Schwäbische Zeitung (Tettnang)
„Der Traumpartner fällt nicht vom Himmel“
Der Ravensburger Tanzlehrer Jürgen Schlegel war schon bei „Let’s Dance“und dem Schweizer Pendant „Darf ich bitten?“. Im Interview erklärt er den Kult um die RTL-Show und wie Frauen ihre Männer zum Tanzen bringen.
Wie sind Sie denn zum Tanzen gekommen?
Ich habe im Alter von sieben mit dem Leistungsturnen angefangen. Am Ende des Jahres gab es immer eine Aufführung, die in ein Tänzchen verpackt wurde. Da ich in einer reinen Mädchengruppe war, war klar, wer bei der Charlie-Chaplin-Show den Chaplin spielt. Also stand ich mit Melone und Stuhl in der Mitte, das hat großen Spaß gemacht. Und mein Vater ist noch heute, mit 77 Jahren, ein leidenschaftlicher Hobbytänzer, er hat mir früher immer vorgetanzt. So hat es sich in Richtung Tanz verschoben und immer weiterentwickelt.
Zu „Let’s Dance“ist es aber dann doch noch ein Sprung?
Meine frühere Partnerin und ich waren bei den Amateuren sehr erfolgreich und sind dann zu den Profis gewechselt. Damals war RTL-Juror Joachim Llambi Pressesprecher im Tanzverband, der rief uns an: „Wir brauchen noch Tänzer, kommt nach Köln zum Casting.“Vier Wochen später ging es schon los.
Mit Ihnen und Margarethe Schreinemakers als Tanzpaar …
… ja, privat haben wir uns super verstanden. Sie hat immer für mich gekocht, ich war wohl der einzige Tänzer, der während der Show zugenommen hat. Sie hat es auch beim Tanzen ganz gut gemacht.
Allein auf’s Tanzen kommt es aber nicht an, oder?
Nein, „Let’s Dance“ist eine Show und kein Wettbewerb. Nur bei den letzten Paaren geht es darum, wie die wirklich tanzen können. Der Rest ist Unterhaltung, Überraschung, Entwicklung, die Geschichten dahinter, wie beliebt jemand ist und wie viele am Schluss anrufen. Da war Margarethe im Ranking nicht ganz so weit oben.
Wie war das denn für Sie, RTL ist ein großer Sender, ein eigener Kosmos?
Ja, da ist eine ganz andere Energie, da ist ein ziemlicher Druck, ich stand die ganze Zeit unter Strom. Vielleicht habe ich mich damals auch zu sehr unter Druck gesetzt. In den Liveshows musst du funktionieren, alle schauen in diesen zwei Minuten nur auf dich. Und Margarethe war neben Guildo Horn und Katja Ebstein einer der Stars in der Show. Das war auch spannend und hat sehr viel für mich in Gang gesetzt.
Hätten Sie damals gedacht, dass sich „Let’s Dance“zum Kult entwickelt?
Jein. Mir war klar, dass es Anklang findet. Nach meiner Show war aber auch zunächst zwei Jahre Pause, weil RTL erkannt hatte, dass sie es interessanter gestalten müssen. Was ja auch gelang. Ich war dann noch drei Jahre lang als Choreograf und Coach dabei, sehr erfolgreich, einmal waren wir Zweiter, einmal Vierter und einmal haben wir gewonnen, mit Manuel Cortez und meiner damaligen Partnerin Melissa. Das war cool, aber mit heute lässt es sich nicht vergleichen.
Warum nicht?
Die Promis bewerben sich heute aktiv, um dabei sein zu können. Und schon vom ersten Moment der Bewerbung nehmen sie Privatstunden. Trotzdem ist ihnen dann oft noch nicht klar, was eine Teilnahme an Aufmerksamkeit und Druck bedeutet.
Wie ist für den Profi denn die Zusammenarbeit mit der Prominenz?
Du hast immer nur drei bis vier Tage Zeit zum Trainieren, dann gehen schon die Generalproben los. Und alles muss so oft wiederholt werden, bis es im Unterbewusstsein eines Laien sitzt. Solange, bis du selber kaum noch stehen kannst. Nach einer Staffel geht außer Urlaub gar nichts mehr. Weil du ausgelaugt bist, körperlich und mental. Dein Handy klingelt ständig, Facebook, WhatsApp, Instagram, Nachrichten über Nachrichten. Und dann hört plötzlich alles von einem auf den anderen Tag auf und du stehst im Leeren. Manche fallen in ein Loch, das kann krass sein.
Sie haben auch sehr erfolgreich bei der Schweizer Variante „Darf ich bitten?“teilgenommen, war es da ähnlich?
In der Schweiz war es deutlich entspannter, auch weil ich weiterhin zu Hause wohnen und Tanzstunden geben konnte.
Die vergangene „Let’s Dance“Staffel hat Anna Ermakova, die Tochter von Boris Becker, gewonnen, hätten Sie an ihren Erfolg geglaubt?
Ja, von der ersten Sekunde war mir klar, das Gesamtpaket muss gewinnen. Ich hatte Gänsehaut.
Obwohl sie als Person extrem kritisch beäugt wurde?
Ja, aber sie trat so schüchtern und unschuldig auf, und auch so authentisch. Und dann ihr Tanz, die Haltung, der Zugriff auf ihren Körper. Sie kam vom Ballett und konnte auf der Fläche trotzdem loslassen und ihre Energie rauslassen. Das war außergewöhnlich und eine der besten Leistungen bei „Let’s Dance“überhaupt.
Der Erfolg der Sendung liegt aber auch an den Profitänzern, manche sind inzwischen selber Stars, und vor allem an der Jury, oder?
Auf jeden Fall. Was Jorge González sagt, hat inzwischen Hand und Fuß, er vertritt außerdem die queere Community. Motsi Mabuse ist die ranghöchste Tänzerin, international erfolgreich. Und Joachim Llambi hat als Wertungsrichter die Ahnung, ist
Können insofern Tanzkurse auch gute Partnerbörsen sein, an Singles mangelt es schließlich nicht?
Das hat Vor- und Nachteile. Manche Frauen scheuen davor zurück, wollen nur tanzen, aber nicht verkuppelt werden. Oder sie haben Traumvorstellungen, der Mann muss gut aussehen, gut tanzen können, aber er soll nichts von einem wollen. So einer fällt nicht gleich vom Himmel. Das ist eine Herausforderung.
Sie hingegen dürften sich im siebten Himmel fühlen, wie auf Instagram zu sehen war ...
... ja, mein Lebensgefährte hat mir einen Antrag gemacht ... (zeigt strahlend seinen goldenen Verlobungsring).
Entsteht jetzt auch ein klein wenig Druck, bei ihrem Hochzeitstanz schauen die Gäste schließlich genau hin?
Da bin ich zum Glück viel entspannter als früher, doch wir werden uns bestimmt etwas einfallen lassen. Ich mag es jedoch klassisch, für mich muss es noch immer der Walzer sein.