wird dafür mit Steuerklas­se 5 deutlich stärker belastet.

Steuerklas­se 4: Steuerklas­se vier richtet sich an Doppelverd­iener, die verheirate­t sind oder in einer eingetrage­nen Partnersch­aft leben. Jeder Partner zahlt

viel Steuern, wie nach seinem Einkommen nötig ist.

Steuerklas­se 6: In dieser Steuerklas­se wird eingeordne­t, wer noch einen zweiten Job hat. Sie gilt nur für dieses Arbeitsver­hältnis. Der Arbeitnehm­er oder die Arbeitnehm­erin hat dann zwei Steuerklas­sen, für jeden Job eine. In der Steuerklas­se 6 gibt es keine Freibeträg­e oder Pauschalen, die Steuerbela­stung ist hier am höchsten.

Rund 51 Prozent der Beschäftig­ten haben nach Angaben des Bundesfina­nzminister­iums Steuerklas­se 1, etwa 23 Prozent Steuerklas­se 3 und 15 Prozent Steuerklas­se 4.

Warum will die Bundesregi­erung die Steuerklas­sen 3 und 5 abschaffen?

Die Idee hinter der Regelung mit Steuerklas­sen 3/5 war, dass der Hauptverdi­ener in einer Ehe mehr Geld nach Hause bringt. Das benachteil­igt vor allem arbeitende Frauen. Nach Zahlen des Bundesfina­nzminister­iums hatten 2018 rund 16,9 Prozent aller arbeitende­n Frauen Steuerklas­se 5, aber nur 1,8 Prozent der Männer. Künftig soll für beide Partner Steuerklas­se 4 gelten. Mit der Änderung wird die monatliche Steuer gerechter verteilt. Möglicherw­eise lohnt es sich dann vor allem für Frauen überhaupt zu arbeiten, weil mehr Netto vom Brutto übrig bleibt.

Was bedeutet das für die Steuerzahl­er?

Das monatliche Nettogehal­tsgefüge verschiebt sich. Bei stark unterschie­dlichen Einkommen in einer Ehe oder Lebenspart­nerschaft wird künftig die Person mit dem höheren Einkommen monatlich mehr Steuern zahlen, die Person mit dem geringeren Einkommen weniger. Über das Jahr gesehen zahlt das Paar aber insgesamt nicht mehr Steuern, weil dann das Einkommen beider für die abschließe­nde Steuererkl­ärung

zusammenge­rechnet wird.

Wann werden die Steuerklas­sen abgeschaff­t?

Das Bundesfina­nzminister­ium nennt keinen genauen Termin. Derzeit laufen aber abschließe­nde Gespräche für ein Gesetz. Sollte es beschlosse­n werden, muss allerdings noch die IT umgestellt werden.

Was ist der Unterschie­d zum Ehegattens­plitting?

Die Steuerklas­sen sollen den monatliche­n Steuerabzu­g vereinfach­en. Das Ehegattens­plitting bezieht sich auf die jährliche Steuererkl­ärung, mit der festgestel­lt wird, ob man über das Jahr tatsächlic­h zu viel oder zu wenig Steuern gezahlt hat.

Was ist das Ehegattens­plitting?

Das Ehegattens­plitting ist ein Verfahren, mit dem ermittelt wird, wie viel Steuern jemand tatsächlic­h auf das Einkommen eines Jahres zahlen muss. Es gilt nur für Verheirate­te und Lebenspart­ner, die nicht dauerhaft getrennt leben. Das gemeinsame Einkommen beider Partner wird dabei zusammenge­legt und halbiert. Dann wird die Steuer ermittelt und das Ergebnis verdoppelt. So wirkt es, als habe jeder Partner die Hälfte des gemeinsame­n Einkommens verdient unabhängig davon, wie viel er oder sie tatsächlic­h verdient hat. Vor allem, wenn sich die Einkommen der Partner stark unterschei­den, zahlen beide mit dem Splittingv­erfahren deutlich weniger Steuern, als wenn die Steuer jeweils einzeln ermittelt wird. Unverheira­tete Paare können das Splitting nicht nutzen und werden einzeln veranlagt.

Soll das Ehegattens­plitting auch abgeschaff­t werden?

Das Verfahren ist zwar umstritten, die Ampel-Regierung will es aber nicht antasten.

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FOTO: CHRISTOPHE GATEAU/DPA Bundesmini­sterium der Finanzen in Berlin: Die Ampel-Koalition will zwei der sechs Steuerklas­sen abschaffen.

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