Schwäbische Zeitung (Tettnang)
Endspurt für die MS Altenrhein
Altes Dornier-Schiff soll Anfang Juli wieder auf dem Bodensee fahren
FRIEDRICHSHAFEN - Die Restaurierung der MS Altenrhein in der Michelsen-Werft geht in die Endphase. Die Arbeiten an dem ehemalige Dornier-Arbeitsschiff hat die Bootsbauerinnen und Bootsbauer eine große Portion Durchhaltevermögen gekostet. Denn die Altenrhein kam in vergleichsweise schlechtem Zustand an den See, genauer gesagt in die Werft in Seemoos, zurück.
Der 15 Meter lange und 2,8 Meter breite Schiffsrumpf glänzt in edlem Weiß, nachdem 14 Farbschichten aufgezogen und Scheuerleisten angebracht wurden. Die zehn Bullaugen aus Messing sind ebenfalls auf Hochglanz poliert worden. Die Mitarbeiter um Werftchef und Bootsbaumeister Karsten Timmerherm steckten viel Arbeit in das ehemalige Dornier-Arbeitsschiff.
„Ende Mai wollen wir es auf dem Bodensee schwimmen lassen. Dann ist vier Wochen Zeit für den TÜV“, skizziert der Werftchef den Terminplan: „Anfang Juli soll die Altenrhein wieder in Betrieb gehen.“
Rückblick: Die Altenrhein wurde in der Bodan-Werft in Kressbronn nach den Plänen von Dornier-Testpilot und -Einflieger Franz Zeno Diemer gebaut und erhielt einen 65 PS (48 kW) starken Sechs-Zylinder-Maybach-Motor. Die Indienststellung für die Dornier Werke Altenrhein erfolgte 1928.
Die Altenrhein war Schleppboot für das legendäre Flugschiff Do X und wurde auch für Passagierfahrten zur Do X eingesetzt. Darüber hinaus durften Werftbesucher mit der MS Altenrhein fahren.
Nach den Plänen von Franz Zeno Diemer war offenbar mehr als ein reines Arbeitsschiff geschaffen worden. Denn was die Ästhetik anbelangt war sein Ziel, ein Pendant zur Do X zu schaffen. In Auftrag gegeben hatte die Altenrhein Claude Dornier. Nach Erkenntnissen des mittlerweile verstorbenen Do-X-Kenners Jörg-M. Hormann war der Flugpionier an Bord der Altenrhein, als das Motorboot die Do X am 12. Juli 1929 zu ihrem Jungfernflug begleitete.
Auf historischen Fotos ist zu sehen, wie die MS Altenrhein Passagiere zur Do X befördert. Oder wie sie die gewaltige Do X schleppt – ein letztes Mal, bevor das Flugschiff nach Berlin ins Museum gebracht wird.
Zwischen 1940 und 1944 wurde das Schiff stillgelegt. Das belegt die Motorbootkontrollkarte. Ab 1948 waren die Flugzeug- und Fahrzeugwerke Altenrhein (FFA), Nachfolgerin der Dornier Werke Altenrhein, Schiffseigner. 1955 wurde die Altenrhein offenbar bei der Bergung eines vor Horn im Kanton Thurgau in den Bodensee abgestürzten P-16-Prototyps der FFA eingesetzt.
1990 begann ein Schiffsliebhaber die Altenrhein zu restaurieren. Jahre später wurden diese Arbeiten beendet. Dann hörte man nichts mehr von diesem Arbeitsschiff – bis eine Mail im Oktober 2019 des damaligen Schweizer Eigners im Dornier Museum ankam. Dieser schrieb: „Die Altenrhein ist gestrandet und sucht ein neues Abenteuer.“
David Dornier, Enkel von Claude Dornier, ließ das Schiff im Sommer 2020 von seinem Liegeplatz an einem Elsässer Kanal zurück an den Bodensee bringen. In einer Depothalle am BodenseeAirport wurde dann mit der Restaurierung begonnen. Zunächst war geplant, zwei Planken zu tauschen und danach auszustäbeln. Das heißt: Leisten in die Fugen einbringen.
Doch dabei blieb es nicht, weil das Schiff an vielen Stellen kaputt war: So wurden die Fugen am Bootsrumpf in mühevoller Kleinarbeit „freigesägt“und Polyurethan-Klebund Dichtstoff entfernt, der irgendwann eingebracht worden war. Auch der Kiel wurde teilweise erneuert. Wo immer möglich, wurden alte Handwerkstechniken eingesetzt.
Im November 2021 zog die MS Altenrhein in die Werft nach Seemoos um. Als die Restaurierung des Schiffsrumpfs außen abgeschlossen war, ging es an den Innenausbau. Das Problem: Bis heute ist keine Innenansicht gefunden worden.
Immerhin existiert dafür eine Beschreibung. In den technischen Papieren heißt es: „Das Fahrzeug ist als Backdeckkreuzer entworfen. Die Kajüte hat zwei Längssofas mit abnehmbaren Kissen und Seitenpolstern mit erstklassigem Bezug (…). An Backbord befindet sich in der Ecke ein Buffetschrank. Ferner ist ein Klapptisch aus Mahagoni vorhanden.“
Doch „was versteht man unter Längssofas?“, fragt Karsten Timmerherm: „Wir haben uns also am zur Verfügung stehenden Platz orientiert. Und den Stil von außen für innen übernommen.“So kommt es, dass die Bootsbauer mit Mahagoni verkleidete Bänke gebaut haben, die als Stauraum verwendet werden können. Auch der Begriff „Buffetschrank“wurde interpretiert.
Um und über den 425 Kilogramm schweren Motor Beta Marine LTD B 90 He wird noch eine Art Kiste mit zwei Zugängen konstruiert. Sie kann auch von oben geöffnet werden, sollte der Motorblock herausgeholt werden müssen. Steuerseile und Antriebswelle werden noch eingebaut. Zudem muss noch die Elektrik vervollständigt werden. Auch fehlt der Abschluss der Schiffsschale und ihre innere Verkleidung.
„Die Restaurierung dieses Schiffes ist ein ganz besonderes Projekt“, sagt Karsten Timmerherm. „Nicht viele können sagen, dass sie an der Restaurierung beteiligt waren“, fügt Bootsbaumeister Moritz Pulter an. Manchmal, beispielsweise beim Bau der Bänke im Schiffsinnern, hatte nur ein Handwerker Platz. Bei Arbeiten auf dem Deck waren dann bis zu sechs Leute eingesetzt.
David Dornier freut sich mächtig, dass es mit der MS Altenrhein so gut vorwärtsgeht. Bleibt noch eine Frage: Wer wird die MS Altenrhein betreiben? Der Enkel Claude Dorniers möchte sich noch nicht äußern. „Wir sind derzeit in Gesprächen.“